Verdammt!!! Da habe ich doch glatt den 22.09.2014 verpasst, denn ab diesem Tag durften wir endlich über die Listening Session zum neuen Slipknot Album „.5: The gray chapter“ berichten, ohne mit einer Vertragsstrafe von 5.000,00 € belegt zu werden, was scheinbar einem großen Massenmedium in Deutschland furzegal war, stellten die doch weit vor dem vereinbarten Termin ihre Eindrücke ins Netz. Nun könnten ja Spötter behaupten, dass das Album so dermaßen unbedeutend sei, dass ich einfach vergessen habe, darüber zu berichten. Negativ, denn das mittlerweile fünfte Album der Krawallos aus Des Moins ist eine echte Überraschung geworden und weitaus abwechslungsreicher, als ich es erwartet hatte. Doch dazu später mehr.
Geladen wurde ins mehr als noble Grand Hyatt am Potsdamer Platz, was allerdings dem Umstand geschuldet war, dass man dort alles hermetisch abriegeln konnte, denn laut Aussage der dort anwesenden Promotion Managerin hat man mittlerweile eine gewisse Paranoia entwickelt, was eine mögliche Vorabveröffentlichung im Internet anbelangt. Alles gut und schön, auch das wir die Handys abgeben mussten kann ich in gewisser Weise noch nachvollziehen, doch das Unterschreiben einer Verzichtserklärung mit Androhung einer (für mich) drakonischen Strafe war doch ein klein wenig zu viel des Guten. Selbst die Serviererinnen, die uns inmitten der Session mit Currywurst im Glas (!!!) und diversen anderen Leckereien versorgten, mussten dieses vorab unterzeichnen. Und? Hat sich dieser unfassbare Aufwand letzendlich gelohnt?
Irgendwo schon, denn das Album ist in meinen Augen nach „Iowa“ das stärkste in der Kariere von Slipknot geworden, besticht durch einen unbändigen Artenreichtum, Härte, Individualität und Kurzweil und hätte bei einem eventuellen Auftauchen im Netz für diverse Serverabstürze geführt. Slipknot scheinen zusammen mit ihren Fans erwachsener geworden sein, was man dem Songwriting zu jedem Zeitpunkt anhört. Das bedeutet im Einzelnen:
01. XIX
Dumpfe Harmonica, die sich anhören wie sakrale Dudelsäcke und an einen Trauerzug erinnern und bei dem lediglich Corey Taylor zu hören ist. Ein mehr als ungewöhnlicher, aber spannungsaufbauender Beginn, der schon zu so einem frühen Zeitpunkt Lust auf mehr macht.
02. Sarcastrophe
Die schön eingesetzten Percussions und der ruhige Beginn sind lediglich Täuschung, denn danach kracht es gewaltig im Gebälk. Ein mehr als fetter und schneller Opener, der sogar vereinzelt Blastbeats beinhaltet und ebenfalls aufzeigt, wie unfassbar gut die Produktion diesmal geworden ist. Druckvoll, heavy und mit keinerlei Spielraum für irgendwelche Interpretationen. Das ist definitiv ein (von mir erhoffter) Schritt back to the roots.
03. AOV
Speediger Beginn, ultraheavy und ein unfassbar geiler Groove, der „AOV“ schon zu so einem frühen Zeitpunkt zum Megahit des Albums macht. Im Refrain zeigt Corey Taylor, was er in der Zeit mit Stone Sour gelernt hat und begeistert mit seinem umfangreichen stimmlichen Repertoire, bevor die Luzie erneut abgeht. Die auf diesem Song befindlichen Tempiwechsel sind brutalste Nackenbrecher!
04. The devil in I
Der vorab veröffentlichte und von den Fans weltweit mit Begeisterung aufgenommene Song ist, um es voraus zu schicken, einer der in meinen Augen schwächste des Albums, was durchaus auf die Gesamtqualität der Scheibe abzuleiten ist. Das Grundriff ansich ist schon geil und auch der Frontmann beweist, das er einen arschvoll Gefühl in seinen Stimmbändern hat…und dennoch…
05. Killpop
Ein Midtempo Stampfer mit einem schön getragenen Refrain, bei dem Chef Percussionist Shawn seine ganze Routine in die Waagschale wirft. Ein für meine Ohren sehr ernster Song.
06. Skeptic
Etwas zu sehr percussionlastig, was live mit Sicherheit bis zur Ekstase ausgeschlachtet werden wird. Ein monotoner Grundbeat der allerdings nicht verhindert, dass keinerlei Spannung aufkommt, keine klare Linie zu erkennen ist du somit die Langewiele dominiert. Glücklicherweise, das kann ich bereits jetzt verraten, ist „Skeptic“ auch der einzige Totalausfall des Albums…wobei…der Ministry-artige Refrain kann doch ein klein wenig gefallen…
07. Lech
Halbzeit des Albums und die Mannen lassen es da nochmal richtig krachen. Die typische, ich nenne sie mal Slipknot-Konfusion überwiegt hier und hat leider auch nicht den Spannungsbogen wie einige Songs zuvor. In Ordnung, doch nicht mehr als ein passabler Lückenfüller.
08. Goodbye
Ein Killer! Scheinbar ein Abschied an den verstorbenen Paul Gray, der sehr balladesk beginnt und dann verdammt doomig daherkommt. Die im Hintergrund läutenden Glocken sind Hammer und verleihen dem Song das Attribut: Weiteres Highlight des Albums!
09. Nomadic
Der durch eine fantastische Schlagzeugarbeit bestechende Song krankt ein klein wenig unter dem cheesigen und zu poppigen Refrain. Zum Ende hin wird’s etwas heftiger und die Soli im Mittelteil wissen mehr als zu gefallen. Wird definitiv auch eine Singleauskopplung, da verwette ich Christians komplette Hammerfall Sammlung drauf…hahaha
10. The one that kills the least
Hier ist mir vieles zu durcheinander. Da werden viele Fragmente in einen Topf geschmissen, umgerührt und fertig is nen Song. Wird live niemals eine Rolle spielen!
11. Custer
Ein weiteres Highlight und ein durchaus repräsentativer Song fürs gesamte Album. Einem wüsten Beginn folgt eine spoken-words Einlage, um dann wieder massiv den Allerwertesten zu versohlen. Das ist ein Song, der bei keiner zukünftigen Liveshow fehlen darf!
12. Be prepared for hell
Quasi eine Bridge mit etwas atmosphärischem Geplänkel, ein paar spoken words und ein bisken Piano. Nicht relevant für die Gesamtnote…
13. The negative one
Auch wenn böse Zungen behaupten, es würde sich bei diesem Stück um quasi ein „Abschiedsgeschenk“ für Joey Jordison handeln, so war dieser Song bereits im Vorfeld heiß diskutiert worden…und das zu Recht, denn „The negative one“ ist tatsächlich eine Quintessenz des Albums und spiegelt komplett dessen Stärken wieder. Geile Riffs, ein großartiger Refrain und ein sicherer Anwärter auf einen dauerhaften Platz bei jeder zukünftigen Show. Die eingetreuten Blasts sind brillant!
14. If rain is what you want
Ein sattes Pfund Atmosphäre zum Schluss und erneut ein Corey Taylor in Höchstform. Plötzlich ballert es doch noch einmal aus allen Rohren und man wird als Zuhörer quasi erschlagen von einer mächtig fetten Soundwand. Dennoch zieht der Sänger ungeachtet dessen seine Linie klar durch und wirkt dabei wie auf einem anderen Stern. Großes Kopfkino!
Zusammenfassend kann man mit Fug und Recht behaupten, dass „.5: The gray chapter“ ein sehr erwachsenes, ernstes und reifes Album geworden ist, welches vielleicht nicht jeder auf Anhieb verstehen wird. Musikalisch bewegen sich Slipknot zuweilen wohltuend auf alten Pfaden und lassen mehr als einmal bei mir das Gefühl aufkommen, dass dieses Album nach „Iowa“ die bessere Wahl gewesen wäre. Aber…sein wir mal schonungslos ehrlich…selbst wenn Shawn Crahan permanent mit Colaflaschen klimpern, Jim Root auf einem Kamm blasen oder Corey Taylor durch die Bank weg Flatulenzen ausstoßen würde…die Masse kauft es eh. Doch diesmal sollte der geneigte Extrem Metaller auch ruhig mal eins oder gar beide Ohren auf dieses Album verwenden, denn Überraschungen bietet dieses Teil allemal! Ich find’s gut bis hervorragend!
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