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Q&A - Das Interview: BRAINSTORM
Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu singen!
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Manche Bands versuchen sich ständig neu zu erfinden – BRAINSTORM hingegen bleiben sich treu und liefern genau das, was sie am besten können: fetten, kompromisslosen Heavy Metal. Mit „Plague of Rats“ haben die Schwaben wieder ein Album abgeliefert, das keine Kompromisse macht – kein unnötiger Schnickschnack, keine Balladen, nur pure Power. Dazu gibt’s spannende Themen aus der indischen Mythologie, hochkarätige Gastauftritte und eine wuchtige Produktion von Seeb Levermann.
Grund genug, mit Andy B. Franck über das neue Album, die Entstehung der Songs, ihre Gäste, das Coverartwork – und natürlich die Frage zu sprechen, warum sie Berlin immer wieder links liegen lassen. Bühne frei für Brainstorm!
Hey Andy, schön, dass du dir die Zeit nimmst! „Plague of Rats“ ist am Anrollen – wie fühlt es sich an, das Biest am 28.02.2025 von der Leine zu lassen?
Ganz ehrlich? Ich mache zehn Kreuze, wenn der Tag endlich durch ist! Es ist immer ein krasses Gefühl, ein neues Album loszulassen. Die Zeiten haben sich einfach verändert – heute liegt nach den Aufnahmen vieles nicht mehr in unseren Händen, sondern bei Labels, Bookern und Promotern. Eigentlich beginnt nach der Musik die richtige Arbeit: monatelang Marketing, Promo, Interviews, Abstimmungen mit der Plattenfirma, Booking-Stress – da kommt man aus dem Organisieren gar nicht mehr raus. Musik machen ist der positive Stress, der ganze andere Kram ist der negative.
Aber egal, wie viel Wahnsinn dazwischenliegt – am 28. Februar bin ich einfach froh, wenn der ganze Zirkus vorbei ist und das Album draußen. Ich liebe euch Schreiberlinge und die Presse, das ist alles cool, aber das wichtigste Feedback kommt von den Fans. Wenn die ersten Nachrichten eintrudeln, mein Postfach mit wilden Kommentaren geflutet wird, dann weiß ich, dass es sich gelohnt hat. Darauf freue ich mich schon tierisch!
Auf dem neuen Album gibt es keine unnötigen Intros, keine Balladen, keinen akustischen Firlefanz – hier wird einfach gnadenlos abgeliefert. War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das einfach so entwickelt?
Das ist witzig, weil ich genau diese Frage ständig höre: „Warum keine Balladen? Warum kein Schnickschnack?“ Aber für mich war das diesmal einfach die logische Konsequenz aus dem, was nach „Wall of Skulls“ passiert ist.
„Wall of Skulls“ kam mitten in der Corona-Zeit raus – eine Phase, in der alles stillstand. Keine Tour, keine Möglichkeit, das Album live zu feiern, nur Verzögerungen und Frust. Ich glaube, diese neue Platte ist ein direktes Ventil für all die angestaute Energie. Wir wollten einfach nur raus, loslegen, Dampf ablassen – und das spiegelt sich eben in den Songs wider.
Ich bin kein Freund davon, künstlich etwas in die Länge zu ziehen. Im Studio mit Seeb haben wir uns ganz bewusst für einen kompakten, auf den Punkt gebrachten Sound entschieden. Alles, was nicht direkt geknallt hat, haben wir rausgeworfen. Das Album musste direkt zünden, live funktionieren – das war der Maßstab. Es war also keine reine Kopfentscheidung, sondern eine Mischung aus Bauchgefühl und musikalischer Notwendigkeit.
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Nach „Soul Temptation“ greift ihr erneut indische Mythen auf. Wie kam es dazu, und was fasziniert euch an den Geschichten um Garuda und Krishna?
Eigentlich zieht sich dieses Thema schon seit meinem Einstieg bei Brainstorm durch unsere Musik. Bereits auf „Ambiguity“ gab es mit „Maharaja Palace“ einen Song, und „Soul Temptation“ hatte mit der „Trinity of Lust“ eine kleine Trilogie. Damals ging es mehr um Fantasy-Elemente, aber jetzt greifen wir mit „Gitagovinda“ und „Garuda“ echte Mythologien auf, die tief in der indischen Kultur verwurzelt sind. Viele Fans haben gefragt, ob wir das nochmal aufgreifen – und ich hatte selbst das Gefühl, dass es wieder an der Zeit war. Irgendwie passt dieser epische, mystische Stil perfekt zu unserer Musik. Ich kann gar nicht genau erklären, warum, aber die Harmonien, die Thematik – das funktioniert einfach.
Und dann habe ich etwas Gemeines gemacht: Ich habe das Cover schon fertigmachen lassen, bevor wir mit dem Songwriting so richtig losgelegt haben. Das hatte den Effekt, dass die anderen im Studio ständig draufgeschaut haben und sich davon inspirieren ließen. Das hat ziemlich gut funktioniert. Ich glaube, dieser Stil zeichnet uns aus. Mir fallen nicht viele Bands in unserem Genre ein, die sich mit solchen Themen so wohlfühlen wie wir. Aber wir haben einfach Bock drauf – und ich liebe diese Mythologie!
„Garuda (Eater of Snakes)“ ist ein mächtiges Midtempo-Monster mit donnernden Riffs, während „Shepherd Girl“ episch und melodisch daherkommt. Wie wichtig ist euch diese Balance zwischen Härte und Eingängigkeit?
Ich glaube, das ist etwas, was Brainstorm schon immer ausgezeichnet hat. Wir sind definitiv eine harte Band, aber ich komme ursprünglich aus noch extremeren Metal-Gefilden – zumindest als Hörer. Nur leider kann ich nicht richtig brüllen. Deswegen bleibt mir nichts anderes übrig, als zu singen. Tut mir leid. (lacht)
Bei manchen ist es genau umgekehrt.
Ja, genau! Und wenn du diese Songs Abend für Abend spielen musst, dann ist es essenziell, dass du dabei auch Spaß hast. Diese Kombination aus Härte und Melodie, die es den Leuten ermöglicht mitzusingen, macht es einfach aufregender, das Ganze live zu performen. Deswegen sorgt genau diese Mischung dafür, dass es niemals langweilig wird, die Songs zu spielen.
Die Gitarrenläufe auf „Plague of Rats“ sind einfach nur brachial, und dein Gesang klingt so stark wie eh und je. Gab es im Studio Momente, in denen ihr dachtet: „Verdammt, das ist das Beste, was wir je gemacht haben“?
Dieses Gefühl hast du fast bei jedem Album (lacht) Der Unterschied diesmal: Schon bei „Midnight Ghost“ haben wir mit Seeb gemerkt, dass da ein neuer Spirit reinkommt. Das tat uns verdammt gut! Nach so vielen Platten fängst du irgendwann an, in deiner eigenen Suppe zu schwimmen. Da braucht es frisches Blut. Es gibt natürlich zwei Möglichkeiten: Entweder ich feuere einfach alle Bandmitglieder und hole mir neue – oder ich finde eine weniger drastische Lösung. (lacht) Und Seeb war da einfach die beste Wahl. Ich kannte ihn bereits, und er hat mit seinen Einflüssen verdammt viel zum Sound beigetragen. Durch ihn klingen unsere letzten drei Alben alle eigenständig, aber trotzdem unverkennbar nach Brainstorm.
Für mich ist das Wichtige: Wenn ich einen Song von „Plague of Rats“ höre, erkenne ich nach drei Sekunden sofort, dass er von genau diesem Album stammt. Und das gilt auch für die anderen Platten mit Seeb. Das gibt dem Ganzen eine klare Handschrift – und genau das liebe ich an der Zusammenarbeit mit ihm.
Ich musste gerade grinsen, als du gesagt hast: „Ich hätte ja die ganze Band feuern können, dann hätte ich auch frisches Blut gehabt.“ Du bist der zweitjüngste in der Band mit Baujahr 1999. Die anderen drei sind seit der Gründung 1989 dabei. Euer Bassist ist neu. Das wäre ein bisschen dreist gewesen, oder?
Nach 25 Jahren? Ach, das hätte ich schon irgendwie vertreten können. (lacht laut) So schürt man Gerüchte!
Mit Elina Siirala und Alex Krull habt ihr zwei hochkarätige Gäste auf dem Album. Wie kam die Zusammenarbeit zustande, und was haben die beiden zu den Songs beigetragen?
Beim letzten Album hatten wir mit Peavy und Seeb zwei Power-Metal-Stimmen als Gäste. Das war cool, aber diesmal wollte ich es anders – etwas Eigenständigeres, Besonderes. Da kam mir die Idee: Eine Frauenstimme wäre geil. Und dazu etwas Düsteres. Ich kenne Alex Krull seit 35 Jahren – wir haben als Teenager in der Rockfabrik Ludwigsburg abgehangen, während er mit Atrocity seine ersten Schritte machte. Ich fand ihn immer super. Nur konnte ich halt nicht growlen, also musste ich eben singen. Lustigerweise haben wir musikalisch nie etwas zusammen gemacht, obwohl wir uns immer super verstanden haben. Und dann sitze ich da und überlege: „Holst du jemanden aus Schweden? Oder aus den USA?“ Bis ich mir irgendwann an den Kopf fasste: „Alter, der Typ wohnt drei Ortschaften weiter!“ Dann haben wir uns kaputtgelacht und beschlossen: Machen wir ein Schwaben-Ding! (lacht)
Elina kam ins Spiel, weil ich 2016 eine Show mit ihr gesehen habe. Vorher konnte ich mit Leaves’ Eyes nicht viel anfangen, aber als sie einstieg, fing ich an, die Band richtig cool zu finden. Ich wollte ihre Stimme allerdings etwas anders einsetzen, als man es von ihr gewohnt ist – das fand sie erst ungewohnt, aber sie hat es sensationell umgesetzt.
Beide Stimmen verleihen dem Album eine besondere Note. Der Einstieg von Alex, der von Elina – das sind genau die Momente, die es für mich so einzigartig machen. Ich wollte Songs, die es so nur auf diesem Album gibt. Und das haben wir geschafft.
Das Coverartwork ist ziemlich düster und eindrucksvoll. Was steckt dahinter, und wie lässt es sich mit dem Albumtitel „Plague of Rats“ verbinden?
Ich finde, Gyula hat mal wieder ein unfassbar geiles Ding abgeliefert. Ehrlich gesagt, jedes Mal, wenn er mir eine Mail schickt – also Gyula Havancsak ist ja so ein Schlamper, das dauert ewig, bis da was kommt. Wir haben eine supergeile E-Mail-Konversation, die sich über Seiten zieht. Ich erkläre ihm, was ich mir vorstelle, er spiegelt mir zurück, was er verstanden hat. Dann kommt irgendwann eine Skizze, und ich denke mir: Hat er überhaupt zugehört?
Dann schreibst du wieder ein paar Seiten, es herrscht Funkstille für drei, vier, fünf Wochen – und plötzlich ist das fertige Cover da, das einen einfach umbläst. Der Typ ist einfach phänomenal. Egal, was ich mit ihm gemacht habe, es war immer der Hammer.
„Plague of Rats“ hat natürlich diesen indischen Mythologie-Touch – Ratten spielen dort eine große Rolle, waren früher Symbol für Macht und Einfluss. Aber für mich hat der Titel noch eine tiefere Bedeutung. Ich sehe darin auch eine politische Metapher. Ich bin der Meinung, dass wir heutzutage unsere eigene Art Rattenplage erleben – wir werden unterwandert von Strömungen, von, ich nenne es mal, „Krankheitsüberträgern“. Man muss aufpassen, dass man nicht selbst zum Opfer dieser Plage wird. Also ja, das Cover passt zur indischen Mythologie, hat aber auch eine sehr aktuelle Bedeutung. Und für mich war von Anfang an klar: Das muss der Albumtitel sein.
Ihr habt über die Jahre viele Klassiker geschaffen. Gibt es einen Song auf „Plague of Rats“, der sich in Zukunft sicher im Live-Set festsetzen wird?
Garuda dürfte mit ziemlicher Sicherheit bleiben. Ich könnte mir auch vorstellen, dass The Shepard Girl gute Chancen hat. Schnelle Songs wie Beyond Enemy Lines funktionieren immer gut – aber ich denke, Garuda und Gita Gewinner, also The Shepard Girl, sind die großen Highlights des Albums. Die repräsentieren unser Ding einfach perfekt. Die beiden haben definitiv eine Dauerkarte für die Setlist gelöst.
Eure Mucke lebt von Power und Energie – genau das erwartet man von euch auf der Bühne. Warum macht ihr konzerttechnisch trotzdem einen Bogen um Berlin? Ich will euch endlich mal wieder live sehen!
Keine Ahnung, warum das so ist. Ich glaube, für kleinere bis mittlere Bands ist Berlin einfach schwierig, weil es ein massives Überangebot an Konzerten gibt. Wenn du in Berlin spielst, konkurrierst du mit einer Flut von Bands, die tagtäglich irgendwo auftreten. Und obwohl unsere Art von Metal dort gar nicht so überpräsent ist, ist es schwer, sich gegen die Großen durchzusetzen. Das haben mir auch Booking-Agenturen gesagt. Schade eigentlich, denn wir hatten in der Columbia-Halle immer geile Abende. Die Stimmung war super, das Publikum ist da. Wir müssen bloß mal wiederkommen.
Gut. Schreibt euch das hinter die Ohren.
Die sind groß genug! (lacht laut)
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Wenn ihr einen Song aus eurer gesamten Diskografie wählen müsstet, der BRAINSTORM perfekt zusammenfasst – welcher wäre das und warum?
Oh, das ist schwer. Einer meiner Lieblingstracks ist End in Sorrow, aber der ist eigentlich untypisch für uns. Highs Without Lows von The Soul Temptation wäre ein guter Kandidat – geht in die Richtung von Ravenous Minds vom Midnight Ghost Album. Das Melodiöse, das Uptempo, aber auch trotz teils negativer Texte eine gewisse positive Power – das sind unsere Stärken, und die kommen in diesen Tracks super rüber.
Apropos Power: Ich hätte jetzt noch eine Fußballfrage gehabt, aber die klemme ich mir wohl.
Ach komm, lass raus!
Na gut. Hertha BSC hält sich ja gerade so über Wasser. Als VfB-Fan: Würdest du dir Traditionsmannschaften wie Hertha, Schalke oder den HSV wieder in der ersten Liga wünschen?
Auf jeden Fall! Mannschaften wie Hertha, Schalke und der HSV gehören für mich in die Bundesliga. Wenn ich sehe, wie bummsvoll die Fanblöcke sind, wenn diese Teams irgendwo spielen, dann ist das einfach was anderes als bei manchen Erstligisten, wo am Samstagnachmittag 150 Nasen im Block stehen. Und ja, ich wünsche mir natürlich, dass der VfB stabil bleibt. Aber wir wissen alle, dass es da auch oft Glück braucht. Aber ihr Berliner packt das!
Wer es glaubt, wird selig. Aber immerhin gibt es nächstes Jahr ein Spitzenspiel: Elversberg gegen Heidenheim! Ein neues Clasico! (Gelächter)
Guck mal, was wir aus eurem Maxi Mittelstädt gemacht haben...
Schluss jetzt. Letzte Frage... (Gelächter) Gibt es etwas, das ich vergessen habe zu fragen? Oder etwas, das ihr unbedingt loswerden wollt?
Du wolltest sicher wissen, ob ich mich bei den Fans bedanken will. Und ja, das will ich!
Unsere Fans sind das Konstante in unserer Karriere. Die nehmen weite Strecken auf sich, um uns zu sehen. Das ist ein Gefühl, das ich nie für möglich gehalten hätte.
Hört euch das neue Album an, schaut euch die Videos an! Die Special Edition hat neben der CD auch eine DVD, wo Leute zu Wort kommen, die hinter den Kulissen arbeiten. Sehr unterhaltsam! Vielen Dank an euch alle – wir sehen uns bald!