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Live on Stage Report: EVERGREY | KLOGR | VIRTUAL SYMMETRY
24.11.2024 – Berlin @ Astra
3 Tage volles Programm hinterließen schon ein wenig Spuren und in mir gärte der Gedanke, einfach die den ganzen Tag getragene Jogginghose einfach anzulassen, um am Abend den Schwedischen Progressive Metallern von Evergrey meine Aufwartung zu machen. Da aber bereits der legendäre Karl Lagerfeld behauptete, dass man mit der bequemen Hose am Leib die Kontrolle über sein Leben verloren, schlüpfte ich doch noch in eine Jeans und machte mich auf den Weg in Lido.
Dort angekommen wunderte ich mich, dass nicht mehr Fans den Weg nach Kreuzberg gefunden hatten, was aber sicherlich aber auch dem Umstand geschuldet war, dass in der zurückliegenden Woche eine Menge Bands ihre Visitenkarte in der Hauptstadt abgegeben hatten. Mir sollte es recht sein, da ich heute kein Bock mehr auf Gedränge hatte und somit Virtual Symmetry in Ruhe genießen konnte.
Die 2009 gegründeten Schweizer Proggies legten auch gut los, richteten den Fokus auf ihr in diesem Jahr veröffentlichtes Album „Veils of Illumination“ und konnten damit beim Publikum durchaus ein paar Punkte sammeln. Und wer mit dem Terminator-Theme als Intro startet, hat eh sofort meine Aufmerksamkeit. Die Truppe um Frontmann Marco Pastorino machte Spaß und die durchdachten Songs und ihre trotz aller Progressivität gut ins Ohr gehenden Kompositionen sorgten für einen spannenden Auftakt in diesen Abend, der mit viel ernstgemeintem Applaus seitens der bereits anwesenden Zuschauer bedacht wurde.
Die Italiener von Klogr waren mir im Vorfeld gar kein Begriff und ich war gespannt, was mich erwarten würde. Natürlich hatte ich im Vorfeld ein wenig Recherche betrieben und mir in Vorbereitung ein paar Songs angehört, die allerdings nicht so recht zünden wollten. Live allerdings hat mich das Quartett aus der Emilia-Romagna richtig abgeholt. Das lag zum einen an dem megafetten Sound, der den Boden zum beben brachte und zum andere an der fast schon hypnotisch wirkenden Bühnenpräsenz von Frontmann und Gitarrist Gabriele Rustichelli, der völlig ausgelassen während und zwischen den Songs erzähltem berichtete, die Songs erklärte und ganz nebenbei mächtig den Sechssaiter bearbeitete.
Dazu waren links und rechts Monitore auf der Bühne montiert, die mit Filmsequenzen die jeweilen Songs untermalten. Es fiel allerdings schwer beim vorletzten Song dem visuellen Beiwerk zu folgen, denn wer sich mit Klogr etwas näher auseinandersetzt wird feststellen, dass sich die vier Bandmitglieder sehr für Sea Shepherd und Umweltschutz engagieren und dementsprechend ein Video abspielten, bei dem viele Meeres Säugetiere abgeschlachtet wurden. Kaum erträglich, aber leider Realität in einer kranken Welt, worauf Fronter Rusty mehrfach aufmerksam machte. Visuell und musikalisch ein starker Auftritt, den ich mir auch zukünftig noch einmal geben würde. Das Publikum war ebenfalls mehr als angetan.
Nun aber sollte es mit dem Headliner weitergehen und ja, wer mich kennt weiß, wie oft ich in der Vergangenheit über den vertonten Weltschmerz von Evergrey gelästert, teilweise auch fast bösartig hergezogen habe. Das hat sich seit nunmehr fast 5 Jahren vollständig geändert und ich bin zu einem beinharten Fan von Tom Englund und seinen Mannen mutiert, die ich an diesem Abend erstmal mit ihrem neuen Schlagwerker Simen Sandnes sehen sollte. Um es vorwegzunehmen: Der Mann hat ex-Drummer Jonas Ekdahl, mit dem ich ja in diesem Jahr ein ausführliches Interview führen durfte, gänzlich in den Schatten gestellt und förmlich an die Wand gespielt. Witzig war vor dem Gig zu beobachten, wie sich die Stagecrew auf Kisten stellen musste, um das Mikro für den Riesen Englund korrekt herzurichten.
Mit einem Countdown wurde dann eingezählt und das Konzert startete mit „Falling from the Sun“, einem meiner absoluten Favoriten vom neuen Album „Theories of Emptiness“, gefolgt von „Say“ und dem Jahrhunderthit „Midwinter calls“. Jesses…gleich drei Perlen zu Beginn des Sets, was könnte da noch kommen? Hatten Evergrey vielleicht gleich zu Beginn ihr Pulver verschossen? Wohl kaum und wie man dem dauergrinsenden Tom entnehmen konnte, sollten die Schweden noch einige Granaten zünden.
Auch hier wurde die Band flankiert von drei großen Videobildschirmen, die zu jedem Song anders eingesetzt wurden und somit ein großartiges Bühnenbild generierten. Der Sound war megabrutal, aber dennoch klar und differenziert. Um ehrlich zu sein habe ich in diesem Jahr kaum einen besseren Sound erlebt, was bei den überbordenden Kompositionen der Mannen aus Västra Götaland für noch mehr Erlebnis sorgte.
Gab es musikalische Ausreißer? Nicht einen, im Gegenteil. Wo ich auf Konserve nicht unbedingt ein riesiger Fan von „One Heart“ oder „Our way through silence“ war, entpuppten sich die Teile als absolute Live-Bomben, die ohne Umwege einschlugen und sofort zum Mitsingen animierten. Überhaupt war die Auswahl der vorgetragenen Stücke unfassbar gut. „Eternal Nocturnal“ oder „Weightless“ als zeitlose Klassiker, gepaart mit neueren Hymnen wie „Call out the Dark“ oder „Misfortune“ wurden nicht nur gespielt, sie wurden zelebriert und das Publikum feierte jedes Stück gnadenlos ab.
Ich hatte mehrfach während des Gigs den Eindruck, dass Tom irgendwie erleichtert, ja geradezu gelöst wirkte und mehr lachte als sonst. Lag es vielleicht an der exzellenten Performance des neuen Drummers, der zeitweise im Stehen spielte? Könnte ich mir fast denken, denn wie bei Tankard 2 Wochen vorher scheint der Wechsel hinter der Schießbude für frischen Wind gesorgt zu haben.
Können Evergrey live schlecht? Vielleicht und wenn, habe ich es bislang noch nicht sehen können. Auch an diesem Abend begeisterten mich die Schweden bis ins Mark und verleiteten mich sogar zu einem Hoodie-Kauf, welcher vor 5 Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Ein großartiges Konzert und ein mehr als würdiger Abschluss meiner kleinen 3-Tage-Konzert-Tournee, die ich dann doch nicht in Jogginghose beendete.