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Live on Stage Report: Distortion Tour 2023
14.03.2023 - Berlin @ Huxleys IGORR | AMENRA | DER WEG EINER FREIHEIT | HANGMANS CHAIR
DISTORTION TOUR 2023
14.03.2023 - Berlin @ Huxleys
IGORR | AMENRA | DER WEG EINER FREIHEIT | HANGMANS CHAIR
Lange habe ich diesem Abend entgegengefiebert. Die Distortion Tour stand vor den Toren Berlins, besser gesagt vor der Huxleys neuen Welt in der Hasenheide in Berlin-Kreuzberg. Vier hochkarätige Bands wurden von Kingstar by Arrangement, Doomstar Booking in Verbindung mit The Link Productions auf ausgewählte Orte Deutschlands geladen und sorgten für ein explosives Gemisch.
Die französischen Doomer von HANGMANS CHAIR eröffneten den Abend vor einem doch noch recht überschaubaren Publikum. Schleppende, melancholische Parts dröhnen durch die langsam voller werdende Halle, untermalt vom gefühlvollen Cleangesang von Sänger Cèdric Toufouti. Allerdings ist die Band der beste Beweis dafür, dass man sich von einer Zuweisung in eine bestimmte Genre-Sparte nicht fehlleiten lassen sollte. Denn ganz so doomig sind die Jungs aus Crosne nicht.
Die verspielten Elemente aus atmosphärischem Post-Rock münden teilweise in Grunge bevor sie sich wieder in gängigen Doomparts finden und eine solide Grundstimmung verbreiten. Jedoch brauchen die einzelnen Songs ein wenig, um so richtig zu zünden. Das wirkt vielleicht auf der Platte angenehmer und vermittelt die Atmosphäre besser, aber live war es eher wie ein langes Warten auf den Höhepunkt des einzelnen Songs. Der vorletzte Track „Sleep Juice“ lässt mich dann aber doch aufhorchen und trifft vollends meinen Nerv. Der Songaufbau ist nahezu perfekt. Ruhig und sanft segelt der Song in die Gehörgänge und wird dramatisch im Wellentakt immer höher gepeitscht. Bedauerlich, dass diese Momente Mangelware waren, aber dennoch keinesfalls ein schlechter Einstieg in den noch jungen Abend.
Einer von zwei Gründen, warum ich so Bock auf diese Tour hatte, betrat nach der kurzen Umbauphase die Bühne. DER WEG EINER FREIHEIT enterten die Bretter über unseren Köpfen. Die Würzburger sind für mich ein Garant für besondere Liveauftritte. Es ist bereits mein elftes Mal, dass ich es zulasse, mir feinsten atmosphärischen Black Metal von DER WEG EINERFREIHEIT auf und in die Lauscher dreschen zu lassen. „Morgen“ schallt als Opener durch das Huxleys und in den ersten Reihen werden zurecht die ersten Haargummis entfernt.
Am Herzstück des Auftritts angelangt wird mein derzeitiger Lieblingstrack der Truppe angestimmt. „Am Rande der Dunkelheit“ von der aktuellen Scheibe „Noktvrn“ beinhaltet in
meinen Augen alles, was DER WEG EINER FREIHEIT ausmacht. Melancholische Raserei gepaart mit dem nötigen Feingefühl zum schwelgen und Träumen. Die Lichttechniker sollten gerade bei diesem Gig besonders erwähnt werden, denn diese sorgten dafür, dass Auge und Ohr gleichermaßen positiv bedient wurden. Besonders beim letzten Song „Aufbruch“ -der aus Zeitgründen leider ohne Intro auskommen musste- wurde die Stimmung perfekt belichtet.
Auch dieses Mal wurde ich in keineswegs enttäuscht, wobei ich betonen muss, dass die 40 Minuten Spielzeit nicht ausreichen um das volle Potential aus dieser genialen Band zu schöpfen.
Erneut eine relativ kurze Umbauphase. Warum ich das bereits zum zweiten Mal erwähne erfahrt ihr später. Jetzt geht es erstmal um den zweiten Grund von zwei für mein Erscheinen. Bereits seit 7 Jahren lausche ich immer mal wieder den Klängen der Belgier, aber leider habe ich sie noch nie Live erwischt. AMENRA aus Kortrijk beginnen ihre wirklich eindrucksvolle Show mit „Razoreater“. Bereits bei den ersten gespielten Noten wurde mir bewusst, dass den Zuschauern hier etwas ganz Besonderes geboten wird. Denn nicht nur aus akustischer Sicht zogen mich AMENRA sofort in ihren Bann, das gesamte Bühnenbild war überwältigend.
Hinter der Band wurde die riesige Bühne als Leinwand umfunktioniert, immer wieder erscheinen fast schon depressiv anmutende, kurze Szenen in Schwarz-Weiß die sich grandios zur dargebotenen Musik einfügten. Sänger Colin H. van Eeckhout und seine Bandkollegen erschaffen auf fantastische Weise eine moderne Reise durch die Vergangenheit und zurück ins Hier und Jetzt. AMENRA verknüpfen stilistisch die Post-Metal Könige ISIS und NEUROSIS, setzen aber dennoch ihren eigenen, modernen Stempel drauf. Als dann auch noch „A Soiltary Reign“ gespielt wurde, war ich völlig hin und weg. Mein absoluter Lieblingstrack live und fast in Farbe. Die dichte Atmosphäre, die tiefe Melancholie fraßen sich durch Mark und Bein und noch immer zehre ich von diesem Gefühl. Leider fand mit „Diaken“ der Auftritt ein viel zu frühes Ende. Das kann in naher Zukunft vorerst keine Band toppen, da bin ich mir sehr sicher. Ich hoffe sehr, die Belgier gehen demnächst auf eine eigene Headlinertour, was ich mir definitiv nicht entgehen lassen werde.
IGORR. Der Headliner der Distortiontour. Ehrlich gesagt, kannte ich die Band bis dato nur vom Namen her. Meine Recherchen ergaben, dass es ein französisches Projekt des Musikers Gautier Serre ist und einiges an Genres zu bieten hat. Man nehme einen großen Kessel und füge Barockmusik, ein wenig Klassik, drei Messerspitzen Black- und Death Metal hinzu und verfeinert es mit ein bisschen Volksmusik. Klingt chaotisch aber so etwas gab es ja in Form der Band HAGGARD schon einmal, die ich zumindest mit zarten 15 Jahren für zwei Wochen gehört habe. Von Scheibe konnten mich IGORR leider nicht ganz so überzeugen, aber ich bin Typ, der dem ganzen auch die Chance gibt mich live zu überzeugen und umzustimmen.
Fangen wir mit der bereits erwähnten Umbauphase an. Es müssten um die 40 Minuten gewesen sein, wenn ich mich nicht irre. Klar, so ein Orchester ist ein Riesenaufwand und da muss alles stimmen, aber ich hatte ein wenig das Gefühl, dass es künstlich hinausgezögert wurde. Ich nutzte allerdings die Zeit um mit meinen Freunden den Wahnsinnsauftritt von AMENRA vorher zu analysieren und zu verarbeiten. Wir waren uns alle einig, dass IGORR das nicht in irgendeiner Form überbieten könnte. Ich sollte recht behalten. Ehrlich gesagt verstand ich die ganzen Leute nicht so recht, die aus dem Gig der Franzosen so eine Party machten, aber zum Glück sind Geschmäcker verschieden.
Die Kombination der genannten Genres war mir insgesamt zu chaotisch, nicht wirklich abgestimmt und konfus. Der Gesang obendrauf nervte mich leider zusätzlich, sodass ich mir keinesfalls das ganze Konzert geben konnte. Nach drei Songs ergriff ich die Flucht. Ich möchte aber bemerken, dass sich kein IGORR Fan angegriffen fühlen soll, es war halt einfach nicht meins.