Aktuelle Meldungen
Live on Stage Report: D-A-D | THE HOT DAMN!
Berlin – 05.12.2024 @ Columbia Theater
Wenn die verrückten Dänen rufen, folgt die Masse im Allgemeinen ohne weitere Fragen zu stellen. So auch an diesem arschkalten Donnerstagabend, wo allerdings die bis zum U-Bahnhof Platz der Luftbrücke reichende Schlange ein paar Fragen aufwarf. Nein, die wollten nicht D-A-D sehen, sondern in der nebenan gelegenen Columbiahalle den schwedischen Avantgarde Künstler Bladee (noch nie gehört? Ick ooch nich), der den Schuppen mit einer recht eigenartig aussehenden Fanschar bis auf den letzten Platz füllte. Sabrina hatte schon Schnappatmung angesichts eines eventuell 2 Stunden dauernden Einlass.
Aber auch im kleineren Columbia-Theater war kaum mehr ein Platz zu finden, doch dem Veranstalter sei Dank bekam ich einen Fotopass, der es uns ermöglichte, den gesamten Abend direkt neben der Bühne zu verbringen. Das war mal so richtig geil, da ich vorhatte, alle Bässe von Stig Pedersen zu fotografieren und meine Frau ihrem unzähmbaren Drang nach Bewegung nachgehen konnte. Quasi eine Win-Win Situation. Allerdings fragte ich mich ernsthaft, warum ich an diesem Abend der Einzige war, der im Graben Fotos schoss? Wo waren die ganzen sogenannten Foto-Journalisten??? Aber mir sollte es recht sein…
Überpünktlich um 20 Uhr erloschen dann die Saallichter und neben einem übergroßen, aufblasbaren Einhorn betraten THE HOT DAMN! die Bühne von denen ich im Vorfeld bis auf ein paar Tracks auf einschlägigen Musikportalen noch nicht allzuviel gehört hatte. Die gerade erst 2020 gegründete Mädels Band bestachen gleich zu Beginn mit einem tonnenschweren Sound und herrlichem gute Laune Rock’n’Roll, der direkt ins Beinkleid fuhr. Dazu waren die Girls permanent unterwegs und Drummerin Josie schüttelte unentwegt die Rübe im Takt der herrlich unprätentiösen Songs, die einfach nur gute Laune verbreiteten.
Frontfrau Gill Montgomery sprühte vor Witz und gesanglich war das allererste Kajüte, was die Damen hier von sich gab. Natürlich durfte man hier kein Highclass Gefrickel mit überbordenden Kompositionen erwarten, dafür aber Gute-Laune-Rock, garniert mit vielen kleinen Gags und einer starken Instrumentalisierung, garniert mit einem grandiosen Stimmvolumen der Gitarristin.
Die Menge im ausverkauften Theater fremdelte nach guter alter Berliner Tradition natürlich anfangs mit der Truppe, taute dann aber ziemlich schnell auf und bereitete den Engländerinnen eine mit viel Jubel und Beifall unterlegte Wohlfühl-Oase. Die bedankten sich wiederum mit einem herrlich schnörkellosen 45 Minuten Gig, der alles das beinhaltete, was man brauchte, um ordentlich angeheizt zu werden. Selbst das Einhorn schien begeistert und verlor während des Gigs permanent an Luft, was am Ende so aussah, als ob es sich verausgabt hätte.
Die Umbaupause dauerte etwas länger und wie es schien verzichteten D-A-D heute auf eine übertriebene Bühnenshow, die man ja ansonsten auf vielen Festivals immer im Gepäck hat. Hatte ich kein Problem mit, denn musikalisch reicht das Potential der Dänen vollkommen aus, um den Leuten einen herrlichen Konzertabend zu bieten. Die starteten dann auch mit einem echten Superhit: „Jihad“ vom wohl populärsten Album „No Fuel left for the Pilgrims“, welches heute mit vier Songs ausgiebig gewürdigt wurde, und die Halle ging sofort steil. Es wurde mitgesungen, gefeiert und so angespornt legten sich die Binzer Brüder, Drummer Laust Sonne (der Kleine, doch dazu später mehr) und vor allem Enfant terrible Stig Pedersen, der mit seinen Glitzerhosen und den passenden silbernen Stiefeletten ein wenig wie ein Silberfisch aussah, komplett ins Zeug, rockten und rollten, was das Zeug hielt, und begeisterten vom ersten Moment an.
Der Sound war großartig, die Setlist gespickt mit Klassikern und natürlich neuem Material, bei dem ich vor allem gespannt darauf war, wie mein Lieblingssong „The Ghost“ funktionieren würde. Es ging, denn die Atmosphäre konnte nicht so exakt rübergebracht werden, wie auf dem Album, was aber andere Kracher wie „Speed of Darkness“, „Keep that Mother down“ oder „Monster Philosophy“ locker auffingen. Ich bin ja sowieso großer Fan der Mitstampfrocker a’la „Bad Craziness“, bei dem man so herrlich leger die Hüfte kreisen lassen kann, was Bassist Pedersen natürlich auch mehr als ausgiebig tat, während er mit seinen großartigen Bässen über die Bühne stapfte. Ok, auf das Lüften seiner Silber-Spandex und der damit verbundene Blick auf das ober Teil seines Geschlechtsorgans hätte ich gerne verzichtet, aber that’s Rock’n’Roll Baby.
Jesper Binzer war bestens aufgelegt, kündigte fast jeden Song in seinen rudimentären Deutsch-Kenntnissen an, pfiff frivol durch die Zähne, wenn ihm ein Wort mal nicht einfiel und zeichnete sich einmal mehr als überragender Entertainer aus, der im weiteren Verlauf des Gigs sogar die Menge dazu animieren konnte, auf den seit 25 Jahren in der Band befindlichen Drummer Laust, immer noch als „der Jüngste“ oder „der Kleine“ betitelt, ein Liebeslied zu singen. Der Angesprochene bedankte sich auf seine Weise und trommelte an diesem Abend unfassbar perfekt, timingsicher und vor allen technisch hochwertig, dass es eine Sonne…äääh…Wonne war.
Natürlich fotografierte ich alle Bässe von Pedersen, natürlich rastete ich mit allen anderen beim größten Hit „Sleeping my Day away“ komplett aus (Ansage: Wer von Euch hier ist arbeitslos? Dann ist das Eure Hymne), natürlich hatte ich am nächsten Morgen einen Muskelkater und selbstverständlich war ich von diesem extrem kurzweiligen Konzert ebenso begeistert, wie die Schar an Musikfans, die bei diesem ausverkauften Event den Dänen und ihrer britischen Vorband den Boden für einen überragenden Triumphzug bereitet hatten. D-A-D können einfach nicht schlecht und dieses Konzert war einmal mehr der Beweis dafür, warum die Truppe seit 40 Jahren so erfolgreich ist. Danke dafür, es war großartig.