TAROT – Glimpse Of The Dawn (2024)
(8.868) Jörn (9,0/10) Hard Rock
Label: Cruz Del Sur Music
VÖ: 12.04.2024
Stil: Hard Rock
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Manchmal muss man sich seinen Ängsten auch einfach stellen. Da dachte ich zunächst, bei TAROT und dem Album „Glimpse Of The Dawn“ handele es sich um den neuen Output der Band um Ex-NIGHTWISH-Ziegenbärtchen Marco Hietala, der spätestens seit ich über seine Vergewaltigung des PINK-FLOYD-Übersongs „High Hopes“ gestolpert bin auf meiner persönlichen schwarzen Liste der schlimmsten Musiker ziemlich weit oben rangiert. Umso erleichterter war ich, als sich herausstellte, dass hier eine ganz andere Kapelle auf dem Teller gelandet ist. Und hätte ich in diesem Fall den geplanten Bogen um dieses Review gemacht, wäre ein absolutes Highlight unbemerkt an mir vorbeigerauscht.
Diese TAROT kommen aus Australien und spielen klassischen Hard Rock ganz im Stile der 60er- und 70er-Jahre. Damit gewinnt man zwar schon lange keinen Originalitätspreis mehr, aber hier klingt es wirklich so, als wäre die Musik bereits in besagter Ära entstanden. Das Level an Authentizität, das die Jungs hier mit ihren Songs erreichen, ist wirklich erstaunlich und habe ich seit den frühen RIVAL SONS nicht mehr erlebt. Diese gingen anfangs vor allem in Richtung LED ZEPPELIN, wo hingehend TAROT auf ihrem nun zweiten Album eine größere Bandbreite an Bands zitieren. Aber der Reihe nach.
Los geht die Reise mit dem Titeltrack, der mit einer schön röhrenden Hammondorgel eingeleitet wird und im Verlauf eine Vielzahl an ganz großen Melodien präsentiert, die sich so schnell nicht wieder aus dem Gedächtnis verabschieden werden. Vom Vibe und dem Text her erinnert der Song an ganz frühe RAINBOW oder ELF. Ein wahnsinnig guter Einstieg. Dass sie auch etwas straighter rockend können, zeigt das folgende „The Winding Road“, welches einen noch tiefer in diese magische Zeitreise hineinzieht und passenderweise auch als Vorabsingle ausgewählt wurde.
Danach demonstriert „Leshy’s Warning“ mit seinen JETHRO-TULL-artigen folkigen Stellen auf der einen und den härteren, fast schon bedrohlichen Parts auf der anderen Seite, wie leicht es der Band gelingt, spannende Songstrukturen mit originellen Hooks zu großen Songs zu vereinen.
Nachdem „Echoes Through Time“ vom Riffing her in Richtung DEEP PURPLE geht, dabei einem wieder einmal einen fantastischen Refrain in die Ohren kippt, kommt mit „The Harrier“ ein kleines von akustischen Gitarren und ein paar Synthi-Leads geprägtes Instrumental. Das abschließende Dreigestirn bilden die Songs „The Vagabond’s Return“ (hätte URIAH HEEP zu deren magischer Hochphase auch sehr gut zu Gesicht gestanden), das an BLUE OYSTER CULT erinnernde „Dreamer In The Dark“ und zum krönenden Abschluss „Heavy Weights The Crown“. Letzterer schließt mit seinem Orgelintro noch einmal schön den Kreis zum Anfang der Platte, vereint gleichzeitig mit seinen sich ständig variierenden Rhythmen und den starken Melodien noch einmal alles, was einem die Truppe zuvor so alles an hochklassigen Momenten aufgetischt hat.
Wow, was ein Trip. Ein Album wie aus der Zeit gefallen. Wüsste man nicht, dass es sich hier um ein brandaktuelles Werk handelt, würde man sich verwundert die Augen reiben und sich fragen, wo sich dieses großartige Album nur die ganze Zeit versteckt hat, dass man erst jetzt darüber stolpert. So sehr atmet „Glimpse Of The Dawn“ die Magie der 60er und 70er. Bei all den genannten Bands, an die man sich während dieser gut 40-Minütigen Zeitreise erinnert, muss jedoch eines ganz klar herausgestellt werden. Nämlich die Tatsache, dass die Australier zu keinem Zeitpunkt wie eine bloße Kopie der Helden von damals wirken, sondern sich lediglich einzelnen Versatzstücken aus der gleichen Zeit bedienen und daraus ein eigenständiges und extrem starkes Werk schaffen. Zugegeben: Weder der Gesang noch das Gitarren- oder Orgelspiel sind so ikonisch wie bei den Vorbildern, besitzen jedoch genügend Format, um der Band zu ihrer eigenen Identität zu verhelfen.
Besonders hervorzuheben ist, mit was für einer Leichtigkeit TAROT den Balanceakt zwischen songwriterischer Raffinesse und sich im Gehörgang festsetzenden Melodien meistern. Das ist richtig stark. Leider sind sie mit „Glimpse Of The Dawn“ gleich zu mehreren Partys zu spät. Die 60er und 70er, in denen man mit dieser Musik es durchaus zu Weltruhm hätte bringen können, sind halt schon gut 50 Jahre vorbei. Und auch die Retrowelle ist schon wieder deutlich abgeflacht. Aber immerhin spült sie noch immer in schöner Regelmäßigkeit Perlen wie diese hervor.
Anspieltipps: „Glimpse Of The Dawn“ und „Echoes Though Time“
Bewertung: 9,0 von 10 Punkten
TRACKLIST:
01. Glimpse Of The Dawn
02. The Winding Road
03. Leshy’s Warning
04. Echos Through Time
05. The Harrier
06. The Vagabond’s Return
07. Dreamer in the Dark
08. Heavy Weighs the Crown