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Ich habe gestern nach 10 Jahren wohnhaft in meiner Wohnung erstmals meinen Keller entrümpelt und dabei eine Kiste mit einigen Schätzen wiederentdeckt. Demos aus einer Zeit ohne YouTube, Emails, Internet, Spotify und ähnlichem Gedöns. Unter anderem fiel mir dabei eine Kopie der Kopie einer Kopie einer Kassette (Sony UX-S, 90 Minuten) in die Hände, auf der sich das erste und zweite Lebenszeichen einer Band befand, deren Namen ich damals aufgrund fehlendem Wissen in höchstem Maße lustig fand. „Iron tears“ und vor allem das überragende „Metal shock“ beinhaltete damals Gassenhauer wie „I live you die“, „Hammerhead“ und vor allem das namensgebende „Iron tears“, welche in meine thrashende DNA übergingen. Flotsam and Jetsam hatten das Licht der Welt erblickt!

Danach ging es rasend schnell und man veröffentlichte mit „Doomsday for the deceiver“ und vor allem dem damals über alles thronenden „No place for disgrace“ Alben, die immer noch Kult Klassiker sind und von viele Fans bis heute einen enormen Stellenwert in ihrer musikalischen Biographie einnehmen. Danach kamen noch gute bis mindergute Alben, der Weggang von Jason Newstedt zu dieser Nachwuchsband aus der Bay Area schon nach dem Debüt und ein paar schlechte Business Entscheidungen, die Flotsam etwas zusetzten und mein Interesse ein wenig abschwächte.

Doch damit ist es nun vorbei, denn bereits der Vorgänger „The end of chaos“ von 2019 deutete an, dass sich die Band wieder auf dem aufsteigenden Ast befindet, welches nun mit dem überragenden „Blood in the water“ mehr als eindrucksvoll bestätigte. Grund genug, sich nach deutscher Zeit morgens um 7 mit Sänger Eric A.K. zu einem kurzen Gespräch zu treffen, um ein wenig nachzubohren.

Guten Morgen Eric, besser gesagt Guten Abend nach Arizona. Ich hoffe, Du hattest einen schönen Tag. Ich bin gerade aufgestanden und muss vorsichtig sein, da meine Familie noch schläft.

Dann nimm Dir einen Kaffee und sei nicht zu laut (laut). Ja, ich hatte einen echt schönen Tag und mir geht es prima.

Ich habe gestern meinen Keller aufgeräumt und habe dabei ein altes Tape gefunden, auf dem sich Eure beiden ersten Demos "Iron tears" und "Metal shock" befanden. Wenn man mal überlegt, dass das nun 36 Jahre her ist, fühlt man sich dann eher alt oder weise?

Beides (lacht). Ich habe jahrelang daran gearbeitet dorthin zu kommen, wo ich jetzt bin. Ich habe dafür Blut, Schweiß und Tränen gelassen und eine Unmenge geprobt, um das alles zu erreichen.

Wie geht es Dir momentan gesundheitlich? Hattest Du Probleme während der Corona Pandemie? Ich glaube gelesen zu haben, dass sich Deine Mutter mit dem Virus angesteckt hatte. Ich hoffe, es geht ihr besser. Wie hart war oder ist diese Zeit für Dich?

Meiner Mutter befand sich sogar für fast einen Monat auf der Intensivstation und bei ihrem Alter von 83 Jahren dachten wir ehrlich gesagt nicht, dass sie es überstehen würde. Doch sie hat es durchgezogen, überstanden und es geht ihr mittlerweile wieder richtig gut. Ich selber hatte keinerlei Probleme und bin mittlerweile auch geimpft. Also denke ich, dass ich persönlich das Schlimmste überstanden habe.

Du lebst ja in Mesa, ungefähr 20 Meilen von Phoenix entfernt als muss ich Dir als Football und 49ers Fan unweigerlich die Frage stellen, ob Du selber Fan der Cardinals bist und wie Du in der nächsten Saison die Chancen in unserer Division, der NFC West, siehst? Wir sind ja direkte Konkurrenten.

Ich bin sogar ein recht großer Cardinals Fan, dass bringt die geographische Nähe mit sich (grinst). Solange wir den großen, guten, alten Mann Larry Fitzgerald wieder im Team haben, haben wir gegen jedes Team eine Chance, natürlich auch gegen Euch.

Als Du zusammen mit Michael Gilbert 1984 Flotsam and Jetsam aus der Taufe gehoben hast, gab es keine Mobiltelefone, Internet, E-Mails oder Musik Streaming Dienste. War das eine unbeschwertere Zeit für Dich oder ist es heute einfacher für eine Band?

Irgendwie trifft beides zu. In den alten Zeiten mussten wir uns in keiner Weise darum kümmern, dass die Leute vorab neues Material zu hören bekommen, denn das war die Arbeit des Labels. Wenn die ihre Arbeit nicht richtig gemacht und das Album richtig promotet haben, konnte man die Schuld auf diejenigen abwälzen. Heutzutage können wir selber als Band dafür sorgen, dass die Fans bereits im Vorfeld mit genügend Informationen versorgt werden, was die Sache manchmal etwas einfacher macht. Es gibt so viele Plattformen, auf denen man seine Band der Welt präsentieren kann, wobei natürlich auch Millionen anderer Bands zur gleichen Zeit auf die gleiche Idee kommen (grinst). Da gilt es dann, sich durchzusetzen.

36 Jahre Flotsam and Jetsam, 15 Alben, unzählige Tourneen und Auftritte. Ich sah Euch übrigens 1988 erstmal live in Essen zusammen mit Testament, Sanctuary und Megadeth. Beeindruckende Zahlen, eine tolle Karriere, doch fühlt man sich angesichts solcher Zahlen auch alt?

Nicht wirklich. Wir haben Flotsam ja auch nie auf ein Level gehoben, wie wir es vielleicht hätten tun sollen und sind deshalb immer noch hungrig und kämpfen für die Musik, für unsere Band. Das Alter spielt doch heutzutage eh kaum mehr eine Rolle und wenn man etwas weniger Party macht, weniger trinkt und sich fokussiert, dann hat man auch mehr Energie für die Shows und die sind uns enorm wichtig!

Und nun "Blood in the water". In meinen Augen Euer bestes Album nach "No place for disgrace". Ich habe das Gefühl, Ihr habt in dieses Album alles reingeworfen, was Ihr habt. Eure Liebe zur Musik, Eure Passion, all Eure Aggressivität. Wie seid Ihr an das Album herangegangen?

Der Entstehungsprozess war diesmal ziemlich schwierig, da wir auch der Ansicht waren, dass unser Vorgänger "The end of chaos" ein ziemlich starkes Album war, welches es nun zu toppen galt. Es war ziemlich stressig, doch irgendwann sprudelten die Ideen zu den neuen Songs nur so aus uns raus und nach so vielen Jahren Bandgeschichte ist sowas unbezahlbar. Plötzlich hatten wir 12 bis 14 Songs fertig und es wurde schnell ersichtlich, dass wir eine verdammt starke Scheibe in der Hinterhand haben würden. 

Ich habe in meinem Review geschrieben, dass Du auf diesem Album Deine beste Gesangsleistung seit Jahren ablieferst. Du klingst frisch, hart, dennoch melodiös und gar nicht wie ein Sänger, der seit dreieinhalb Jahrzehnten Thrash Metal singt. Was ist Dein Geheimnis?

Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht. Ich habe über all die Jahre immer wieder versucht, etwas dazuzulernen und nicht aufzugeben. Ich war immer darauf bedacht, meine Stimme und meinen Hals in einem guten Zustand zu halten, habe dabei wenig geprobt, aber viel gelernt. Und wie ich ja schon sagte, hat mich das Training in meiner Karriere dahin gebracht, wo ich jetzt bin.

Ja, ich bin stolz auf das, was ich in den Jahren erreicht habe. 14 Studioalben (er scheint die Neuaufnahme von „No place…“ nicht dazuzuzählen-der Verf.) machen sich doch ganz gut auf dem Gürtel. Dazu kommen ja noch ein paar Livealben, womit wir auf ca. 17 Stück kommen und da ist keine einzige dabei, auf die ich nicht stolz wäre.

Eure neuen Songs sind abwechslungsreich, mal hart, mal verspielt doch immer ganz klar Flotsam and Jetsam. Wie ist das Album entstanden und mich würde interessieren, wer für diesen Monstersound verantwortlich ist?

(grinst) Die Aufnahmen waren etwas anders als sonst und der Pandemie geschuldet. Jeder Einzelne hat seine Parts in seinem eigenen Homestudio aufgenommen und da Ken (Mary-Drummer) ein wunderschönes Studio 10 Minuten von meinem Haus entfernt sein Eigen nennt, habe ich dort meine Parts eingesungen. Michael und Steve, also unsere Gitarristen, haben ihre Parts alleine zusammengezimmert.

Danach haben wir alles zusammengetackert und an Jacob Hansen geschickt, der dann seine Magie hat walten lassen, um diesen wirklich fetten Sound zu erschaffen. Wir haben ihm ja auch genug geilen Stoff zur Verfügung gestellt und der Bursche weiß exakt, was er damit anzufangen hat. Ich bin absolut zufrieden mit der Scheibe, obwohl ich anfangs etwas skeptisch war, gerade auch wegen des veränderten Aufnahmeprozesses, den ich so nicht gewohnt bin.

„Blood in the water“ ist so ein Album, welches du dir tausendmal anhören kannst und es wird bei jedem Durchlauf besser. So geht es mir jedenfalls, denn je öfter ich es mir anhöre, desto zufriedener bin ich damit, trotz meiner anfänglichen Skepsis.


Welches sind Deine Lieblingssongs auf dem Album und warum? Meine sind "Walls" und "Too many lives", wobei ich eigentlich das gesamte Material ziemlich geil finde...

Ich habe andere Songs, die ich geil finde, aus unterschiedlichen Gründen. „Cry for the dead“ beispielsweise ist für mich ein sehr emotionaler Song, der mir unglaublich viel Spaß macht zu singen. „Blood in the water“, der ursprünglich aus der Feder von Ken und Steve stammt und mir unglaublich viel Freiheiten zum Singen gibt. Ich hatte nur eine kleine melodische Basisline, den Text und beide gaben mir unglaublich viel Freiraum, bei diesem Song zu tun, was immer ich wollte. So schreibe ich normalerweise meine Songs (lacht). Es war eine sehr komfortable Situation, einen Song einzusingen, für den ich nicht verantwortlich war, aber tun und lassen durfte, worauf ich Bock hatte.

Trotzdem müsste es für Dich und die Band ziemlich hart sein, ein solch geiles Album in einer Zeit zu veröffentlichen, wo das Touren oder einzelne Livegigs fast gänzlich flachfallen…

(lacht gequält) Nicht auf Tour gehen zu können, macht mich komplett wahnsinnig! Ich habe vielleicht seit einem Jahr noch nicht mal Happy Birthday live singen dürfen und von daher schon ein wenig Bammel, wie das bei den ersten Konzerten werden könnte. Vielleicht bin ich sogar ein wenig ängstlich, wenn es wieder auf Tour gehen sollte, was im August hier in den Staaten angedacht ist. Bis dahin versuchen wir, uns wieder in Form zu bringen, die Fans in unserer Gegend happy zu machen mit einigen kleinen Dingen, die geplant sind. Danach sind wir aber bereit, die Welt im Sturm zu erobern.

Über Streaming Konzerte haben wir tatsächlich mal nachgedacht, doch bei all dem Überangebot, welches momentan vorherrscht, würde ein weiteres vielleicht in der Masse untergehen. Außerdem konnten wir bei einigen dieser Events von anderen Bands miterleben, dass die Resonanz nun doch nicht so groß war, wie vielleicht von den jeweiligen Combos selbst erwartet wurde. Dementsprechend hatten wir uns dazu entschieden, auf solch ein Event zu verzichten und uns komplett auf das neue Album zu konzentrieren und das Bestmögliche rauszuholen.  Wir wollen wieder raus auf die Bühne und uns nicht im Stau vieler anderer Bands einreihen.


Wie gehen Deine Kinder damit um, einen in Musikkreisen so bekannten Papa zu haben? Deine Tochter war ja zumindest schon mal auf dem Cover von "The cold" aus dem Jahr 2010 zu sehen...

Ach, weißt Du, die sind ja selber alle halbwegs berühmt (lacht). Mein ältester Sohn war bei der 11.Staffel von American Idol (Das Original zu „Deutschland sucht den Superstar) dabei und schaffte es sogar in die Top 10, meine älteste Tochter ist Country Musikerin in Nashville und die jüngste, die auf dem von Dir angesprochenen Cover zu sehen ist, ist ebenfalls eine tolle Sängerin mit einer echt tollen Stimme. Es muss uns wohl allen irgendwie im Blut liegen (lacht).



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