KEIN FREUND VON ZWEITEN TEILEN
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Meine Güte, was muss das für ein Gefühl sein! Seit Beginn der Karriere von Paradox überschlugen sich die Kritiker mit überschwänglichen Lobeshymnen, verglichen die Truppe mit den Großen der Szene und attestierten 1989 bei Erscheinen des “Heresy” Albums Charly Steinhauer und seinen Kollegen eine Karriere in der Größenordnung Metallicas. Tja, wir wissen, wie das ausgegangen ist.
Dennoch waren Paradox immer präsent und trotz einer Pause von sieben Sommern Anfang der Neunziger wurden immer wieder sehr gute bis herausragende Alben in den Äther gejagt. Nun allerdings hat der sympathische Würzburger sein Meisterstück abgeliefert und erzählt auf ”Heresy II-End of a legend” erneut eine tolle und historisch fundierte Geschichte, die musikalisch fantastisch umgesetzt ist und gesanglich die beste Leitung des Herrn Steinhauer beinhaltet, die man nach einer nunmehr 35 Jahre andauernden Paradox Historie so nicht erwarten konnte.
Natürlich sind dies neben meinem euphorischen Review alles gute Gründe, endlich mal wieder mit der unterfränkischen Speed/Thrash Legende ein wenig zu plauschen und da wir beide uns seit einer gefühlten Ewigkeit kennen, schätzen und mögen entwickelte sich ein sehr interessantes und launisches Gespräch, bei dem Charly mehr als einmal vor Euphorie zu platzen drohte.
Charly, wie geht´s Dir? Wie ist das werte Wohlbefinden? Hast Du die Pandemie halbwegs gut überstanden?
Gesundheitlich geht es mir momentan ganz gut, wobei ich mich momentan ein wenig mit meinen Herzrhythmus Störungen herumplage, doch das mache ich ja nun bereits seit 30 Jahren. Das kommt halt ab und zu mal durch und hat nichts mit meiner früheren Operation zu tun. Ansonsten fühle ich mich natürlich gut, was auch mit dem neuen Album zusammenhängen könnte (lacht).
Von der Pandemie selbst war ich gar nicht so betroffen, weil ich genau zu dieser Zeit an der neuen Scheibe gearbeitet habe und somit von früh bis in die Nacht eingesperrt war. Ich war lediglich mal zum Einkaufen draußen, bin nie weggegangen und so dermaßen mit dem Album beschäftigt, das kann man sich gar nicht vorstellen. Ein Außenstehender würde sich an den Kopf fassen, was ich da für Stunden an Arbeit investiert habe.
Also quasi eine selbst auferlegte und gewählte Quarantäne?
Könnte man glatt so sagen, obwohl ich bereits vor Corona, und zwar im Juni 2019 damit begonnen habe, das erste Lied für das Album zu komponieren. Als das Album in seiner Rohfassung stand, ging es los mit der Pandemie. Ich habe dann mit dem Bearbeiten und den Aufnahmen begonnen, Olli hat seinen Bass eingespielt, also von Langeweile konnte ich da nicht sprechen, im Gegenteil. Ich war und bin auch jetzt natürlich noch mit dem Album beschäftigt. Ich mache Interviews, Promotion und Pausen waren und sind da tatsächlich Mangelware.
Obwohl Paradox seit einer gefühlten Ewigkeit zum Grundinventar des deutschen Speed/Thrash Metals gehört und Dein letztes Album „Pangea“ über 5 Jahre zurückliegt finde ich, dass Du musikalisch einmal mehr einen Quantensprung vollzogen hat. Im Gegensatz zu besagtem letztem Album hast Du sogar mächtig an der Geschwindigkeitsschraube gedreht. Überraschung geglückt, würde ich mal sagen…
Naja, so richtig sicher kann man sich bei den unterschiedlichen Geschmäckern heutzutage auch nicht mehr sein. Wir sind eine Band, die eigentlich genreübergreifend agiert und nicht mehr nur eine bestimmte Klientel bedient. Auch auf dem neuen Album findet man verschiedene Teile von Speed, Thrash oder Power Metal, doch man wird niemals alle Hörer zufriedenstellen können. Dennoch ist die Scheibe zu 100% Paradox und wenn man die Platte auflegt, weiß man sofort, um wen es sich da handelt.
Es ist natürlich schön, wenn man die alten Fans glücklich macht und neue hinzugewinnt, doch das ist nur möglich, wenn man sich als Komponist auch weiterentwickelt und auch mal über den Tellerrand hinausschaut, ohne allerdings die Wurzeln zu verlieren oder zu vernachlässigen. Und ja, ich gebe Dir Recht, es sind eine Menge wirklich schneller Songs auf dem Album, aber dennoch ist es ein guter Mix geworden, der keine Langeweile aufkommen lässt.
Nach „Pangea“ hast Du Dich ein wenig rar gemacht und man hat nicht allzu viel über Paradox lesen können. War dies das tiefe Luftholen vor dem neuen Album?
Das kann ich jetzt so nicht sagen. Als ich 25 war, wollte ich unbedingt der Allergrößte sein, komplett durchstarten mit allem, was dazu gehört. Heutzutage ist es so, dass ich nicht dafür arbeite, um meinen Bekanntheitsgrad zu steigern, sondern aus purer Leidenschaft. Ich brauche den ganzen Trubel nicht, aber dennoch fehlt mir der persönliche Kontakt zu den Fans. Aus diesem Grund werde ich in Zukunft so viele Konzerte wie möglich besuchen, um diesen Kontakt wieder herzustellen.
Ansonsten lebe ich tatsächlich ein wenig zurückgezogen und versuche, dem Stress und der Hektik zu entgehen. Natürlich will immer irgendwer was vom Charly Steinhauer, da ich die Band vor fast vier Jahrzehnten gegründet habe und der Sänger bin, aber dennoch…ja…ich bin ruhiger geworden…
Ruhiger und vielleicht ein wenig weiser?
Auch, klar. Ich treffe so manche Entscheidung beim Komponieren anders als früher und vor allem lasse ich keinerlei Mittelmäßigkeit mehr zu, keine Halbheiten und vertiefe mich bei dem Song, an dem ich dann arbeite, so sehr, bis ich sagen kann: Ja, das ist es! Trotzdem versuche ich noch eine Steigerung und noch eine Steigerung herbeizuführen und ich finde, dass hört man dem neuen Album an jeder Stelle an. Es entwickelt sich beim mehrmaligen Hören, denn für einen schnellen, einmaligen Durchlauf ist die Scheibe wirklich nicht gedacht.
Das Album ist eine Reise, ein Film und wenn man sich genügend Zeit dafür nimmt, entdeckt man immer wieder etwas Neues, etwas Spannendes und das ist die Nachhaltigkeit, die ich mir vorgestellt habe. Vielleicht ist es sogar das nachhaltigste Paradox Album ever.
Dennoch muss ich sagen, dass mich die Scheibe nach einmaligem Hören schon komplett weggeledert hat…
Das freut mich sehr…
Dennoch gebe ich Dir Recht, wenn Du sagst, dass man immer wieder Neues entdecken kann. Eine Sache allerdings hat mich am meisten beeindruckt, der Sound! Die Scheibe ist fett, klingt roh, unverbraucht, nicht glattpoliert und erinnert mich sehr an die Anfangstage von Paradox a’la „Product of imagination“.
Würde ich Dir jetzt die CD oder die Harmonys, ohne die Oberstimmen, die Chöre oder die zweistimmigen Gitarrenläufe schicken, also den Rough Mix, würdest Du Dich fühlen wie in den Achtzigern. Aber dennoch muss man sich auch weiterentwickeln, ohne sich dabei selbst zu kopieren. Deswegen klingt musikalisch „Heresy II“ auch gänzlich anders als „Heresy I“ und ich wollte mich auch nicht auf den eventuell noch vorhandenen Lorbeeren ausruhen, nur weil da Heresy draufsteht.
Ich wollte den Paradox Stil, meinen eigenen Stil, weiterentwickeln, festigen, doch das heißt jetzt nicht, dass ich nicht dazu in der Lage wäre, auch eine komplette, pure Achtziger Scheibe zu schreiben und aufzunehmen. Dennoch gehen mir dazu schon ein paar Ideen durch den Kopf…(lacht)
Beim ersten Heresy Album haben sich damals die Kritiker überschlagen, Euch in die Nähe der ganz Großen im Business gerückt. Wie kam es dann zu der Idee, Jahrzehnte später das Heresy Thema noch einmal neu aufzugreifen?
Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich eigentlich gar kein zweites Heresy Album machen wollte. Ich hatte das gar nicht auf dem Schirm. Doch während den Arbeiten an „Pangea“ hat mir der Peter Vogt mitgeteilt, dass er seit ein paar Jahren eine Story in der Schublade zu liegen hat, die ähnlich geartet wäre, wie das erste Album. Nur das es diesmal eine andere Geschichte wäre und ich solle mir das mal anschauen.
Nun war ich aber komplett mit „Pangea“ beschäftigt und das hätte nicht gepasst, doch ich fand das sehr interessant und bat ihn, dass mal für eine Weile zur Seite zu legen. Meine Schwierigkeit war, einen Ansatz für einen zweiten Teil zu finden, da ich kein Freund von zweiten Teilen bin, vor allem, weil es musikalisch auch anders sein muss. Doch Peters Geschichte hat mich nicht losgelassen und somit begann ich 2019 mit den Arbeiten. Ich finde das Oberteil, wieder mit Peter zu arbeiten, da er ja auch bei “Product” und dem ersten Heresy mit an Bord war. Mehr oldschool geht doch nicht, oder? (lacht).
Ich wunderte mich aber doch ein wenig, denn auf den letzten Alben war ja immer der Daxx (ex-Vendetta) als Texter mit an Bord...
...und wir sind auch immer noch gut befreundet, da er einfach ein toller Mensch ist. Doch er wusste schon vorher, dass ich diesmal thematisch halt was anderes machen werde. Wie es in Zukunft weitergehen wird, weiß ich auch noch nicht, aber es macht immer Spaß, mit ihm zu arbeiten, da er auch total oldschool ist.
Dann erzähle mir doch mal ein wenig über das textliche Konzept. Ich weiß nur, dass es sich um eine weitere Geschichte im Rahmen des Albigensrkreuzzug handelt. Allerdings gebe ich auch zu, dass ich mich selten mit einem Booklet hinsetze und den Texten folge...die Mucke muss in allererster Linie knallen.
Du wirst lachen, aber so geht es mir als Musiker auch. Als ich als Bub anfing, die Musik zu hören, konnte ich noch nicht einmal Englisch. Das hat sich zwar im Laufe der Zeit geändert, dennoch bin ich der Komponist und überlasse die Texte Denjenigen, die etwas davon verstehen. Für mich muss die Musik geil sein, denn wenn die nicht geil ist, nutzen dir auch die besten Texte nichts.
Das Thema Albigenserkreuzzug war auf Heresy I wahren Ursprungs, auf der neuen Platte ist die Story eher fiktiv, spielt aber ebenfalls im 13.Jahrhundert. Bei der Belagerung einer Burg in Südfrankreich sind drei Rittertruppen damit beauftragt, einen Katharerschatz zu rauben. In der Story geht es darum, die Geschichte zu zeigen, mit welchen Gefahren und Abenteuer diese Truppe konfrontiert ist und im Kern geht es um die Behauptung, dass nicht Jesus Christus der Erlöser ist, sondern Johannes der Täufer. Das ist gar nicht einmal so weit von der Wahrheit entfernt, denn selbst der Papst trägt heute noch den Fischerring, also das Symbol des Johannes.
Die Geschichte ist allerdings verdammt komplex und kann je nach Betrachtungsweise in verschiedene Richtungen gehen und wenn sich jemand mit den Texten und den Büchern von Peter auskennt, ist das ein Schmankerl zur Musik obendrauf.
Wie bei der ersten Heresy haben wir im Booklet die Geschichte in Kurzform abgedruckt und vor jeden einzelnen Song eine geschriebene Einleitung, zusätzlich zu den natürlich beiliegenden Texten. Viel zu tun für den aufmerksamen Hörer (lacht).
Ich habe nebenbei ein wenig gegoogelt und die Geschichte von „Montségur und dem Katharer Schatz“ gefunden und wenn ich das richtig verstehe, geht die ganze Geschichte ja sogar bis zu Dir, nach Franken…
Sogar bis nach Bamberg, welches damals sogar eine Hochburg der Hexenverbrennung war. Ich selber habe mich erst spät mit der ganzen Thematik beschäftigt, da war der 1.Teil von Heresy sogar bereits erschienen. Aber ich will noch einmal kurz auf die Entstehung der Texte zurückkommen.
Der Peter Vogt ist mit seinem Bruder nach Südfrankreich ausgewandert und ist schlussendlich dort gelandet, wo seine Texte angesiedelt sind. Er hat sich irgendwann näher mit der Geschichte seiner neuen Heimat beschäftigt und hat dort einen Quell an Inspirationen gefunden, die er in den Texten zum ersten und zweiten Album verarbeitet hat.
Eine perfekte Win-Win-Situation mit Dir als toller Komponist und Peter als Texter…
Er ist dazu ja auch noch Engländer und somit gibt es statt 30 grammatikalischer Fehler von mir nur maximal 3 von ihm (lacht). Er hat auch eine vollkommen eigene Ausdrucksweise, die der Musik dann einen ganz anderen Drive verleiht. Versteh mich aber bitte nicht falsch, denn die Arbeit mit Daxx war auch immer toll, reibungslos und klappte gänzlich ohne Probleme.
Die einzige Problematik diesmal war, dass manchmal zu viele Wörter in einer Zeile waren, die ich so nicht singen konnte, da hat mir Peter einfach mit auf den Weg gegeben, dass ich ein wenig mit den Worten spielen soll, was ich dann auch tat. „Children of a virgin“ ist so ein Beispiel, wo ich viel dran gearbeitet habe. Das hat mir allerdings auch einen gewaltigen Vorteil eingebracht. Ich für mein Empfinden auf dieser Scheibe meinen mit weitem Abstand beste Gesang abgeliefert.
Je oller, je doller!
Hahaha, auf jeden Fall. Ich bin einfach sensationell gut drauf momentan.
Zumindest bist Du mit Paradox seit 35 Jahren im Geschäft und wenn man Deine ersten Gehversuche mitzählt, kommst Du auf stolze 40. Dazu seit mehr als 20 Jahren bei AFM Records als am längsten unter Vertrag stehender Künstler. Fühlt man sich angesichts solcher Zahlen manchmal doch alt?
Nee, weil ich im Kopf immer noch jung geblieben bin. Der einzige Unterschied besteht vielleicht darin, dass man heutzutage etwas mehr überlegt und plant, als sich kopflos ins Chaos zu stürzen. In allererster Linie bin und bleibe ich immer Fan und wenn ich mich daran zurückerinnere, wie ich erstmals mit der NWOBHM in Kontakt kam, da durften Motörhead nach „Ace of spades“ aber kein Album rausbringen, was auch nur einen Hauch lascher war.
Überhaupt musste damals für mich jedes Album noch schneller, noch härter werden, da gab es keinerlei Kompromisse und die Enttäuschung war meist riesengroß, vor allem wenn eine Band einen neuen Sänger hatte und sich der Stil radikal veränderte. So war ich früher.
Zurück zum Album. Als ich erstmals den Opener „Escape from the burning“ gehört hatte, musste ich erstmal ausmachen und noch mal draufschauen, ob es sich hier wirklich um Paradox handelt. Ich hatte sofort das Gefühl, „Heresy II“ ist wie ein Befreiungsschlag…
Zumindest eins ist klar: Gerade beim Opener schaue ich ganz genau drauf, ob ich mit diesem Song, diesem eigenen Stil den Fan sofort greifen kann du gerade bei „Escape“ findest du absolut ALLES, was die Band in all den Jahren ausgemacht hat. Es muss ein spannender Anfang sein und ich hatte überlegt, wie ich den Bogen zur ersten Heresy schlagen könnte. Hör Dir mal das erste Riff an, da hörst im Hintergrund das alte, das ursprüngliche Riff von 1989. Es ist zwar ein klein wenig anders angeschlagen, aber es sind die gleichen Töne. „Escape“ war von Anfang an der perfekte Einstieg für diese lange, 76minütige Reise, da gab es auch überhaupt nichts zu diskutieren.
Ich mache mir prinzipiell keinerlei Gedanken darüber, wie lang ein Song ist, doch hier hatte ich urplötzlich das Problem, dass die Zeit wirklich knapp werden würde. Den letzten Song musste ich tatsächlich ein wenig kürzen, damit alles passt.
In der Vergangenheit wurden immer wieder die großen Namen als Vergleich herangezogen: Metallica, Megadeth und viele mehr. Ich habe von Leuten, die ebenfalls das Album schon im Vorfeld hören durften, gesagt bekommen, dass hier Paradox wie…Paradox klingt. So muss es doch sein…
Jaaaa, auf jeden Fall und grüße bitte all diese dir bekannten Leute, denn sie haben es genau erkannt! Wenn ich eine Platte auflege, muss ich sofort erkennen, wer da unterwegs ist und das war hier das Entscheidende. Es wird nie ein Album unter dem Banner Paradox erscheinen, was nicht auch nach Paradox klingt. Wenn ich etwas anderes machen will, kann ich auch eine Soloscheibe rausbringen. Hatte ich tatsächlich auch mal vor, gerade um all die Einflüsse auch mal aufzunehmen, die noch in mir schlummern.
Überlege mal, es gibt Fans, die sind über 2 Generationen mit Paradox aufgewachsen, dass wäre die reine Verarschung, wenn dann urplötzlich irgendein halbgarer Mist rauskommen würde. Nein, ich will und werde meine, unsere Fans niemals enttäuschen. Wenn sich die Leute und die Fans freuen, freue ich mich!
Du hast heuer wieder die gleiche Crew um Dich geschart, mit der Du auch „Pangea“ eingespielt hast. Wie haben die Jungs auf das neue Sogmaterial und die Idee „Heresy II“ reagiert?
Axel (Blaha-Drumer) war ja immer mit am Start, ist mein bester Kumpel seit ewiger Zeit und hat schon während der Entstehung alles mitbekommen, da wir uns einmal die Woche treffen. Olly (Keller-Bass) hatte eine Krankheit, bei der er seine Finger nicht mehr bewegen konnte und konnte deshalb damals nicht an „Pangea“ mitarbeiten. Er hat dann einige Zeit gebraucht, um von Finger auf Plektrum umzustellen und konnte so dann weder spielen. Und von daher war mir klar, dass er bei der neuen Scheibe mit dabei sein wird.
Bei Christian (Münzer-Gitarre) war es ähnlich, der war total busy, konnte ebenfalls eine Zeitlang nicht spielen, doch es war klar, dass er sofort wieder am Start ist, wenn es wieder funktioniert.
Kann man denn bei dem stabilen Line Up davon ausgehen, Heresy II mal auf der Bühne bewundern zu dürfen?
Schwierige Frage, doch wenn die Nachfrage besteht, warum nicht? Ich weiß, dass Christian und Olly total scharf darauf sind, doch ich will erstmal die Reaktionen abwarten. Außerdem muss ich schauen, was uns angeboten wird. Doch eins ist klar, wir werden niemals die Jahrzehnte aufholen, die wir nicht gespielt haben, wenn wir auf eine Tour gehen.
Wenn dann wird es irgendeine besondere Einzelshow sein. Das muss nicht unbedingt das größte Festival sein, aber vielleicht ein interessanter Ort, wo viele Paradox nochmal die Chance haben werden, uns live zu sehen. Ich will aber nichts versprechen, was ich im Nachhinein nicht halten kann. Die Leute sollen sich erstmal mit dem Album beschäftigen, denn mit jedem Hören wächst die Scheibe immer weiter. Da gibt es so viel zu entdecken.
Ja, die Phrase ist vielleicht abgedroschen, aber sie trifft zu: Heresy II ist unser bestes Album und wenn ich beide Teile in einer Box hätte, wäre selbst ich als Fan komplett begeistert. Das wäre ein perfektes Paket.
Eine Frage, die ich letztens auch Peavy von Rage stellen musste. Welche Erwartungen knüpfst Du an das Album? Ihr seid beide teutonische Metal Urgesteine, habt viel erlebt und durchgemacht. Erwartet man überhaupt noch etwas?
Ich bin Realist und kein Tagträumer und ich weiß, dass es gerade heutzutage ziemlich schwierig ist, aufgrund der Masse an Veröffentlichungen, die Leute noch zu erreichen und zu begeistern. Das war früher anders, da hatte man die Zeit, mit der Platte mitzuwachsen. Ich weiß aber, dass unsere Fans sich die Zeit nehmen werden, sich das Album in Ruhe anzuhören und alles zu entdecken, was es zu entdecken gibt. Das ist das Wichtigste für mich, dass die Fans glücklich sind.
Natürlich freue ich mich über gute Bewertungen, wenn das Album positiv besprochen wird und die Leute recht schnell erkennen, was sie da für ein qualitativ hochwertiges Brett vorliegen haben. Wer das Album schlecht bespricht, dem kann ich nur sagen: Entweder hast du von Heavy Metal keine Ahnung oder du hast dir einfach keine ausreichende Zeit für genommen.
Dein hier an den Tag gelegter Enthusiasmus ist ansteckend und man merkt, wie sehr Du Deine und auch Musik im Allgemeinen liebst…
Ich bin mehr Fan als Musiker. Bei mir rollt die Mucke den ganzen Tag (lacht). Im Moment gibt es eine Menge Slayer, The Haunted, Heathen, Exodus, Testament, Forbiddens „Twisted into form“, man, was ist die bis heute geil (man wird förmlich angesteckt…). Sowas kann ich mir nicht oft genug anhören. Gestern gab es vier Flotsam Scheiben…ich liebe es.
Dennoch habe ich beim Erblicken des letzten Songs auf dem Album etwas schlucken müssen. „End of a legend“…muss man sich Sorgen machen?
(lacht) Nein, dass ist nur das Ende von Heresy. Einen dritten Teil wird es nicht geben, wir wollen es ja nicht übertreiben. Und das Ende von Paradox wird es ebenso wenig sein. Ich denke bereits an die nächste Platte. Was ist zu tun, wie kann man die Leute noch überraschen, denn das große Monument, was ich schon immer machen wollte, habe ich jetzt mit der aktuellen Platte abgeliefert und es wird verdammt schwer, das noch zu toppen.
Ich stelle mir vor, dass das nächste Album natürlich etwas kürzer wird, etwas direkter auf den Punkt, schneller und straight in your face.
Nachdem wir nun festgestellt haben, dass es mit Paradox weitergeht, muss ich dennoch fragen, ob Du Heresy II nicht als Dein ultimatives Vermächtnis ansiehst?
Ja, das ist mein Meisterstück! Wenn ich auf alle Alben von Paradox schaue, vergleiche, komme ich nicht umhin, dieses Album als mein persönliches Meisterwerk anzusehen. Selbst nach Beendigung der Aufnahmen kann ich mich an den Songs nicht satthören und freue mich jedes Mal aufs Neue. Sowas hatte ich noch nie und wenn ich mal 75 Minuten Zeit am Stück habe, höre ich sie…immer wieder!
Ist es dann nicht schwierig, sich irgendwann an ein neues Album zu setzen, wenn man eigentlich genau weiß, dass dieses Vermächtnis nicht mehr zu toppen sein wird?
Es ist durchaus zu toppen, doch anders. Es ist natürlich schwierig, doch auf die eine oder andere Weise ist das mit neuem, vollkommen anderen Material schaffbar. Sowas wie mit Heresy II ist nicht mehr machbar, da gibt es keine Steigerung mehr. Ich will einen Kontrast schaffen und mich musikalisch und als Komponist ein wenig verjüngen. Mehr Riffs, mehr Härte, doch es muss immer nach Paradox klingen. Also Melodien, oldschool Riffs etc.
Erzähl mir doch mal ein wenig noch über das großartige, von Travis Smith (u.a.Opeth) gezeichnete Coverartwork.
Der Turm auf dem Album ist der Tour Magdala in Südfrankreich, nahe der spanischen Grenze vor den Pyrenäen. Ich wollte einen Originalschauplatz meiner fiktiven Geschichte auf dem Album und keine Totenköpfe, auch wenn das vielleicht mehr Metal ist (lacht). Das Bild sollte einfach mal ein wenig anders sein und Peter Vogt hat dann diesen Turm vorgeschlagen, ein Bild geschickt, welches ich gleich an Travis weitergeleitet habe. Ich wollte da noch ein paar Raben draufhaben und er hat das perfekt umgesetzt. Toller Kerl, klasse Künstler, kann ich nur weiterempfehlen.
Dann drücke ich mal die Daumen, dass es mit dem Chartentry in der 39.Kalenderwoche klappt…
Schauen wir mal, allerdings sehr ich das ein wenig differenzierter. Schau Dir doch mal Queenryche und „Operation: Mindcrime“ an. Eine total geile Scheibe, doch so richtig dolle verkauft hat die sich damals nicht. Erst mit der „Empire“ danach kam der große Erfolg und auch die Mindcrime zog dann mit.
Du musst erstmal eine richtig geile Scheibe vorlegen, damit die Leute bei der nächsten sofort auf dich aufmerksam werden und dementsprechend auch auf deinen Backkatalog gucken.
Bei mir steht das Doppelvinyl jedenfalls auf dem Einkaufszettel. Stehe ich total drauf.
Na und ich erst (lacht)! Als Steppke bin ich schier ausgerastet, wenn ich ein Doppelalbum in den Händen gehalten habe. Nun habe ich selbst eins eingespielt und veröffentlicht und werde es bald selbst in den Händen halten. Mal schauen, ob ich mir da ein Tränchen verdrücken muss, hahaha.