CD-Reviews E-G
FATES WARNING – Long Day Good Night (2020)
(6.614) Marky (10/10) Progressive Metal
Label: Metal Blade Rec.
VÖ: 06.11.2020
Stil: Progressive Metal
Wow, wow, wow, was für ein Meilenstein ist diese Platte geworden, zu ihrem angepeilten Ende! Was, das Ende von Fates Warning? Nun, Sänger Ray Alder wirft dies in die Runde bei diversen Interviews, zu manchen Fragen, die sich auf den Albumtitel, oder zum letzten Song der Platte „The Last Song“, beziehen. Dreh und Angelpunkt zu diesem brisanten Thema soll Mastermind und Hauptsongwriter Jim Matheos sein, der hierzu jedoch bisher noch kein Statement verlauten lassen hat. So müssen sich die Fates Warning Jünger noch etwas gedulden und wie schon immer, stirbt die Hoffnung zuletzt.
Mein Einstieg in den 13. Output dieser einzigarten Band, ließ mich bei den ersten Hördurchläufen allerdings erst mal in die tiefe melancholische Seite von „Long Day Good Night“ eintauchen, die mich erst mal noch nicht so sehr mitriss. Erst im weiteren Verlauf entdeckte ich nach und nach die klanglichen Schätze, die Fates Warning dem geduldigen Hören auf dieser Platte in ungeahnter Fülle offenbaren.
Der Opener „The Destination Onward“ beginnt bedächtig und offenbart im Verlauf der folgenden acht Minuten die typischen Trademarks der Band: Eingängige Melodien, verpackt in anspruchsvolles und teils verschachtelten Songwriting. „Shuttered World“ und „Alone We Walk“ dringen dann noch mehr in kräftig metallische Gefilde vor, bei denen man sich vor der spielerischen Finesse der instrumentalen Fraktion nur Verneigen kann.
Dies dient offenbar alles der Vorbereitung auf den immensen Klangkosmos, den Fates Warning nun mit „Now Comes The Rain“ zelebrieren. Ich gehe gar soweit, dass die Gesangslinien von Ray Alder besonders bei diesem Song, definitiv das Wasser reichen können, zu alten Glanztaten von Sangesgott John Arch. Nicht gleichartig, aber gleichrangig!
Der nächste Höhepunkt kommt so gleich. „The Way Home“ zeigt gar jazzige Sequenzen, die sich wunderbar in die ruhige Art des Songs integrieren und wieder in einen endlos schönen Refrain müden. Ruhig und insgesamt etwas geradliniger, geht es mit „Under the Sun“ weiter, ohne dabei schmalzig daher zu kommen, sondern schön episch-melancholisch und u. a. mit Violine und Cello.
„Scars“ und „Begin Again“ bieten wieder die typische Fates Warning Midtempo Merkmale, die der Platte wieder mehr Schwung verleihen, bevor „When Snow Falls“, mit seiner sehr ruhigen Art, einen in lang vergessene Winterträume abdriften lässt. Hier gibt Schlagzeuger Gavin Harrison (King Crimson, OSI) ein Gastspiel.
„Liar“ und „Glass Houses“ kommen wieder kraftvoll daher, bevor der längste Song „The Longest Shadow of the Day“, mit 11:29 Minuten, schon das Ende einer äußerst famosen Platte einläutet, die trotz einer Gesamtspielzeit von über 72 Minuten kurzweilig wirkt. Hier rufen Fates Warning abermals ihr ganzes Können auf und verpacken in diesem Song wieder ruhige und kraftvollen Passagen, die wie aus einem Gus klingen. Was bleibt ist noch „The Last Song“, der einen traurig stimmt, weil er der letzte Song der Platte ist und womöglich auch der letzte Song einer einzigartigen Band, die es so nie mehr geben wir?!
Ich will jetzt nicht in purer Melancholie verweilen, sondern einfach nur Hoffen und Beten, dass sich Jim Matheos noch nicht zur Ruhe setzen will. Wer weiß schon, wann diese verdammte Corona Kacke vorbei ist und die Band endlich wieder Live spielen kann, so dass Jim und Ray, nach einer gewissen Pause, doch wieder Lust auf neue Songs verspüren. Ich würde mich doch sehr wundern, wenn dem nicht so wäre. Da sind wir dann aber erst in ein paar Jahren schlauer.
Nach dem endlosen Auflegen von „Long Day Good Night“, bin ich immer noch erstaunt, wie vielfältig und emotional tief diese Platte ist. Die Scheibe gehört mit zum Besten, was Fates Warning in ihrer gesamten Laufbahn veröffentlicht haben. Sie übertrifft nach meinem Empfinden sogar noch den letzten Megaoutput „Theories of Flight“, der es wahrlich schon in sich hatte. Die Herren Matheos und Alder haben beim Songwriting Prozess ganze Arbeit geleistet, wobei beide die letzten Jahre nicht gerade untätig waren. Respekt für diesen Input und vor allem für Jim, der für die sehr gefühlvolle und energische Produktion zuständig war. Joey Vera und Bobby Jarzombek verfeinern mit ihrem gewohnt hohen Niveau, noch die Vielfältigkeit dieser Platte. Bei den Aufnahmesessions mit on Board war noch Tour-Gitarrist Mike Abdow, der ein paar Riffs und Solos beisteuern durfte.
Was bleibt, ist mein offener Mund und pure Gänsehaut. Hier kann es nur die volle Punktzahl geben. Ich gehe auf die Knie und verneige mich vor dieser Meisterleistung!
Anspieltipps: Alles, einfach alles!
Bewertung: 10 von 10 Punkten
Tracklist:
01. The Destination Onward
02. Shuttered World
03. Alone We Walk
04. Now Comes the Rain
05. The Way Home
06. Under the Sun
07. Scars
08. Begin Again
09. When Snow Falls
10. Liar
11. Glass Houses
12. The Longest Shadow of the Day
13. The Last Song