MÚR – Múr (2024)
(9.234) Maik (8,9/10) Progressive Black Metal
Label: Century Media Records
VÖ: 22.11.2024
Stil: Progressive Black Metal
Die Musik von MÚR mit einer bestimmten Kategorie zu belegen, ist eigentlich unmöglich, denn die Isländer zelebrieren doch eine recht eigenwillige Mischung aus diversen Stilen. Seit 2018 aktiv, stellen sie nun ihr selbstbetiteltes Debütalbum vor, und schon bei den ersten Klängen denke ich mir: ‚isländischer kann man nicht klingen‘.Getragen, langsam schleppend, melodisch aber dennoch hart, schwer und dunkel. Beim Opener „Eldhaf“, der sich einerseits durch hypnotischen Rhythmus, andererseits auch durch progressives Synkopieren auszeichnet, kommt ausschließlich fast klagend wirkender Klargesang zum Tragen, wodurch ich mich teilweise ein wenig an TÝR erinnert fühlte.
Ebenso ruhig beginnt der Titelsong, dem sich langsam bedrohlich wirkende Töne hinzufügen, bevor der Gesang einsetzt. Und was Wunder! Die Klargesänge weichen zugunsten death/blackmetallischem Gegrolle, welches sich anschickt, der sich im Hintergrund abspielenden Soundwand zusätzliche Düsternis zu verleihen. Dazu passen die in Landessprache gehaltenen Lyrics, was mir sehr gut gefällt, denn ich mag den Klang skandinavischer Sprachen im Allgemeinen, den des Isländischen im Besonderen sehr. Die sich parallel entwickelnden Keyboardklänge haben keinerlei Weichzeichnereffekt und fügen sich in die insgesamt doch recht gloomy wirkenden Soundstrukturen ein.
Auch das nun folgende „Frelsari“ zeichnet sich durch hypnotische Düsternis aus, die selbst die höchstmelodische Soloarbeit kaum zu erhellen vermag. Island im November, in Musik gefasst. Dunkel, etwas melancholisch, aber eben auch kraftvoll und trotzig. Man sieht förmlich Ingólfur Arnasson am Bug seines Schiffes stehen und skeptisch auf die sich vor ihm ausbreitende Lavaküste seiner neuen Heimat blicken.
Das neuneinhalbminütige „Vitrun“ begibt sich dann noch weiter in die progressive Ecke. Durch das harte Riffing und den hauptsächlich harschen Gesang entwickelt sich eine ganz eigene Stimmung. Zwar einerseits kalt und melancholisch, andererseits macht die Mucke aber auch irgendwie hibbelig. Die Klargesänge scheinen wie ein Nebelteppich über der Musik zu schweben und bilden einen interessanten Kontrast zum rauen Gesang. „Messa“ ist dann wieder kürzer, härter aber keineswegs eingängiger. Auch die progressive Note kommt keineswegs zu kurz und wird durch viele äußerst ungewöhnliche Ideen eingestreut.
Das wohl ungewöhnlichste Sück auf „Múr“ dürfte wohl „Heimsslit“ sein. Das ‚Ende der Welt‘ wird durch sphärische Klänge eingeleitet, die vor dem geistigen Auge Heimdall erstehen lassen, der mit seinem Gjallarhorn Ragnarök ankündigt. Nach reichlich drei Minuten setzen dumpfe Bassklänge und kurz darauf auch doomiges Riffing ein. Später gesellt sich noch der Gesang hinzu. Diese sich über mehr als viereinhalb Minuten aufbauende Soundwand weicht dann wieder den sphärischen Klängen vom Anfang, welche nach wiederum einer reichlichen Minute das doomig/hymnische Finale des Songs erreichen.
Das abschließende „Holskefla“ beginnt ebenfalls recht ruhig, wandelt sich dann aber in eine recht heavy gespielte Walze. Gerade der harsche Gesang erinnert mich hier wieder an Bands wie EINHERJER oder HELHEIM, allerdings um einiges abgefahrener, vertrackter.
MÚR ist hier ein Album gelungen, welches sowohl hypnotisch melancholisch als auch hart und wuchtig daherkommt. Es ist kaum möglich, die Band in eine Schublade zu pressen, aber schwarz angemalter Progressiv Avantgarde Death/Doom wäre ein Vorschlag zur Güte. Das Album ist nix zum Abhotten und Feiern, eher um sich den Klängen hinzugeben und dabei dem Novembernebel beim Wabern zuzuschauen. Sehr atmosphärisch und dazu musikalisch auch noch top. Wer gern über den musikalischen Tellerrand schaut, sollte sich mal an „Múr“ heranwagen.
Anspieltipp: „Frelsari“ und „Holskefla“
Bewertung: 8,9 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Eldhaf
02. Múr
03. Frelsari
04. Vitrun
05. Messa
06. Heimsslit
07. Holskefla