JUDAS PRIEST | URIAH HEEP
08.08.2018 - Dortmund @ Westfalenhalle
Bei strahlendem Sonnenschein und hochsommerlichen Temperaturen hatten JUDAS PRIEST und ihr Support URIAH HEEP in die Westfalenhallen zu Dortmund geladen. Vor der Halle tummelten sich so allerlei Menschen in diversen schwarzen T-Shirts. Auffällig dabei war direkt die große Alterspanne, die sie abdeckten. Ich kam mir in meinem zweimal getragenen „Firepower“-Shirt etwas grün hinter den Ohren vor, als ich neben einem ein verwaschenes „Defenders of the Faith“-Shirt tragenden Recken herging. Das zeigt, welche Zielgruppe Priest ansprechen: nämlich ohne Einschränkung alle, die mit ihrer Musik was anfangen können.
Im Vorfeld war ich allerdings etwas konsterniert, weil bei früheren Konzerten der Tour MEGADETH als Support gelistet waren, mit denen ich persönlich mehr als mit URIAH HEEP anfangen kann. Zu sehr hatte ich wohl befürchtet, dass letztere mit alten Westerngitarren immer wieder „Lady in Black“ spielen würden. Doch dies gleich vorweg: das Stück kam gar nicht erst vor. Sich ihrer Rolle als Anheizer bewusst, zeigte die Band von Anfang an eine deutlich vernehmbare Spielfreude, die schnell Anklang beim Publikum fand.
Nach dem ersten Drittel des Sets erzählte Sänger Bernie Shaw, dass er eben hinter der Bühne von Rob Halford darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass an diesem Abend fast hundert Jahre Rockgeschichte auf der Bühne zu sehen seien. Dass URIAH HEEP und allen voran ihr Urgestein und Gründungsmitglied Mick Box an der Gitarre zum alten Eisen gehören, ist zum Glück nur äußerlich erkennbar. Was die Band nämlich musikalisch auftischte, war frisch, spritzig und höchst energiegeladen. Durch freundliche Ansagen von Herrn Shaw kann ich bis dato Ahnungsloser berichten, dass URIAH HEEP ein buntes Sammelsurium an Songs vortrugen, das die gesamte Spannbreite der langen Bandgeschichte abdeckte. Dabei spielten sie sich in einen Rausch, der auch das Publikum ansteckte. Neben dem erwähnten souveränen Gitarrenspiel ist auch die gesangliche Leistung nicht zu unterschätzen. Es schien mir, als hätte Shaw erst ein wenig warm werden müssen, bevor er seine Klasse vollends unter Beweis stellen konnte. Auffällig waren auch die dezent, aber effektiv gesetzten Backgroundgesangspassagen, die gerne auch mal vierstimmig angesetzt wurden. Die Songs gewannen eine klangliche Tiefe und Breite, eben was man von einer sauguten Rockband gerne hört.
Immer wieder übernahm die Hammondorgel das Gros des Klangteppichs. Phil Lanzon übernahm an der Schweineorgel aber neben Mick Box auch Solopassagen. Im Hintergrund verpasste Schlagzeuger Russel Gilbrook seinem Set eine ordentliche Tracht Prügel, dass es eine reine Freude war. Hier passte alles zusammen, und selbst einem Novizen wie mir wurde schnell klar, dass ich hier einen selten delikaten Leckerbissen an Rockmusik serviert bekommen habe.
Ich bin seit diesem Auftritt von URIAH HEEP sehr positiv angetan, weil ich exzellent unterhalten wurde und auf diese Weise nicht nur das „Lady in Black“-Trauma etwas habe kurieren können.
Die nun folgende, etwas längere Umbaupause, in der die Bühne für JUDAS PRIEST präpariert dekoriert und dekoriert wurde, wurde der Leistung der Vorband allerdings in keiner Weise gerecht. Da spielt eine Band auf höchstem Niveau und heizt die Stimmung in absolut kollegialer Weise an, nur damit durch eine lange Umbauzeit diese Spannung wieder abebben muss. Das geht bei allem Anspruch auf ein eigenes Bühnenbild deutlich reibungsloser und verleiht der Dramaturgie eines solchen Konzerts mehr Schwung. Die meisten Besucher nutzten indes diese Pause, um sich an den vielen Bierständen oder bei mobilen Fassschleppern Nachschub zu holen. Na, immerhin kam so auch jeder pünktlich zurück, der in selten erlebter Weise vor den Herrenklos anstehen musste.
Deutlich lauter als das übliche Hintergrundgeplärr kündigte die Einspielung des BLACK SABBATH-Klassikers „War Pigs“ den Beginn des Auftritts von JUDAS PRIEST an. Wie würde Halfords gesangliche Leistung sein? Konnte Andy Sneap wirklich den im Vorfeld der Tournee zurückgetretenen Glenn Tipton ersetzen? Ein Knall, der Vorhang, der bislang die Bühne mit prägnanten Zitaten aus PRIEST-Songs und dem Logo verdeckt hatte, wurde abrupt nach hinten weggezogen und die ersten Riffs von „Firepower“ lösten Jubel aus. Direkt auffällig war, dass Rob Halford sich leicht nach vorn gebeugt wenig von seiner Monitorbox entfernte. Ob da ein Teleprompter zur Textsicherheit beitrug? Egal, so pingelig will ich nicht sein. Weiterhin auffällig war die etwas statische Aufstellung der Band. Links (und rechts vorne, zum Teil auf kleinen Podesten, die Gitarren, hinten über allem thronend Scott Travis am Schlagzeug, dessen Toms einen unglaublich wuchtigen Sound hatten, dass man jeden Schlag wohlig im Zwerchfell spüren konnte. Etwas nach rechts hinten versetzt Ian Hill am Bass und zentral, mal an der Monitorbox, mal die ganze Bühne ausnutzend Rob Halford, Metal God. Alle Songs krieg‘ ich nicht mehr auf die Reihe, aber auch PRIEST präsentierte dem Publikum eine ganze Bandbreite an Material aus den Siebzigern (jaaa, sie haben „Sinner“ gespielt), den Achtzigern („Turbo Lover“, „You’ve got another Thing coming“, „Living after Midnight“) und dem besten von heute. Von dem Mix könnten sich lokale Radiostationen mal ‘ne Scheibe abschneiden. Alle Songs knallten ordentlich und wirkten frisch neben dem aktuellen Material (wie erwähnt „Firepower“, „Guardians/ Rising from Ruins“ oder „Lightning Strike“). Wenn ich überlege, wie alt manche der Schätzchen sind, zeigt das nur, wie gut auch die älteren Songs immer noch sind.
Was war nun mit Rob Halfords Gesang? Konnte er immer noch seine infernalischen Screams einsetzen? Wie hat er die Songs rübergebracht?
Ich finde sehr gut... in den meisten Fällen. Keinen Zweifel lässt er an Songs mit gesanglich tieferen Passagen. Das zeigt sich schon auf der aktuellen Platte. Als nach einer guten Stunde voller Priest-Klassiker die Projektion im Hintergrund eindeutig das Cover der „Painkiller“-Scheibe zeigte und Scott Travis das Publikum etwas suggestiv fragte, was es denn nun hören wolle, tischte die Band tatsächlich „Painkiller“ auf. Erhofft hatte ich es, erwartet aber ehrlich gesagt nicht. Der Song ist einfach zu sehr eine Ausnahmeerscheinung, ein Meilenstein in allen Belangen, um ihn live zur Debatte zu stellen.
Nüchtern betrachtet musste Halford an diesem Stück also zwangsläufig scheitern. Quer über das Motorrad gebeugt, mit dem er tatsächlich bei „Turbo Lover“ auf die Bühne gefahren war, krächzte er sich mehr schlecht als recht durch den Song.
Diese Kritik ist jedoch zu tölpelhaft vorschnell und unüberlegt barsch, denn gerade bei der zuvor über eine Stunde erbrachten mitreißenden Performance und angesichts des absoluten Ausnahmecharakters des Songs und der dafür erforderlichen gesanglichen Voraussetzungen, braucht sich Mr Halford in meinen Augen nicht zu verstecken. Sich wirklich „Painkiller“ zu stellen, vielleicht sogar in dem Wissen, dass es um eine einmalige live-Darbietung geht und nicht um eine bearbeitbare Studioaufnahme vor gut 28 Jahren, hat meine Anerkennung verdient, da die Freude, den Song live zu hören, deutlich alle Kritik überwiegt.
Außerdem habe ich noch kein Wort über die Gesamtleistung der Band verloren, die bis dahin und auch danach ihre uneingeschränkte Weltklasse bewies. Allen voran Richie Faulkner, der immer wieder auch das Publikum nach vorne peitschte, spielte makellos und hatte ganz offensichtlich einen Heidenspaß, als Lead-Gitarrist auf der Bühne zu stehen.. Selbiges gilt für den deutlich unauffälligeren Andy Sneap, der sich immerhin in mehrstimmigen Solopassagen etwas in den Vordergrund spielte. Das schien Ian Hill am Bass weniger wichtig, weil er, sich seiner Sache sicher und in größter Seelenruhe, offensichtlich Spaß am Konzert hatte. JUDAS PRIEST waren in Dortmund eine Bank und spielten alte wie neue Songs in souveräner Weise. Dass dies dem Publikum gefiel, bestätigte nicht nur der tosende Beifall, sondern auch die im Verlauf des Konzerts immer lauter werdenden „Priest, Priest, Priest“-Rufe, die durch die gut gefüllte, aber nicht ausverkaufte Halle schallten.
„Painkiller“ war aber noch nicht das Ende des Konzerts. Für die nun folgenden drei Stücke, eines davon „Breaking the Law“, kam Glenn Tipton höchstpersönlich auf die Bühne. Getarnt mit einer Sonnenbrille und einem schwarzen Baseball-Cap garnierte er den Abend zur Überraschung der Fans mit seinem Beitrag. Für viele im Publikum wirkten die drei Songs nicht wie die Zugabe, weswegen sie etwas verdutzt schauten, als die Band danach die Bühne verließ, das Licht anging, und Freddy Mercury aus den Boxen „We are the Champions“ schmetterte.
Zusammenfassend bleibt mir zu bemerken, dass mir der Abend mit JUDAS PRIEST sehr gefallen hat, dass mich URIAH HEEP sehr positiv überrascht haben und dass ich beiden Bands und ihren Fans noch viele solcher Auftritte gönnen würde.