Anfänglich mit ein klein wenig Gewissensbissen behaftet, da Torturized Vorarbeiter David Siegmund ebenfalls bei Zephyr’s Odem tätig ist, veröffentlichte Olaf vor ein paar Wochen das Review zum neuen Rundumschlag der Magdeburger Tech Deather namens „Omnivore“, welches trotz erwähnter Bedenken mit einer hohen Note bedacht wurde. Technisch brillant und in keiner Weise eventuell vorhandener, amerikanischer Vorbilder in Etwas nachstehend, raubt einem dieser todesbleiernde Nackenschlag förmlich den Atem. Ja, auch wenn der gute Siggi bei uns mitschreibt, so ist es ebenfalls unsere journalistische Aufgabe, guten Bands eine Plattform zu bieten, was den Chef dazu veranlasste, Siggi zum Gespräch zu bitten.
Siggi, eins musst Du mir gleich anfangs mal erklären. Ist Euer Frontmann Lu bei Euch ausgestiegen? Wissen die Kollegen der konkurierenden Fachpresse mehr als wir?
Nein, Lu ist keineswegs ausgestiegen oder wurde aus der Band geworfen. Er war, ist und bleibt fester Bestandteil von Torturized. In einer Zeitschrift wurde nur leider ein Bandfoto abgedruckt, auf dem er herausgeschnitten wurde, wir wussten erst gar nicht, wie wir darauf reagieren sollen.
Ich schätze mal die Begeisterung innerhalb der Band war riesig, rein ironisch betrachtet. Eigentlich müsste doch die Stimmung innerhalb Eurer Reihen aufgrund des bärenstarken Albums "Omnivore" prächtig sein, oder?
Nunja, im ersten Moment war wir schon etwas irritiert, haben dann die Sache in einem eigenen Facebook-Post mit einer "Fotokorrektur" richtiggestellt. Dankeschön für das Lob zu unserem Album. Es liegen arbeitsintensive, nervenaufreibende und kostenintensive Monate hinter uns - mit der Veröffentlichung von "Omnivore" fiel doch auch eine gehörige Last von uns ab und wir freuen uns sehr über die bisherige Resonanz der Medien und vor allem auch über das Lob und den Support der Metalfans. Nun heisst es aber auch, dass wir "Omnivore" ordentlich bewerben, was wir ja auf der "Plague From The Undground Tour 2017" machen werden. Auf diese Tour haben wir uns in den letzten Wochen neben den letzten Arbeiten am Album und dem Drumherum auch intensiv vorbereitet.
Auf die Tour kommen wir später noch zu sprechen. Arbeitsintensiv kann ich mir gut vorstellen und vor allem auch finanziell, denn Ihr seid ja den Weg ohne einen finanzstarken Partner im Rücken gegangen, habt alles eigenfinanziert und wenn man bedenkt, wer alles am Entstehen von "Omnivore" beteiligt war muss man ja schon fast davon ausgehen, Ihr seid mit dem goldenen Löffel im Mund geboren...
Das stimmt, das ganze Werk und auch der dazugehörige Merchandise-Ballon ist komplett aus unserer eigenen Tasche bezahlt. Ein finanzstarker Partner wäre auf jeden Fall gut gewesen, aber letztendlich sollte es ja nicht sein. Jeder von uns hat im letzten Jahr sehr sparsam gelebt und seinen finanziellen Beitrag geleistet, die beiden Studios, das Presswerk, das Merchandise und die Promotion mussten ja vorab komplett bezahlt werden, bevor es an die Veröffentlichung ging. Aber dass wir einen "goldenen Löffel im Mund haben", dem ist nicht, wir sind alle fünf ganz normale Typen, die ihren Jobs nachgehen und quasi das Ersparte im letzten Jahr in die Band investiert haben. Das war schon ein gehöriger Kraftakt, den es zu stemmen galt.
Nun mal Butter bei die Fische. Wer ist den mitverantwortlich für den bärenstarken Sound auf dem Album gewesen, mal von der Band abgesehen.
Wir haben beim Mixing & Mastering komplett auf Dave Otero vom Flatline-Audio (http://www.flatlineaudio.com/) vertraut und letztendlich müssen wir sagen, dass genau das die richtige Entscheidung war. Die Kommunikation war zu jederzeit bestens, vertrauensvoll und konstruktiv. Was Dave geleistet hat, hat unsere Erwartungen übertroffen und wir sind vollends zufrieden mit seiner Arbeit und vor allem auch mit seiner Art und Weise - Bands wie Archspire oder auch Cattle Decapitation vertrauen ja auch auf seine Dienste.
Gut, dass Du Cattle Decapitation ansprichst. Lu scheint ja tierisch von Travis Ryan beeinflusst worden zu sein, vor allem was seine clean Performance anbelangt. Klingt gut, raubt aber in meinen Augen Eurem Sound so ein wenig die Eigenständigkeit. Lag es da im Vorfeld nahe, direkt mit Dave Otero zusammenzuarbeiten?
Wir sind alle große Fans von Cattle Decapitation und auch vom Gesangsstil von Travis, aber unsere Entscheidung auf Dave Otero zu vertrauen, lag weniger daran, eher an der Arbeit am Sound, z.B. auf "The Antropocene Extinction" (mein Album des Jahres 2014 – Olaf), das war schon 'ne Hausmarke. Aber Dave ist auch bekannt in der Szene und wir haben einfach bandintern diskutiert, wo wir das machen wollen, es stand mehrere Studios zur Auswahl und wir haben dann Finanzen und Vorteile abgewogen. Eine gewisse Nähe zu Travis ist in den höheren Lagen bei Lu sicherlich da, aber die Orientierung der Klangfarbe ist da schon eine ganz Andere. wir wollten mal etwas ausprobieren und schauen, inwieweit die Bandbreite erweitern können. Die höheren Screams in diesem Stil haben in den vergangenen Jahren auch Illdisposed so umgesetzt, was auch sehr geil war bzw. Bo Summer das auch heute noch sehr geil macht.
Wobei Illdisposed und Ihr nun ein Vergleich Äpfel mit Birnen ist...dafür seid Ihr zu technisch. Überhaupt muss man neidlos anerkennen, dass Ihr auf einem recht hohen spielerischen Niveau operiert. Wie kann man sich da das Komponieren eines Songs vorstellen? Nungut...Ihr hattet ja seit Eurem letzten Release, der EP "Authority" von 2012 eine Menge Zeit zum Üben und komponieren...
Ja, aber Illdisposed waren und sind auch immer inspirierend und ich persönlich finde die Dänen großartig. Unsere Songs entstehen im Kollektiv. Im Wesentlichen startet es immer mit einer Idee der Saitenfraktion. Diese wird in ein Tab niedergeschrieben und dann an alle verteilt. Das sind oftmals aneinandergereihte Riffs oder ab und zu auch besser arrangierte, fast komplette Songs ohne Vocals. Diese Idee benötigt dann noch jede Menge Feinschliff. So werden Passagen erweitert, verschoben oder gar gestrichen. Jeder fokussiert sich dabei auf sein Instrument und fügt seinen Teil hinzu. Wenn das Grundgerüst ausgereift ist, kommen die Vocals nach und nach ins Spiel. Im Proberaum merken wir dann, ob unsere Vorstellungen wirklich funktionieren und auch harmonieren. Das klappt nicht immer reibungslos. Jeder hat unterschiedliche Vorlieben und Vorschläge. Bei einigen Songs diskutieren und probieren wir länger. Andere Songs gefallen uns sofort. Am Ende ist es immer ein gemeinsam abgenickter Song.
Dankeschön für das Lob, nach den EP's "Gallery Ov Blood" und "Authority" wollten wir uns weiterentwickeln, gerade was das Spielerische und das Songwriting angeht, Tom unser Gitarrist und auch Peter (unser neuer Bassist) haben an dieser Entwickung in den letzten Jahren auch maßgeblichen Anteil - wir pushen und motivieren uns alle fünf gegenseitig.
Was esst Ihr eigentlich so gerne? Seid Ihr denn Omnivoren? Oder wie kann man sich den Albumtitel sinnbildlich vorstellen?
Ha ha, ha, vier von uns sind tatsächlich "Allesfresser", wenn man so sagen darf. Peter ist Veganer. Der Titel des Albums entwickelte sich während des Schreibens der Songs - für „Omnivore“ ging es unbewusst immer an der Grenze zur Misanthropie entlang. Wir halten dem modernen Menschen einen Spiegel vor sein Gesicht. Zu sehen ist ein hässliches, widerliches Spiegelbild, welches vor Selbstüberschätzung, Gier und Irrglaube nur so strotzt; sich und andere jedoch durch zusätzliche Zwänge und Sehnsüchte schadet.
Im Vorfeld zur Veröffentlichung von "Omnivore" sprachst du mal von einem "Schlüpferstürmer" Song auf dem Album. Ganz ehrlich...ich habe keinen gefunden, der ein normalsterbliches Mädchen dazu verleiten würde, mit mir (oder jedem anderen...sinnbildlich gesprochen) auf Tuchfühlung gehen würde. Welchen Song meintest Du und vor allem warum?
Oh ja, stimmt. Der Song "Putrescence" hat ein Refrain-Riff, welches wir bei der Entstehung als "Happy-Metal-Part" bezeichneten, da dieses Riff doch so ganz anders ist, als das was wir bisher auf "Omnivore" so geschrieben hatten. Die Melodieführung ist sehr eingängig - das hatte ich mit "Schlüpferstürmer" gemeint. (lacht)
Letztes Jahr habt Ihr beim Metal Frenzy und dem von uns präsentierten Headache Inside bereits zeigen können, was Ihr live so draufhabt. Nun das neue Album im Gepäck. Da sollten doch die Angebote reihenweise ins Haus flattern...oder?
Das waren sehr schöne Erfahrungen, die wir auf dem Metal Frenzy und auf dem Headache Inside sammelnd durfte. Ich für meinen Teil mag den Charme des Headache doch sehr, sehr familiär, freundschaftlich und mit dem Dennis einen wirklichen Typen als Kopf. Wir hoffen doch stark, dass wir mit "Omnivore" einige Türen aufstoßen können. bisher haben wir für 2017 unsere Tour auf dem Plan, dann spielen wir auf den "Damned Days" in Barleben und auf dem Protzen Open Air. Weitere Zusagen von Festivals gab es leider bis dato noch nicht, was wir sehr schade finden. Wir waren und sind mit Labels und weiteren Festivals im Gespräch, aber manchmal erhält man leider einfach gar keine Antworten oder Absagen - wir werden sehen, was die Zukunft noch so bringt. wir sind auf jeden Fall bereit und freuen uns über jede Möglichkeit, Live spielen zu können bzw. über jeden Support. Seit dem ich zum Party San fahren (seit 1998) ist schon ein großer Wunsch von mir, auf diesem Festival mal zu spielen, das konnte ich bisher noch nicht realisieren.
Das sollte ja dann wohl 2018 mal realisierbar sein. Dennoch kann man Euch in nächster Zeit ja auf einigen Bühnen live bewundern, denn die von Euch initialisierte "Plague from the underground"-Tour 2017 nimmt bald Fahrt auf. Wie ist diese Rundreise denn zustande gekommen?
Das wäre sehr geil, wenn uns 2018 das eine oder andere Festival buchen sollte, denn da wollen wir "Omnivore" weiter präsentieren und werden definitiv auch neue Songs am Start haben, denn in der zweiten Jahreshälfte 2017 geht's wieder intensiver ans Songwriting - doch das ist Zukunftgeplänkel. Die "Plague From The Undground"-Tour-Idee entstand Mitte 2016 mit den Jungs von Surface aus Hamburg und den Kollegen von Godskill und Awaiting Downfall. Zusammen haben wir in der gesamten Republik Clubs und Veranstalter angeschrieben und unser Package beworben - herausgekommen ist dann die Tour, die im Januar startete und im Juni endet. Nicht jede Band wird jede Show mitspielen, da alle werktätig sind und mitunter Familie haben. Letztendlich haben wir alles selbstständig organisiert. wir mit Torturized steigen jetzt am 04.03. in Karlsruhe in die Tour mit ein. wir freuen uns schon riesig.
Aus einer früheren Eintragung in den Metal Archives wissen Eingeweihte, dass Torturized aus den Resten der Band „Angenehm halbsteif“ hervorgegangen ist. Die Tränen hierüber, die ich bereits vor Lachen vergossen habe, werden versiegen, wenn Du mir mal erklärst, wie DAS zustande kam…
Jetzt gräbst Du in meiner Vergangenheit he he - "Angenehm Halbsteif" war meine erste Band, unser erster Drummer und ich waren 1996 mit bunten Haaren und Iro-Frisur sehr punkig unterwegs und dachten, das wäre ein lustiger Name für eine Spaßpunkband. Im Laufe der Jahre beherrschten wir unsere Instrumente besser, unser Musikstil änderte sich mehr und mehr und 2001 trafen wir uns mal wieder und beschlossen, unserer Leidenschaft, dem Metal nachzugehen - zwischenzeitlich war ich in der Death-Metal-Band "Resister" aktiv - aber seit 2001 gab es dann nur noch Torturized und das ist bis heute so.
Siggi, die Leute wissen ja schon durch die Einleitung und das aufmerksame Lesen unseres Magazins, dass Du auch Redakteur bei uns bist. Deshalb möchte ich Dich nun zum Abschluss bitten, für unser Interview die passende Überschrift festzulegen…
Ich danke dir erstmal für Deine Zeit und Deine Fragen. als Überschrift würde ich vorschlagen: Death Metal aus Leidenschaft, nicht nur Bandkollegen, sondern Freunde! Das fasst Torturized am besten zusammen.