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Maiks Metallische Mottenkiste Vol.2

Die Stromgitarren-Urschleimsuppe von und mit Herrn Godau: Heute: BARÓN ROJO



Wir hier bei Zephyr’s Odem stellen ja nicht nur neuere Platten vor, sondern schwelgen auch gern einmal in der Urschleimsuppe unserer geliebten Stromgitarrenmusik. Aus diesem Grunde haben wir unsere Classics- Rubrik und für die schwarze Zunft Patricks Pechschwarze Perlen. Und da Olaf in unseren Specials, die wir ab und an in unserer Audio-Show haben, gern mal wieder anmerkt, ich würde obskure Bands aus der Mottenkiste holen, die sonst keiner kennt, dachte ich mir, ich mache aus der Not eine Tugend und stelle mal ein paar Combos vor, die aus welchen Gründen auch immer im grossen Metalzirkus untergegangen sind.



1980 gründeten die Brüder Carlos und Armando De Castro die Band BARÓN ROJO, um auch im sonnigen Spanien die Symbiose aus Hard Rock und Heavy Metal zu zelebrieren, die gerade weltweit immer mehr Jünger in ihren Bann zog. Dabei zollten sie mit ihrer Namensgebung dem deutschen Flieger-As Manfred von Richthofen Tribut, dem Roten Baron. Dieser hatte seinen Spitznamen durch die feuerrote Lackierung seines Fokker F1-Dreideckers erworben. Und der Name des Piloten schien ein gutes Omen zu sein, ordentlich durchzustarten.

Schon 1981 erschien das erste Album der Band, „Larga Vida Al Rock And Roll“. Gesungen wurde in Spanisch, weshalb die Band zunächst nur in ihrem Heimatland auf sich aufmerksam machen konnte. Damals war es eben noch nicht so angesagt, wenn Rockbands außerhalb der englischsprachigen Hemisphäre in ihrer Muttersprache sangen, denn Englisch war dazumal eben die Sprache der härteren Stromgitarrenmusik. Man kann sich fragen, ob Bands wie die SCORPIONS oder ACCEPT international so viel gerissen hätten, wenn Klaus Meine und Udo Dirkschneider dazumal auf Deutsch gesungen hätten.

Musikalisch boten BARÓN ROJO eine Mischung aus Seventies Hard Rock und frühem Heavy Metal dar, orientierten sich dabei logischerweise an den Vorbildern der NWOBHM, von denen es damals noch gar nicht so viele gab. Es war 1981, Kollegen! Frühe IRON MAIDEN und DEMON kann man heraushören, obwohl gerade Letztere damals auch gerade erst mit „Night Of The Demon“ debütierten. Das Coverartwork war etwas schlicht. Ein Screenshopt des damals beliebten Videospiels ‚Space Invaders‘ in den ein Piktogramm eines alten Flugzeugs gebastelt wurde. Und nicht mal ein Dreidecker. Schämt Euch!

1982 begaben sich BARÓN ROJO nach London, um in den Kingsway Studios, die damals Ian Gillan gehörten, das zweite Album „Volumen Brutal“ aufzunehmen. Dabei entschied sich die Band, die Platte in zwei Versionen herauszubringen, Zum einen in der gewohnten spanischsprachigen Variante, zum zweiten in Englisch gesungen. Bei der Übersetzung der Texte soll dazumal ein gewisser Bruce Dickinson behilflich gewesen sein, der damals noch gar nicht bei IRON MAIDEN gesungen hat.

Gerade mit dieser englischsprachigen Platte machten BARÓN ROJO auch international Furore. Die Formation schaffte es sogar auf die Titelseite des englischen Magazins KERRANG! Von „Volumen Brutal“ wurden weltweit über zwei Millionen Platten verkauft, was für einen Newcomer aus Spanien äußerst beachtenswert war. Natürlich hatte das Album auch einen druckvolleren Sound als das Debut, da in England schon mehr Producer Erfahrungen damit hatten, wie man harte Rockmusik am effektivsten abmischt.

Obwohl dieser Erfolg ein deutliches Zeichen setzte, fühlten sich die Roten Barone in ihrer eigenen Muttersprache wohler und scheinbar auch textsicherer. Vielleicht wollten sie auch einfach ihre spanischen Fans nicht vor den Kopf stossen. Die Band ging zwar wieder nach London, um „Metalmorfosis“ aufzunehmen, doch diesmal wieder ausschliesslich in Spanisch gesungen. Das Songmaterial war genauso stark wie das vom Vorgänger und zählt neben „Volumen Brutal“ zu den besten Veröffentlichungen der Band.

Auch der Nachfolger „En Un Lugar De La Marcha“ (1985) folgte dem eingeschlagenen Weg, wobei die Songs „Breakthoven“ mit der kleinen Hommage an Ludwig van Beethoven und das abschliessende episch angehauchte „Hijos De Cain“ (yeah…“Sons Of Kain“. Schönen Gruss an PROTECTOR) besonders herausragten. Tourneen durch Europa und Lateinamerika schlossen sich an, und bei einigen der Shows eröffneten für die Iberer eine bis dato noch recht junge und nicht so bekannte Band namens METALLICA. Auch heute noch spielen METALLICA live gern mal Coverversionen von BARÓN ROJO, zum Beispiel „Los Rockeros Van Al Infierno“ („Rockers Go To Hell“) von „Volumen Brutal“.

Danach ergab sich ein kleiner Stilwechsel. BARÓN ROJO spielte immer noch heavy influenced Hard Rock, setzten jedoch vermehrt auf Radiotauglichkeit, was sich besonders in gefälligeren Gesangspartien zeigte. Das Album „Tierra De Nadie“ (= Niemandsland) kam 1987 heraus. In dieser Zeit verstärkten sich auch die Spannungen in der Band, es gab öfter Streitigkeiten, und in einigen Publikationen ist gar von ‚purem Hass‘ die Rede.

Scheinbar waren die Knaben trotz dieser Probleme wohl Profis genug, um in dieser Konstellation zwei weitere Alben aufzunehmen. Doch irgendwie scheinen die Albumtitel die Stimmung in der Band namentlich zu benennen. „¡No Va Mas!“ = ‚Nicht mehr!‘ und „Obstinato“ =‘Hartnäckig“ spiegeln meiner Meinung nach das bandinterne Klima recht gut wider.

Doch danach war endgültig Schluss mit lustig. Bassist und Sänger José Luis Cambuzano alias Sherpa und Drummer Hermes Calabria verließen die Band und die beiden De Castro- Brüder saßen nun mit ständig wechselndem Line Up da. Dennoch erschien 1992 das Album „Desafío“ (= Herausforderung). Ob diese Herausforderung die eigene an sich war, oder die Herausforderung gegenüber der Metal- Welt, sei dahingestellt. Jedenfalls fiel dieses Album wieder etwas härter aus und schien an die ersten vier Alben anzuschließen. Auf dem Album ist auch eine ziemlich coole Coverversion von AC/DCs „Girls Got Rhythm“

Dann wurden die Abstände zwischen den Alben wieder länger. Die Band veröffentlichte in ihrer Laufbahn eine Menge Compilationen und Live Alben, auf die ich nicht näher eingehen möchte, um den Rahmen dieses Essays nicht zu stark zu dehnen. 1997 erschien „Arma Secreta“, aber eine echte Geheimwaffe war es nicht.

Mittlerweile hatte sich die Band eher auf die Sparte Hard Rock versteift, was wohl auch daran lag, dass die europäische Konkurrenz wie JUDAS PRIEST und Co. geschwindigkeitsmäßig ordentlich aufgeholt hatte und zusammen mit den Düsenjets der erstarkten Speed-, Thrash und Death Metal – Acts dem alterschwachen Fokker F1 die Butter vom Brot zogen. In dieser Komfortzone erschien dann auch das erste Album in diesem Jahrtausend, „20+“. Der Titel soll ironischerweise auf ‚20 Jahre plus ein bisschen‘ anspielen.

2003 brachte die Band ein Album mit dem Namen „Perversiones“ heraus, auf dem ausschließlich Coverversionen vertreten waren, so unter anderem „Neon Knights“ von BLACK SABBATH, „Spanish Castle Magic“ von JIMI HENDRIX, „Assault Attack“ von MSG, „Pictures Of Home“ von DEEP PURPLE und „What’s Next To The Moon“ von AC/DC. Damit setzen die Spanier diesen Klassikern nicht einfach nur ein Denkmal, sondern zeigten auch ihre musikalischen Einflüsse auf.

2006 veröffentlichten die Iberer das Album „Ultimasmentes“. Auf dem Coverartwork setzt der alte Dreidecker noch mal zu einem Höhenflug an, und auch musikalisch lassen die Roten Barone keines ihrer Trademarks aus und bieten wieder eine stimmige Mischung aus Hard Rock und Heavy Metal. Auf diesem Album übernahm Armando De Castro den Gesang allein. Die Einflüsse sich deutlich hörbar, insbesonders der Song „Nada Que Hablar“ atmet eine starke AC/DC- Atmosphäre, während „Rock And Roll Gang“ an die DiAnno- Zeiten von IRON MAIDEN erinnert.

Scheinbar ist auch purer Hass nicht von ewiger Dauer und verraucht im Laufe der Zeit. Jedenfalls hat man den Eindruck bei BARÓN ROJO. Denn 2009 vereinten sich die tollkühnen Männer in ihrer fliegenden Kiste zu einem Live-Gig beim Metalway-Festival in Saragossa. In der Originalbesetzung mit den De Castros, Sherpa und Calabria.

Und da das scheinbar auch gut geklappt hat, schlossen BARÓN ROJO auch gleich noch eine Tournee an. Und wenn der alte Flieger wieder seine Runden dreht, singen die aus ihren Nestern verscheuchten Vögel das Lied eines neuen Studioalbums. Und sie sollten recht behalten.

Ein Dokumentarfilm wurde auch gedreht und erblickte im selben Jahr, nämlich 2012, das Licht der Welt wie das Album „Tommy Barón“. Dieses Doppelalbum ist eine Coverversion des Rock-Opern-Klassikers „Tommy“ von THE WHO, und zwar sind die Texte ins Spanische übertragen worden. Dies ist sicher besonders für die Landsleute von BARÓN ROJO, die des Englischen nicht mächtig sind, interessant.

Neue, eigene Songs haben BARÓN ROJO dann nicht mehr veröffentlicht. Vielleicht wollten sie eventuellen Unstimmigkeiten beim Songwriting aus dem Weg gehen, die vielleicht zu neuen Streitereien geführt hätten. Oder sie erkannten, dass sie nicht mehr wirklich etwas Frisches kreieren konnten und wollten die Welt nicht mit einem halbgaren Reunionalbum beschenken und sich somit selbst demontieren. Stattdessen verkündete die Gruppe im Jahre 2020, am 40. Jahrestag ihrer Gründung, ihre offizielle Auflösung. Die Abschiedstournee konnte wegen der Coronapandemie nicht wie geplant stattfinden und musste verschoben werden.

Das Abschlusskonzert fand im Dezember 2021 statt, bei dem auch namhafte Künstler wie Graham Bonnet und Jørn Lande auftraten und dem alten Fokker F1-Dreidecker ein würdiges Plätzchen im Technischen Museum verschafften.

Die Band hat immer an dem Trademark festgehalten, in ihrer Muttersprache zu singen, was einerseits für die Fans im eigenen Land von Vorteil war. Ihrer Karriere hätten englische Texte sicher mehr Vorschub gegeben, und vielleicht würden METALLICA heute immer noch im Vorprogramm von BARÓN ROJO spielen.

Doch das ist Schnee von gestern. BARÓN ROJO haben der Welt viele coole Songs geschenkt, die leider wohl zu wenigen bekannt sind, und keineswegs den Vergleich mit den großen Namen scheuen müssen. Ich hoffe, ich habe bei dem einen oder anderen Interesse an dieser großartigen Band geweckt.



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