Label: Frontiers Music SRL
VÖ: 01.12.2017
Stil: Progressive Rock/Metal
Es gibt neben Ronnie James Dio und Bruce Dickinson kaum einen Sänger, der mich in meiner Jugend so sehr inspiriert hat, wie Geoff Tate. Ach so, ja, was heißt Jugend? Ich sah QUEENSRÿCHE im zarten Alter von 14 Jahren am 23.10.1984 im Vorprogramm von eben DIO in der Böblinger Sporthalle. Was ein Paket! QUEENSRÿCHE hatten seiner Zeit „The Warning“ veröffentlicht und flashten mich total. Geoff Tate, wie auch QUEENSRÿCHE haben mich bis heute begleitet, wenngleich die Ruhmreichen Zeiten von Geoff Tate selbst leider vorbei zu sein scheinen. Über den Ausstieg bei QUEENSRÿCHE wurde mehrfach geschrieben, so dass ich mich hierüber nicht auslassen muss, darum geht es ja auch nicht. Dennoch, Geoff Tate hat etwas in seiner Stimme, was mich heute noch bindet. Insofern bin ich sehr gespannt, was mich auf „The New Reality“ erwartet.
OPERATION: MINDCRIME, Geoffs Projekt in drei Akten, welches nun mit „The New Reality“ beendet werden soll. Zumindest hat es so den Anschein. Waren die beiden Projektvorgänger der Trilogie eher durchwachsen, müsste jetzt, so meine Hoffnung, ein etwas stärkeres Album folgen.
Die Scheibe beginnt mit „A Head Long Jump“ für meine Ohren zumindest extravagant, für OPERATION: MINDCRIME allerdings nicht wirklich untypisch. Im Song selbst wird einiges an Experimenten in punkto Effekten ausprobiert, eine deutlich nachvollziehbare Message lässt diese Nummer jedoch vermissen. Nichts Halbes und nichts Ganzes irgendwie.
Etwas rockiger und präziser startet dagegen „Wake Me Up“ und da ist vor allem das, was ich an Geoff Tate so schätze. Seine tiefe, sehr breite und voluminöse Stimme, die im Übergang zum Refrain ein wenig an alte Zeiten erinnert. Das klingt flüssig und stimmig. Gegen Ende hin jedoch fällt der Song irgendwie auseinander, der Sprechgesang trägt die bisweilen angenehme Stimmung zu meinem Missfallen nicht weiter.
„It Was Always You“ reiht sich in den Style des ersten Songs ein und bringt eine für mich zu komplexe Songstruktur zu Tage. Es ist in der Tat herausfordernd, dieser Nummer hier eine besondere Spezialität beimessen zu können. Die teils jazzigen Bläsereinsätze klingen zwar abgefahren, dienen dem Song aber eigentlich nicht. Die Vocals sind Beiwerk, mehr nicht.
Dem bis an diese Stelle schwer nachzuvollziehenden Etwas, setzt „The Fear“ dann die Krone auf. Was auch immer hier übertragen werden soll, entzieht sich mir. Ich höre zwar das Bemühen von Geoff Tate, dabei bleibt es dann aber auch. Atmosphäre ist durchaus da, nur weiß ich nicht, wo das konzeptionell schlussendlich hinführen soll. Mit 7 Minuten ist das viel zu lang, da die Highlights durchweg fehlen.
Mit „Under Control“ wird versucht die Kurve zu kriegen und der Scheibe etwas mehr an Dynamik zu verleihen. Das gelingt sowohl über das Midtempo und den Groove. Geoff gibt dem Song den Charakter, den er braucht. Solche Nummern hatte man in späten QUEENSRÿCHE Alben ansatzweise auch schon gehört. Es klingt Reif und so könnte ich mir den Fortgang der Scheibe vorstellen. Geoff lässt durchblicken, dass er es immer noch vermag, die höheren Regionen anklingen zu lassen. Jedoch vermeidet er es ganz hoch hinauszugehen, oder es gelingt ihm nicht mehr. Letztlich hätte es noch mehr Stimmung aufgebaut.
Der Titeltrack „The New Reality“ hat sicher eine ganz spezielle Melancholie. Das hat Geoff Tate schon immer beherrscht. Doch auch in dieser Nummer fehlt der Spirit und plätschert deshalb so vor sich hin. Die leisen DAVID BOWIE Züge sind nicht zu überhören, sie sind allerdings nur zaghaft nachzuvollziehen. Experimentell ja, mitreißend jedoch nicht.
And so the story goes on. Es ändert sich auch in „My Eyes“ nichts an der Leere. Das ist uninspiriert. So sehr ich mich auch bemühe, es kommt nichts bei mir an.
Spontan kommt mir DREAM THEATER in den Sinn, die mit „The Astonishing“ ebenfalls ein Konzeptalbum veröffentlichten und sich streitbar machten. Im Vergleich zu dieser Scheibe jedoch, war „The Astonishing“ ein zumindest musikalisches Meisterwerk. Doch fehlt es auf „The New Reality“ leider auch an diesen Merkmalen. „A Guitar In Church“ gibt hierfür Zeugnis ab.
Dem Konzept und der Botschaft der Lyrik wohlmöglich geschuldet, schraube ich meine Erwartungen zurück. Wenngleich „All For What“ wenige Hoffnungsschimmer am Ende des Horizonts aufkeimen lässt. Leider nur wenige…
Da kann auch „The Wave“ nichts mehr geradebiegen. Ein müder Wellengang. Ertränkt in Synthesizern und Keyboards. „Tidal Change“ mit knapp über einer Minute darf durchaus als Lückenfüller bezeichnet werden.
Der letzte Song des Albums hat bezeichnender Weise den Titel „The Same Old Story“ und wahrlich, er bringt dieses für mich unterdurchschnittliche Album so auch zum Ende. Ohne Charme und ohne nennenswerte Akzente. Sehr schade…
Von Metal kann sicher keine Rede sein, und ob es nicht vielmehr Pop/Rock ist, entscheidet der Hörer für sich.
In sich verloren? Selbstverwirklichend, dennoch ohne erkennbare Struktur. Das ist mein auch für mich düsteres Fazit. Ich bin zwar nicht enttäuscht, aber auf niederziehende Weise ernüchtert. OK, eine Konzeptscheibe. Vielleicht kann man es als progressiv bezeichnen, vielleicht aber ist diese Art von Musik auch genau der passende Boden, um viel zu reden, ohne dabei etwas zu sagen.
Anspieltipps: „Wake Me Up“ und „Under Control”
Bewertung: 5,9 von 10 Punkten
Tracklist:
01. A Head Long Jump
02. Wake Me Up
03. It Was Always You
04. The Fear
05. Under Control
06. The New Reality
07. My Eyes
08. A Guitar In Church
09. All For What
10. The Wave
11. Tidal Change
12. The Same Old Story