Männer weinen nicht? Oh doch!
Abgesehen davon, dass ich wenige Tage zuvor noch 2 Konzerttickets in einer Blitzverlosung für Alter Bridge zu deren Tour-Gig in der Porsche Arena in Stuttgart gewonnen hatte, erfüllte sich neben mir selbst vor allem aber für meine 19-jährige Tochter Katharina ein langersehnter Wunsch. Jahre lang schon wollte sie Alter Bridge Live sehen, nur waren die Gigs in Europa eher dünn gesät, meist auf großen Festivals und zudem war sie seinerzeit einfach noch zu jung, so dass Vater, also ich, sein Töchterlein ohne große Sorgen hätte ziehen lassen können.
Gut Ding will Weile haben, so kam sie dann doch noch zu ihrem Alter Bridge Konzert, ganz exklusiv per Freikarte und alleine mit dem Papa. Nun war sie Glücklich, rundum. Ach ja, und ich übrigens auch… (Grins)
As Lions gaben den Support-Act. Zu erwähnen sei, dass hier mit Austin Dickinson an den Vocals kein geringerer als der Sohn des Iron Maiden Frontman Bruce Dickinson am Micro stand. Ob dies zuletzt der Grund war, den Slot vor Alter Bridge zu bekommen, bleibt wohl eine auf ewig unbeantwortete Frage. Nichts desto trotz gaben die Jungs von As Lions mit solidem Alternative Metal alles, um ein gut bestelltes Feld für Alter Bridge zu bereiten. Eigentlich verwunderlich, war die Porsche Arena in Stuttgart an diesem Abend nicht ausverkauft. Dies wirkte sich letztlich allerdings nur positiv für die Besucher aus, denn so kam jeder ohne großes Gedränge in den vollen Genuss von Alter Bridge.
Mit „The Writing On The Wall“ vom aktuellen Album wurden meine durchaus hohen Erwartungen von der ersten Minute an erfüllt. War ich doch gespannt wie ein Bogen, ob Alter Bridge die PS auch Live auf die Straße bringen würden? Und ja, dass taten Alter Bridge. Beeindruckt von der Professionalität der Protagonisten und der scheinbaren Leichtigkeit dieser Performance war ich gespannt, mit welchen Songs Alter Bridge diesen Abend wohl ausgestalten würden. Ein starker Start! Die Song-Palette von Alter Bridge über die insgesamt 5 Studioalben hinweg war ja reichhaltig und bot ein um den anderen Klassiker auf. Wer die Wahl hat, hat die Qual.
Die Stimmung war bereits mit den ersten Tönen des Openers berauschend, die Menge war sofort da und so donnerte Alter Bridge mit „Come To Life“ den nächsten Burner von der Bühne. Das Publikum war wie im Rausch, hatte gerade wieder Luft geholt und stimmte sogleich in die gewaltige Range von Myles Kennedy mit ein. Es gibt Bands, die fahren jede Menge an Requisiten auf der Bühne auf, Alter Bridge verzichten auf diesen Schnick Schnack und überzeugen alleine durch ihre Musik. Hervorheben muss ich an dieser Stelle, dass wir es hier beileibe nicht mit einem Ableger von Creed zu tun hatten, Alter Bridge begründen ihren ganz eigenen Sound und dies schon seit Jahren erfolgreich.
„Before Tomorrow Comes“ mag zwar ein wenig ruhiger anmuten, lässt einem dennoch keine wirkliche Chance mal Inne zu halten und das soeben erlebte nach zu empfinden. Aus allen Himmelsrichtungen hörte ich begeisterte Mitsänger/innen, samt meiner selbst.
Wer auch immer an diesem Abend die Verantwortung für das Mischpult hatte, durfte sich auch während „Addicted To Pain“ in seinem Element sicher wohl gefühlt haben. Er machte seinen Job über den ganzen Gig hinweg brillant. Bei mir zumindest zeigte die Ganzkörperbehaarung steil nach oben und Gänsehaut machte sich bemerkbar. Man kann dieses Gesamtkunstwerk, und als solches muss man es bezeichnen, einfach nur mit jeder Pore aufsaugen. Und folgendes passiert mir wirklich nicht oft, mein Augenwasser begann zu steigen. Noch konnte ich mich und meine überschwängliche Freude kontrollieren, bin ja kein Weichei, oder vielleicht doch?
Hä? Bin ich paranoid? Haben die Jungs da oben etwas von meiner Vulnerabilität gemerkt? Mit „Ghost Of Days Gone By“ war es dann unumgänglich um mich geschehen, Schluss und Aus mit der Kontrolle. Ganzkörpergänsehaut, Ekstase und dann kullerte sie doch, eine Träne über meine Wange. Zum Glück war es Dunkel. Ich vermag nicht zu beschreiben, was dieser Song in mir auslöst, vor allem inmitten dieser Menge, in dieser grandiosen und von Genialität angereicherten Atmosphäre. Und keine Tempos dabei…, egal.
Geflasht ob dieser Band hoffte ich, dieser Abend möge nie zu Ende gehen. Jeder Schuss ein Volltreffer. Ich weiß nicht wie es euch bei Alter Bridge geht, aber das ist auch verdammt harte Musik. Die Gitarren-Vibes donnern Live so ungemein, sodass es aus meiner Sicht vollkommen unerheblich ist, ob Mark Tremonti oder Myles Kennedy sich an ihrem Arbeitsgerät verwirklichen. Und dann noch dieser mit jedem Ton hervorragend inszeniert groovende Bass von Brian Marshall, der das stets reinigende Gewitter zusammen mit dem einem geölten Uhrwerk gleichenden Schlagzeug von Drummer Scott Phillips über die Fangemeinde herabrieseln lässt.
Das Konzert schritt mit unvermindert hoher Qualität voran und Alter Bridge verstanden es perfekt die Menge mit jedem weiteren Song mitzureißen. Mit „Waters Rising“ zeigte Mark Tremonti, dass auch er ein begnadetes Talent als Sänger aufzuweisen hatte. Songs wie “Watch Over You“ oder „In Loving Memory“ berührten ein ums andere Mal meine Seele und wieder musste ich mit mir kämpfen, leider oder vielleicht auch zum Glück habe ich diesen Kampf abermals, ganz im Stillen für mich verloren. Weinen soll ja bekanntlich auch die Augen reinigen, das war letztlich nur einer der vielen zusätzlichen positiven Effekte. Tempos hatte ich aber immer noch keine…, Tochter übrigens auch nicht. By the Way, ihre Dämme waren ob ihrer Emotionen schon lange gebrochen. Ich durfte so schön mit ihr mitfühlen.
Oh Mann, „Blackbird“, welch ein epischer Song. Was ein Arrangement, das ist absolute musikalische und technische Raffinesse in höchster Perfektion und Reinkultur. „Isolation“, „Show Me A Leader“, alles geniale Songs. So neigte sich mein bisheriges Jahreshighlight langsam dem Ende zu. Als Zugabe beschenkten uns Alter Bridge dann noch mit „Open Your Eyes“ und „Rise Today“. Die kleineren Gitarrenduelle zwischen Myles Kennedy und Mark Tremonti lockerten den Auftritt zusätzlich etwas auf, so richtig notwendig waren diese dann aber nicht, denn der Gig alleine war schon überzeugend genug.
Setlist:
01 - The Writing On The Wall (Album: The Last Hero)
02 - Come To Life (Album: Blackbird)
03 - Before Tomorrow Comes (Album: Blackbird)
04 - Addicted To Pain (Album: Fortress)
05 - Ghost Of Days Gone By (Album: AB III)
06 - Ties That Bind (Album: Blackbird)
07 - The Last Hero (Album: The Last Hero)
08 - Broken Wings (Album: One Day Remains)
09 - Waters Rising (Album: Fortress - Mark Tremonti on Lead Vocals)
10 - Watch Over You (Album: Blackbird)
11 - In Loving Memory (Album: One Day Remains)
12 - Metalingus (Album: One Day Remains)
13 - Blackbird (Album: Blackbird)
14 - Cry of Achilles (Album: Fortress)
15 - Isolation (Album: AB III)
16 - Show Me A Leader (Album: The Last Hero)
Zugaben:
17 - Open Your Eyes (Album: One Day Remains)
18 - Rise Today (Album: Blackbird)
Gesamtfazit:
Es ist mir beinahe schon peinlich es zu sagen, aber ich habe Alter Bridge zu meiner Schande an diesem Abend zum ersten, sicher aber nicht das letzte Mal Live erlebt. Diese Band gehört für mich definitiv in die Top-Ten unserer so heiß und innig geliebten Musik. Und wer Alter Bridge noch nicht Live gesehen hat, dem lege ich es unbedingt ans Herz, dies bei nächster Gelegenheit nachzuholen. Zur Sicherheit mit Tempos. Ein grandioser Abend mit einer grandiosen Band. Ein herzliches Dankeschön an Alter Bridge für dieses Erlebnis und dem lieben Gott, der mich die 2 Tickets gewinnen ließ. Und natürlich auch ein fettes Dankeschön ans Töchterlein!