SUBWAY TO SALLY – Post Mortem (2024)
(9.253) Olaf (9,0/10) Folk Metal
Label: Napalm Records
VÖ: 20.12.2024
Stil: Folk Metal
Es gibt Tage, da frage ich mich, ob mit mir alles in Ordnung ist. Subway to Sally, eine Band, die ich jahrelang nur beiläufig wahrgenommen habe, trifft mit ihrem neuen Album Post Mortem genau ins Schwarze. Wie konnte das passieren? Vielleicht liegt es an der megafetten Produktion oder daran, dass ich von der vermeintlich letzten Platte Himmelfahrt aus dem Jahr 2023 emotional doch mehr mitgenommen war, als ich es mir eingestehen wollte. Wäre die Band damals in den musikalischen Ruhestand gegangen, ich hätte es verstanden. Aber nun bin ich insgeheim froh, dass sie weitermachen. Aber was kommt als nächstes? Ein Album von Postmortem mit dem Titel "Subway to Sally"? Time will tell...
Die Potsdamer Folk-Metal-Legenden haben seit ihrer Gründung 1992 eine beeindruckende Karriere hingelegt. Was als mittelalterliche Akustiknummer begann, entwickelte sich über Alben wie Bannkreis (1997) und Herzblut (2001) zu einem wuchtigen Metal-Gewitter, das trotzdem immer Raum für Melodien und feinsinnige Texte bot. Das überragende Nord Nord Ost (2005), die ich tatsächlich bis heute noch gerne höre (schlagt mich!) gilt als Meilenstein, während jüngere Werke wie Mitgift (2014) und Himmelfahrt die Band als nachdenklicher, aber keineswegs weniger kraftvoll präsentierten. Nun also Post Mortem, das 15. Studioalbum – und eines, das zeigt, dass totgesagte Bands manchmal am lebendigsten sind.
Das Album startet mit "Phönix", einem kraftvollen Opener, der seinen Namen zu Recht trägt. Subway to Sally erheben sich nicht nur aus der Asche ihres selbst auferlegten Endes, sondern tun dies mit einer Kreativität und Energie, die für eine Band mit über 30-jähriger Karriere erstaunlich ist. Die Texte sind gewohnt vielschichtig und laden zu Interpretationen ein. So etwa bei „Wunder": Ist hier die Rede von politischen Heilsbringern, den Verführungen populistischer Rattenfänger oder doch von der eigenen Branche, die mit Träumen handelt? Die Vieldeutigkeit bleibt das Markenzeichen der Band.
Musikalisch bietet Post Mortem die gewohnte Mischung aus harten Riffs, melodiösen Geigen und Eric Fishs unverkennbarer Stimme, doch die Platte klingt moderner als frühere Werke. Songs wie "Nero" oder "Lumpensammler" treffen den Nerv der Zeit mit messerscharfer Gesellschaftskritik. „Die Erde bebt“ ist ein Epos, das sich mit der Erschütterung unserer Welt auseinandersetzt – sei es durch Naturkatastrophen oder gesellschaftliche Umbrüche.
Doch es gibt auch Momente des Eskapismus. Der hymnische Titeltrack "Post Mortem" und das poetische "Herz in der Rinde" laden dazu ein, der Schwere des Alltags zu entfliehen. "Unter dem Banner" animiert zum Mitsingen und erinnert daran, dass Subway to Sally nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Feiern da sind.
Besonders faszinierend ist "Atlas", das sich mit griechischer Mythologie beschäftigt und melancholische Töne anschlägt. Die Zusammenarbeit mit den Warkings bei "Stahl auf Stahl" bringt eine spannende Dynamik ins Spiel – Power Metal trifft auf Folk Metal, und der englische Refrain ist eine Hommage an die frühen Tage der Band.
Mit "Kummerkind" wagt sich die Band an ein emotionales Thema: mentale Gesundheit. Hier beweisen Subway to Sally ihre Fähigkeit, nicht nur den Geist der Zeit einzufangen, sondern auch ihre Musik als Spiegel der menschlichen Erfahrung zu nutzen. Die Balance zwischen Nachdenklichkeit und Hoffnung ist beeindruckend.
Subway to Sally haben mit Post Mortem bewiesen, dass sie nicht nur zurück sind, sondern lebendiger als je zuvor klingen. Der musikalische Abwechslungsreichtum und die thematische Vielfalt machen das Album zu einem der besten ihrer Karriere. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich auf ihre Stärken besonnen haben, ohne dabei auf der Stelle zu treten. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich langsam akzeptiere, dass ich diese Band gut finde. Ob ich mich darüber freuen oder Sorgen machen sollte, sei dahingestellt. Die Antwort von Euch kenne ich.
Bewertung: 9,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Introitus
02. Phönix
03. Post Mortem
04. Wunder
05. Nero
06. Unter dem Banner
07. Herz in der Rinde
08. Lumpensammler
09. Stahl auf Stahl
10. Atlas
11. Kummerkind
12. Eisheilige Nacht
13. Die Erde bebt