30.10.2014 - ANATHEMA| MOTHER'S CAKE
30.10.2014 - Berlin @ Postbahnhof
Auch für einen Metaler ist es doch schön, wenn es auch mal die ruhigen gediegenen Abende gibt und wenn die britischen Melancholiker von Anathema in der Stadt sind, dann ist das in der Regel ein Garant für ebensolche. Musikalisch hatte ich an ihren Gigs noch nie etwas auszusetzen und die Setlist war oft eine Wundertüte, was ja auch mal angenehm ist. Mit einem Bisschen Glück gibt’s also auch ein paar alte Songs und das Metallerherz geht nicht leer aus.
In neugieriger Erwartung ging es also am 30.10. in den Berliner Postbahnhof, der beim Ankommen schon recht gut gefüllt war. Im hinteren Drittel postiert, gab es mit Mother’s Cake erst einmal eine völlige Unbekannte. Die Jungs aus Tirol scheinen in ihrer Szene jedoch schon gut rumgekommen zu sein und auf ihrem Weg nach oben haben sie auch ein paar Preise abgeräumt. Die Mucke steht in starkem Kontrast zu Anathema, was sie für mich als Vorband interessanter macht, jedoch bei der Hälfte der Anwesenden als eher unpassend anzukommen scheint. Verorten kann man die Drei irgendwo zwischen Funk und Rock, wobei die Rockkomponente schon ziemlich stark vertreten ist. Ab und an gibt’s auch paar psychedelische Keyboardeinlagen, die von Sänger und Gitarrist Yves Krismer eingestreut werden. Man könnte sie als Mischung von The Mars Volta und Jamiroquai bezeichnen, die sich zu viel Hendrix und Zeppelin reingezogen haben, auch Primus kommt mir in den Sinn.
Ihre Grooves gehen definitiv gut ab, mein Fuß beginnt sofort zu wippen aber als Ganzes packen mich die Songs noch nicht, dazu fehlt es hier und da an Raffinessen. Das mag eventuell auch am Gesang liegen, der ziemlich spitz und stechend daherkommt und mich an manchen Stellen etwas langweilt, aber mir vor allem darüber den Kopf zerbricht woher ich ihn zu kennen scheine. Eines muss man den Jungspunden aber lassen, sie nutzen die Bühne in vollem Umfang aus und gehen ab wie Sau, ohne dabei an Tightness zu verlieren, was sie nicht nur sympathisch macht sondern auch musikalisch qualifiziert. Nach einer guten Dreiviertelstunde beenden Mother’s Cake dann mit ihrem stärksten Song „Runaway“ (kein Bon Jovi Cover) ihr Set, ein 10-Minüter bei dem mich vor allem der geil slappende Bass begeistert. Alles in allem also eine gelungene Vorstellung.
Setlist
Creation’s Finest
AC Rage
Night and Day
I Like it
Soul Prison
Runaway
Zu Anathema pirsche ich mich dann natürlich weiter nach vorne und stehe auch ganz gut als nach einer halben Stunde Umbaupause inklusive Staubsaugereinlage, man will ja einen sauberen Bühnenteppich haben, die Show beginnt. Bereits vorher war durch enge Fans durchgesickert, dass es heute nur das „Safety Set“ zu bestaunen gibt, da die Band etwas kränkelt und etwas verstimmt ist, also 30 Minuten weniger Musik. Schade eigentlich! Denn, soviel kann ich vorwegnehmen, es wurde vor allem an älterem Zeug gespart und die Klassikersektion fiel dementsprechend knapp aus.
Mit dem starkem Einstiegsgroove von „The Lost Song 1“ begann dann das Emotionskino, und das stark gemischte Publikum von Nerd über Stino bis Deathmetaler war schon zur ersten Zeile da, um Vincent gesanglich zu unterstützen. Die Atmosphäre war Anathema typisch künstlerisch und intensiv, die Bühne fast immer in einfarbiges Licht getaucht und auf große Leinwände mit Einspielern wurde verzichtet. Die Musik stand hier eindeutig im Vordergrund und das Set bestand fast ausgiebig aus Songs der letzten 5 Jahre, wobei der stärkste Anteil auf dem aktuellen Album „Distant Satelites“ lag. Wer berechtigt Angst hatte, dass der Abend bei dieser Auswahl sehr ruhig werden kann, wurde allerdings eines besseren belehrt. Der Einfluss von Drummer Daniel Cardoso scheint der Band gutzutun, denn seine Grooves treiben die Band live gut voran und auch die Gitarren sind um einiges präsenter als in der Studioversion. Auch der zweite Drummer unterstützt diese rockige Gangart. Auf der anderen Seite sorgt Sängerin Lee Douglas als neueres Bandmitglied für die großen emotionalen Momente, da sie ihre Stimme sehr gekonnt einsetzt und die Noten und Wörter nicht nur gesungen, sondern mit Leben erfüllt werden.
Dennoch ist der Sound weit davon entfernt perfekt zu sein, was vor allem am Mix von Danny liegt, dessen Gesang und Gitarrenarbeit oft kaum vernehmbar ist, was vor allem bei den Solopassagen ärgerlich ist. Diese kleinen Makel können die Atmosphäre jedoch nicht schmählern, und als zum Abschluss der regulären Sets mit „Closer“ die neueren Elektroeinflüsse in Form eines Hits präsentiert werden, ist die Halle am Toben.
Beendet wird der Abend bei Anathema fast traditionell mit „Fragile Dreams“ und das war auch heute so. Die Band bedankte sich bei ihrem sehr gemischten Publikum und vor allem bei denen, die sie seit Jahren durch ihre ständigen Stilwechsel begleitet haben. Stellvertretend dafür stand wohl ein Pole, der die Band bereits 46 gesehen hat, das erste Mal zu Debutzeiten in den Neunzigern. Da kann man nur sagen: Hut ab!
Verdient haben sie es auf jeden Fall, da sie in jeder Phase ihres Schaffens großartige Musik produziert haben und live immer Verlass auf sie ist, auch wenn ich gerne noch ein paar ältere Sachen gehört hätte, die für mich noch einen Tick lebendiger sind.
Setlist
The Lost Song Part 1
The Lost Song Part 2
Untouchable Part 1
Untouchable part 2
Thin Air
Ariel
The Lost Song Part 3
Anathema
The Beginning and the End
Universal
Closer
Firelight
Distant Satellites
A Natural Disaster
Fragile Dreams