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Live on Stage Report: European Fall Tour 2023
BATUSHKA | KANONENFIEBER | UBUREN | HOULE
13.11.2023 - Hamburg @ Logo
Spätestens seit dem diesjährigen Party.San hat mich das Kanonenfieber voll erwischt. Zwar mochte ich das Debüt schon zuvor, doch nach der Live Darbietung beim besagten Open Air lässt mich diese Band nicht mehr los. Und so war die Truppe um Oberbefehlshaber Noise wohl nicht nur mein Headliner. Doch fangen wir, wie es so schön heißt, am Anfang an…
Und somit landen wir bei meinen zweiten Highlight des Abends: Houle aus Paris zögern nicht lange und starten sogleich mit viel Wind im Segel. Energiegeladen geht die Fahrt voran und vor allem Frontröhre Adsagsona treibt die Menge wie eine wahnsinnige Seeschlange an. Was die ganzen
maritimen Floskeln sollen? Nun, die Franzosen haben sich dem Meer verschrieben, doch nicht wie man es von diversen Lovecraft-schen Bands und ihren Erzählungen von den großen Alten kennt, sondern besinnt man sich auf die Fahrt zur See mit all ihren Gefahren und Tücken und düstren Geschichten. Und auch wenn ich die Texte nur mit Hilfe des Google Übersetzers einigermaßen verstehen kann, so kommt das Feeling, das das Quintett übertragen will, auch super rüber – kein Wunder, denn in typisch gestreiften Shirts und Friesennerzen gekleidet und mit dem ein oder anderen Seegras behaftet wird die perfekte Optik geschaffen. Und wenn das alles noch nicht reicht, greift die agile, aber auch etwas irre wirkende Frontfrau zu Laterne oder auch Wurfharpune und wirft sich noch einmal extra in die Riemen.
Das alles soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Band natürlich auch musikalisch eine Menge drauf hat. Während die Drums immer wieder die Hörer nach vorn treiben, glänzen die Gitarren durch messerscharfe Riffs genauso wie durch eindringliche, fesselnde Melodien und auch der Bass verzückt durch herrliche Zwischenspiele. Über allem aber thront der Gesang von Adsagsona, die mit einer anständigen Auswahl an Gesangsstilen punkten kann. Dieser Bande von Seeleuten werde ich definitiv weiter folgen…
Nach diesem kurzen, aber eindrucksvollen Auftakt geht es kurz raus zum Luftschnappen und Erfrischen an einem kleinen Dosengetränk und direkt wieder rein ins ausverkaufte Logo, als die ersten Klänge der nun folgenden Uburen zu vernehmen sind. Die Norweger sind guter Dinge und starten kraftvoll in ihr Set. Die Stimmung wird immer wieder von den Gebrüdern Kjetilson angeheizt. Die Menge antwortet freudig und zu jedem ‚Prost‘ von der Bühne werden die Flaschen empor gereckt. Ihre recht klassische Auslegung des skandinavischen Black Metals weiß zu unterhalten, reißt mich persönlich aber nicht so mit, wie der vorangegangene Auftritt von Houle.
Vielleicht beruht die gemäßigte Euphorie auch einfach auf der Tatsache, dass ich sehnsüchtig auf Kanonenfieber warte, die nun endlich an der Reihe sind. Wie eingangs erwähnt, sind die Bayern augenscheinlich nicht nur für meine Freunde und mich der Hauptgrund, heute nach Hamburg gefahren zu sein. Das Merch im Publikum ist wirklich auffällig stark vom Logo der Band geprägt. Als dann die ersten Töne von „Die Feuertaufe“ durch den Saal hallen, bestätigt der eintretende Jubel meinen Eindruck einmal mehr. Der einläutende Trommelwirbel zündet die Lunte an und die Menge explodiert. Im Nu sind alle auf Betriebstemperatur und singen die Hymne lautstark mit. Die „Dicke Bertha“ und „Die Schlacht bei Tannenberg“ befeuern die Stimmung weiterhin grandios und als dann noch „Der Füsilier“ einmarschiert, gibt es kein Halten mehr. Dieser Song ist einfach eine Wucht, die niemanden kalt lässt. Während sich daraufhin Heerführer Noise und ein paar seiner Mannen auf das nächste Szenario vorbereiten, füllen zwei zurückgelassene „Soldaten“ die Pause mit dem Akustikstück „Verscharrt und Ungerühmt“, welches das Publikum abermals aus vollen Kehlen begleitet.
Die nun eintretende Szenerie führt uns hinaus auf See: Wie angekündigt vertonen Kanonenfieber auf dieser Tour ihre bald erscheinende EP „U-Bootsmann“ in voller Länge. Passend zur Thematik sind die Musiker nun in entsprechender Marine-Uniformierung gehüllt und sogleich zieht die Besatzung in „Kampf und Sturm“ los. Dieser Song ist den Fans bereits gut bekannt, wie man unschwer vernehmen kann, „Die Havarie“ dagegen ist komplett neu für die Ohren eines jeden – und ergreift uns trotzdem sofort. Noise besitzt einfach ein unglaublich starkes Händchen dafür, Musik und Text so zu arrangieren, dass der Hörer schon bei der ersten Begegnung mit seinem Material in die Geschichte dahinter eintauchen kann. Und so stellen sich bei mir im Handumdrehen sämtliche Haare auf, während mein Freund Tobi sogar feuchte Augen bekommt. Den finalen Schlag führt dann, wie man es von der Truppe kennt, „The Yankee Division March“ aus – zwar ohne Flammenwerfer, was in dem kleinen Club auch ziemlich wahnsinnig wäre, dafür aber standesgemäß mit Totenkopfmaske. Zur absoluten Zufriedenheit fehlen nur die „Grabenlieder“. Denn auch wenn Quellen im Internet was anderes behaupten, ist der Track heute nicht dabei. Dennoch: Was ein großartiger Auftritt, was eine Show!
Da fragen wir uns: Werden Batushka das toppen können? Zumindest mein Freundeskreis und ich sind uns einig und sagen: Nein. Ohne Frage ist der Auftritt der Polen auf musikalisch sehr hohem Niveau und optisch wird die dunkle Messe genial dargestellt, doch nach dem Inferno zuvor, lässt sich der Schalter wirklich nur schwer umlegen. Eben noch Action zum Mitmachen, nun in ein mir eigentlich nicht unbekanntes Gefilde des stillen Genießens – dieser Spagat ist in der Tat nicht so leicht zu meistern. Dennoch will ich nicht alles am direkten Vergleich der beiden Bands ausmachen. Schließlich sind Krzysztof Drabikowski und seine Mitstreiter Meister ihres Fachs und bieten, wie bereits angedeutet, Unterhaltung auf einem extrem hohen Level. Dazu performen sie das komplette Album „Panihida / Панихида“ und außerdem ausgewählte Songs (Track 1, 3, 5 und 7) vom Quasi-Debüt „Litourgiya / Литоургиiа“. Bei so einem umfangreichen Set wird jeder, der es mit der Musik von Herrn Drabikowski hält, wohl auf seine Kosten kommen und rundum zufrieden sein.
Unterm Strich erlebe ich an diesem Abend also vier Bands, die das abliefern, was ich erwartet habe: Während Uburen einen grundsoliden Auftritt bieten und Batushka ihre gelungene Messe zelebrieren, punkten bei mir vor allem die Newcomer Houle mit ihrer energiegeladenen Show. Ja und was soll ich zu Kanonenfieber noch sagen, was der Text hier nicht bereits zum Ausdruck gebracht hat? Diese Band beweist mir erneut, warum ich sie seit Wochen nicht mehr aus den Ohren und aus meiner Playlist bekomme. Bei der Truppe um Bandleader Noise stimmt einfach alles. Selten habe ich so derartig gut ausgearbeitete Konzepte erlebt – ob Musik, Text, Outfits, Bühnenbild, Präsenz oder Interaktion mit dem Publikum, die Shows der Bayern reißen vom ersten bis zum letzten Ton mit. Und auch wenn die (alles andere als glorifizierenden) Geschichten über den I. Weltkrieg, die hier erzählt werden, selten gut ausgehen, diese Schlacht haben Kanonenfieber definitiv gewonnen.