Label: Nuclear Blast
VÖ: 27.02.2015
Stil: Mesopotamian Black/Thrash Metal
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Wie soll man die neueste Langrille einer Band beschreiben, die sich sowieso jeder Einordnung in gängige Musikgenres entzieht? Und die man genau dafür so liebt? Fakt ist – wer auf dem extremeren Sektor einmal auf Melechesh gestoßen ist, der kommt von der Gruppierung rund um Mastermind Ashmedi nicht mehr so schnell weg.
Deren neuestes Meisterwerk, mit „Enki“ betitelt, also dem Namen der sumerischen Gottheit, die als Schöpfer des Menschen verehrt wurde, ist das nunmehr sechste Studioalbum der Multikulti-Band. Und auch hier gilt wieder nomen est omen – natürlich dürfen auch auf der neuen Platte Bezüge zur mesopotamischen Geschichte und den Religionen der dort ansässig gewesenen (Hoch-)Kulturen nicht fehlen. Dies spiegelt auch das Cover wieder, für das sich wie bei den beiden Vorgängern John Coulthart verantwortlich zeigt. Zunächst ziemlich unübersichtlich erscheinend, verfolgt dieses dennoch ein gut durchdachtes Konzept, das sowohl auf die Coverartworks der Vorgängeralben, wie auch auf die musikalische und lyrische Gestaltung des aktuellen Silberlings selbst Bezug nimmt. So lässt sich besonders am unteren Bildrand ein von Säulen gesäumter Weg ausmachen, der laut eigenen Aussagen Melecheshs den Pfad des Wissens darstellen soll – in der sumerischen Religion ist Enki der Gott der Weisheit. Albumtitel und die optischen Höhepunkte sind außerdem, erneut wie zuvor, am Goldenen Schnitt orientiert. Das soll jedoch nicht die einzige Zahlenspielerei auf „Enki“ bleiben, zusätzlich wurden sämtliche Instrumente für die Aufnahmen auf genau 432 Hz gestimmt, was eine besondere Verbundenheit des Hörers mit der Natur und dem Kosmos auslösen soll – zumindest, wenn man diversen esoterischen Onlinemissionaren Glauben schenkt.
Die Platte setzt ein mit „Tempest Temper Enlil Enraged“, einem Song, der sich thematisch um die sumerische Hauptgottheit Enlil dreht und der durch seine eingängigen Melodien, sowie diffizilen Tempowechsel durchaus als Anspieltipp für die gesamte Melechesh-Diskografie gelten kann, auch wenn das für den brachialen letzten , „The Outsiders“ mindestens in selbem Maße gilt. Bereits vom ersten Ton an wird klar, dass die Band mit momentanem Hauptquartier in Deutschland auch mit dem neuesten Nachwuchs im CD-Regal kein Stück von ihrem Erfolgskonzept abweichen wird. Wieder entfaltet sich der Zauber ihres musikalischen Schaffens vor allem in fantastischen Melodien und den vielen übereinandergelegten Gitarrenspuren, sowie den Klängen der 12-Saitigen, für die Sänger Ashmedi bei vielen Gelegenheiten gern Werbung macht. Der zurückgeholte Drummer Lord Curse, der bereits den ersten Longplayer Melecheshs einspielen durfte, sorgt ebenfalls für eine gehörige Brise Nostalgie.
Keineswegs jedoch bedeutet das alles, dass „Enki“ durch solcherlei bewährte Strukturen Langeweile aufkommen lässt. Im Gegenteil – die Scheibe vereint die Aggressionen des letzten Knalleralbums „The Epigenesis“ auf absolut geniale Weise mit den verspielten nahöstlich angehauchten Riffs von „Emissaries“ und erzeugt so eine Atmosphäre wie kein zweites Album. Selten hat es eine Kapelle so gut geschafft, unterschwellig das reinste Böse in ihren Songs zu transportieren, wie die Truppe um Ashmedi es im dahingehend besonders hervorzuhebenden „Multiple Truths“ tut. Treibende Klampfenriffs treffen dabei auf beschwörungsformelartige Refrains wie bei „Lost Tribes“, progressive und komplexe Stücke voller Tempowechsel wie „The Pendulum Speaks“ oder „Enki Divine Nature Awoken“ stehen für unsere Ohren ungewöhnliche und fremde Instrumente gegenüber, die das orientalische Gefühl perfekt machen. So wird „Enki“ wie auch seine Vorgänger mit einem instrumentalen, an meditative Sufi-Musik angelehnten, Song zwischendurch gewürzt. Dies ist der achte Titel, mit dem Namen „Doorways To Irkala“. Als Verschnaufpause oder gar Tiefpunkt würde ich diese Instrumental-Zwischenstücke aber niemals bezeichnen. Vielmehr geht es zumindest mir persönlich bei Melechesh-Alben immer so, dass ich gerade beim Hören ebendieser Songs am tiefsten in der willentlich erzeugten fremdartigen Atmosphäre versinken kann, die zum Träumen und Entspannen einlädt.
Für noch mehr Abwechslung (falls man hier überhaupt noch von „mehr“ sprechen kann), sorgt die Liste der prominenten Musikerkollegen, die sich für die Aufnahmen im athenischen Studio über den letzten September und Oktober hinweg eingefunden hatten und schlicht gesagt einfach einen klasse Job gemacht haben. Bedeutende Namen wie Max Cavalera, der sich für „Lost Tribes“ die Seele aus dem Leib brüllt, der riffingveredelnde Rob Caggiano und Sakis Tolis, zu hören in „Enki Divine Nature Awoken“, sprechen Bände, was die mittlerweile erreichte Reputation Melecheshs in der Musikwelt angeht.
Einzelne Lieder aus dem Zusammenhang des Albums herauspicken und alleinstehend empfehlen zu wollen, wäre von jeher die völlig falsche Herangehensweise an die Musik der Band. So kann sich auch „Enki“ erneut nur als Gesamtkunstwerk messen lassen, das man als Hörer ganz einfach von vorn bis hinten genießen muss. Holt Euch also ein Glas Wein (oder Whisky), setzt Euch auf euer Sofa und lasst Euch eine gute Stunde lang inspirieren vom Songwriting eines wahren Musikgenies. Ashmedi kredenzt mit der neuesten Aufnahme seines Lebenswerkes Melechesh wie nicht anders gewohnt ein Feuerwerk für die Ohren, das seinesgleichen sucht. Urtümlichste Menschheitsgeschichte und ein Feeling wie aus Tausendundeiner Nacht – die vorliegende Platte ist definitiv ein fetter Anwärter auf die vordersten Platzierungen diesen Jahres!
Bewertung: 10,0 Punkte
Tracklist:
01. Tempest Temper Enlil Enraged
02. The Pendulum Speaks
03. Lost Tribes
04. Multiple Truths
05. Enki - Divine Nature Awoken
06. Metatron And Man
07. The Palm The Eye And Lapis Lazuli
08. Doorways To Irkala
09. The Outsiders
MELECHESH (2015)
"Enki" (1.508)