Label: Napalm Records
VÖ: 30.01.2015
Stil: Black Forrest Metal
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Finsterforst sind zumeist eine recht anstrengende Angelegenheit! Zum einen ist es schwer, bei einem Auftritt der Jungs den Überblick auf der Bühne zu behalten, da sich doch eine recht stattliche Anzahl an Bandmitgliedern auf jener welchem tummelt und zum anderen sind Songs weit jenseits der 15 Minuten Marke auch nicht jedermanns Geschmäckle, um es mal in der Sprache der Schwazwaldbuam auszudrücken. Doch trotz dieser Anmerkungen sollte man nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass es sich bei Finsterforst um eine musikalisch absolut großartige Combo handelt, bei denen das Wort „Langeweile“ aus dem Vokabular komplett gestrichen wurde.
Nach einem kurzen Intro beginnt die akustische Wanderung durch alle Gefilde der harten Musik mit „Schicksals End‘“, der trotz seiner 15 Minuten Länge nach Ende das Gefühl hinterlässt, dass dies noch nicht alles gewesen sein kann. Schleppend, eine tolle Instrumentalisierung, viele verschiedene Elemente, von orchestralen Parts über das niemals plakativ eingesetzte Akkordeon und ein interessanter Spannungsbogen lassen den Opener schon jetzt zu so frühem Zeitpunkt die Messlatte verdammt hoch legen. Ebenfalls fällt sofort auf, dass Finsterforst sehr viel Wert auf die Produktion gelegt haben, die sich donnernd und fett wie Ottfried Fischer in die Gehörgänge bohrt. Ein ganz wichtiger Aspekt, der leider von vielen Bands des deutschsprachigen Metals vernachlässigt wird, ist der Wiedererkennungswert des Gesangs, denn wo viele lediglich auf Härte und zum Teil komplettes „Nichtverstehen“ setzen, gehen die Schwarzwälder den umgekehrten Weg und lassen jede Textzeile von Frontmann Oliver Berlin, der alleine schon für seinen Nachnamen einen Extrapunkt von mir bekommt, und Clean-Part-Sänger Johannes Joseph, der auch für die „Quetschkommode“ zuständig ist, klar und jederzeit deutlich verständlich erklingen.
„Zeit für Hass“ ist mit seinen 9 Minuten ebenfalls recht lang ausgefallen, dennoch eingängig, etwas härter als sein Vorgänger und brilliert mit seinen Orchesterparts, die im Ansatz schon etwas von Fleshgod Apocalypse haben, mit denen man ja 2012 die Bühne beim Baden in Blut teilte und sich dort vielleicht etwas Inspiration abholte…wer weiß. Einzig die Blastparts im Mittelteil sind etwas deplatziert und in meinen Augen komplett unnötig, doch auch dies ist halt eine Facette der musikalischen Artenvielfalt Finsterforst’s.
Nach einer herrlich verträumten Bridge geht es mit dem sehr eingängigen Titeltrack weiter, bei dem die Blechbläser ihr ganzes Können zeigen können und auch hier niemals plakativ oder aufgesetzt wirken, sondern dem Gesamtsound eine unglaubliche Dichte und Härte verleihen. Das Akkordeon nimmt im Mittelteil eine zentrale Rolle ein und reißt den Song an sich, der danach dann wieder in verträumte Melancholie verfällt und mit seiner Melodie einfach mitreißt. Da macht „Mann gegen Mensch“ auch keine Ausnahme, bei dem auch Flöten zum Einsatz kommen, die auch dieses Kleinod zu einer tollen Gelegenheit zum Träumen macht und die Altvorderen in diesem Musikgenre mehr als alt aussehen lässt. Vor allem der Text, der (ich sagte es bereits) nicht nur klar und deutlich zu verstehen ist, ist großartig und zeigt, dass Finsterforst nicht nur Mucke, sondern auch die Lyrik beherrschen und sich gerade durch diese Klarheit des Gesangs von vielen Anderen deutlich abgrenzen und sich bewusst einer eventuell aufkeimenden Kritik aussetzen, die sich mit Texten in ihrer Muttersprache schwertun.
Die nachfolgende Überleitung namens „Reise zum…“, welches quasi die Ouvertüre zum der nun gleich folgenden Krönung des schöpferischen Schaffens von Finsterforst darstellt, ist eine Mischung aus Jean-Michel Jarre, Soundtrack aus „Herr der Ringe“ und Wald und Wiesengeräuschen und ist wunderbar zum abschalten geeignet. Die Gedanken der Jungs würde ich gerne wissen die sie hatten, als sie diese unfassbar schöne Melodie zum ersten Mal selbst gehört haben…aber da werde ich sie bei dem hoffentlich bald stattfindenden Interview selbst nach fragen. Doch nun…Vorhang auf zum krönenden Abschluss…
Eine spacige, fast Pink Floyd-artige Gitarre stimmt ein, ein akustische kommt dazu und die letzte Reise „tief in das Reich, wo das Leben dem Tode weicht“ beginnt. Die ersten fast 9 Minuten sind sehr schleppend, heavy, melancholisch, lyrisch und Finsterforst vermögen es tatsächlich, mit ihrer Musik und im Speziellen bei diesem monumentalen Epos im Kopf Bilder entstehen zu lassen. Moosbedeckte Waldböden, morsche Bäume, kriechendes Getier. Da sind tatsächlich 23 Minuten nicht zu wenig…
Vollkommen unerwartet und für mich überraschend hauen Finsterforst mit „Mach dich frei“ ein überragendes wenn nicht sogar legendäres Album raus, welches in deutschsprachigen Gefilden zum Besten gehört, was jemals in meinem Player gelandet ist. Das hat kaum mehr was mit Musik zu tun, sondern ist mehr eine Reise in Alles, was in der harten Musik heutzutage möglich ist. Die Scheibe fesselt vom ersten bis zum letzten Takt, ist aufregend, spannend und je öfter man dieses Juwel rotieren lässt, man findet immer wieder neue Facetten, Melodiebögen und auch die von mir oft kritisierten exorbitanten Songlängen sind hier niemals ein Bremsklotz, sondern einfach zwingend notwendig, um all die musikalischen Blickwinkel dieser fantastischen band ausleuchten zu können. Schließt die Augen und lasst Euch auf eine lange Reise in den tiefen Wald mitnehmen. Ich war dort und kann Euch sagen, es lohnt sich! Dieses Album ist schon jetzt ein Klassiker!!!
Bewertung: 10,0 von 10,0 Punkten
Tracklist:
01. Abfahrt
02. Schicksals End’
03. Zeit für Hass
04. Im Auge des Sturms
05. Mach dich frei
06. Mann gegen Mensch
07. Reise zum…
08. Finsterforst
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