DAS TOTE NASHORN
Was soll man einleitend groß zu Asphyx schreiben, was nicht eh alle Todesblei-Begeisterten schon längst wissen? Vielleicht nur so viel, dass die Holländisch/Deutsche Kollaboration mit ihrem zehnten Album „Necroceros“ zu einem extrem frühen Zeitpunkt des Jahres bereits ihren Hut für das Album des Jahres in den Ring geworfen und die Messlatte im Death Metal extrem hoch aufgelegt hat. Und wie stark Asphyx anno 2021 sind, bewiesen sie am vergangenen Wochenende, als sie in einem extrem aufwendig gestalteten Livestream ihr komplettes Album zuzüglich einiger unsterbliche Klassiker zum Besten gaben und die Zuschauer begeisterten. Ich freute mich jedenfalls sehr darüber, dass Stefan „Husky“ Hüskens, den ich als Musiker und Mensch sehr schätze, recht kurzfristig zu einem Interview bereit war, was seiner Natur entsprechend extrem kurzweilig wurde.
Husky, am Samstag habt Ihr Euer brillantes neues Album in einem Live Stream uraufgeführt und ich finde, Ihr habt eine verdammt gute Figur abgegeben. Anfangs noch etwas steif und nervös aufgrund des ungewohnten Rahmens, doch zum Ende hin konnte man zu einem regulären Liveauftritt keinen Unterschied mehr feststellen. Wie war es für Euch?
Ungefähr genauso, wie Du es beschrieben hast. Du kommst auf die Bühne, guckst in einen leeren Saal, das war schon ein wenig seltsam. Dennoch haben wir Spaß gehabt, obwohl es zwischen den Songs natürlich leise war, dass kam schon etwas komisch rüber, doch uns war wichtig, den Leuten wenigstens ein klein wenig Livefeeling zu geben.
Musstest Du denn nach Deiner Rückkehr aus Holland in Quarantäne?
Nee, musste ich nicht, da ich grenznah wohne, so knapp 3 Minuten entfernt von der Grenze und da hat keiner kontrolliert. Im Laden selber wurden alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, Mundschutz getragen, Abstand eingehalten, das war alles sehr professionell und den Umständen angemessen.
Eine Frage muss allerdings erlaubt sein: Warum waren Eure Bierflaschen auf der Bühne so extrem klein?
(lacht) Wir mussten Jupiler trinken und die haben ja nur diese kleinen 0,25 L Flaschen, aber wenn man es schon umsonst bekommt. Man konnte sich zumindest schon tags zuvor darauf einstellen, am nächsten Tag Kopfweh zu haben, hahaha.
Nun ist „Nercroceros“, Euer zehntes Studioalbum, endlich draußen, nach einer veröffentlichungstechnischen Pause von fast fünf Jahren und die Reaktionen sind überschwänglich, sei es die Presse oder die Fans. Was überwiegt bei Dir? Erleichterung? Freude?
Um das zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen. Jeder bei uns in der Band hat eine eigene Aufgabe, um die er sich kümmern muss. Mit dem Layout beispielsweise habe ich gar nicht groß zu tun gehabt, da wurden wir immer nur von Alwin und Paul über den neuesten Stand informiert. Somit hatte ich im Vorfeld gar nicht soo viel Stress mit der Platte. Ich habe mich um die Social Media Geschichten gekümmert.
Das Songwriting ist sowieso immer sehr relaxt bei uns, deswegen gab es da auch keinen Stress. Seltsamerweise aber gab es im Vorfeld des Livestreams mehr Arbeit, als wenn man eine normale Show auf die Beine stellt. Als das alles erledigt war, überwog dann doch die Erleichterung, dass das Teil nun endlich auf den Markt kommt. Es war zuweilen eine kleine Mammutaufgabe, da wir ja pro Song ein eigenes Bild haben malen lassen, was im Digi Pack zu finden ist. Ja, wir hatten viel zu tun, doch der Aufwand hat sich gelohnt. Ist ein schönes Teil geworden. Man kann nur erleichtert sein, wenn das Ding auch gut geworden ist (lacht).
In meinem Review bezeichnete ich „Necroceros“ als bestes Album nach „The rack“, was dann auch die Höchstnote verwehrte. Wo würdest Du das neue Album in der Rangfolge einordnen und sei bitte objektiv.
Es ist das zehnte Album, hahaha. Ich bin ja selber seit Anbeginn großer Asphyx Fan. Seit der Réunion war jedes Album eine logische Konsequenz und Antwort auf das vorherige und deswegen möchte ich die Scheibe nicht besonders hervorheben, wobei wir in der Band uns durchaus bewusst sind, dass ”Necroceros” ein verdammt gutes Album geworden ist. Und ja, es ist definitiv besser als der “Incoming Death”.
Dies ist nun nach „Incoming death“ Deine zweite Arbeit mit Asphyx. Wo siehst Du persönlich die gravierendsten Unterschiede?
Man merkt auf dem Album, dass wir als Band noch mehr zusammengewachsen sind. Paul, Alwin und ich verstehen uns instrumental mittlerweile blind, was man in der Entstehungsphase sofort merkte. Paul spielte ein Riff und wir beide wussten sofort, was wir dazu spielen müssen. Das Feeling innerhalb der Band ist über die letzten Jahre immer weiter gewachsen. Der Sound ist ebenfalls ein gravierendes Merkmal. Er ist brachialer, voller, düster. Da hat der Seeb sehr gute Arbeit geleistet.
Greif bitte nicht zu weit vor, da kommen wir noch zu. Ich muss gestehen, dass ich Euren Vorgänger nicht allzu hoch eingeschätzt hatte und somit recht unbefangen an die neue Scheibe heranging. Dafür war die Überraschung umso größer, als ich in der gesamten Bude nach meinen Schädelsplittern suchen musste. War Euch beim Komponieren schon klar, was für ein unfassbares Monster Ihr da eintüten würdet?
Beim Komponieren weniger, bei der Aufnahme aber dann umso mehr. Da merkten wir, dass unser Baby immer weiter wächst und etwas passiert. Als dann auch noch die ganzen Layouts dazukamen, wurde es immer größer. Die Bilder passten zu den Songs, gaben ihnen einen weiteren, düsteren Grundton. Die Platte ist, so wie sie jetzt erschienen ist, perfekt. Martin sagte bereits früher, dass das Ding ein Monster wird, was es schlussendlich ja auch geworden ist. (grinst hörbar)
Richtig begeistert war ich von Songs wie „In blazing oceans“, „Three years of famine“ und natürlich dem Titeltrack, die allesamt zwar immer noch lupenreiner Death Metal sind, dennoch eine Schwere, eine Erhabenheit haben, will nicht sagen, richtig episch sind. Wie war Eure Herangehensweise beim Komponieren des Albums?
Wenn Paul alle seine Riffs gesammelt und gebündelt hat, zeigt er uns diese und wir überlegen, welche wir davon verwenden können. Erst danach fangen wir mit dem Drumherum an und lassen die Songs wachsen. Wir haben nicht daran gedacht, jetzt so einen oder so einen Song zu machen, sondern es war tatsächlich so, dass es sich alles durch gemeinsames Spielen langsam entwickelt hat. Die Platte ist im Vergleich zum Vorgänger schon etwas Midtempo lastiger und doomiger ausgefallen, doch das hat nichts mit der aktuellen Situation zu tun.
Wenn das alles so spontan war stellt sich mir doch die Frage, warum es von ”Insoming Death” zu ”Necroceros” so lange gedauert hat.
Warum sollen wir jedes Jahr eine neue Platte rausbringen? Das machen andere Bands. Wir wollen lieber Qualität statt Quantität, wie man so schön sagt. Paul und Alwin gehen einer regulären Arbeit nach, dazu haben wir in den letzten Jahren relativ viele Shows gespielt und dennoch haben wir uns nicht selbst unter Druck gesetzt, so nach dem Motto, wir MÜSSEN jetzt eine neue Scheibe aufnehmen. Es hätte durchaus auch noch ein Jahr länger dauern können.
Wäre ziemlich doof gewesen...
Du sagst es, hehehe.
Aber ist es nicht ein gewisses Risiko, so früh im Jahr ein Album zu veröffentlichen, welches vielleicht in diversen Jahresendabrechnungen nicht berücksichtigt wird?
Das ist mir scheißegal, hahaha. Mir ist es viel wichtiger, dass die Leute die Scheibe geil finden und mit unseren Shirts rumlaufen, als irgendeine Chart Positionierung. Natürlich ist es schön zu sehen, wenn seine Arbeit honoriert wird, aber im Endeffekt ist es mir vollkommen Pumpe, ob wir irgendwo auf 1, 10 oder gar nicht gelistet werden.
Ok, dann nehme ich Euch aus meiner Liste sofort raus... (Gelächter) Bei einem Songtitel wie „Botox implosion“ musste ich alleine wegen des Namens immer wieder schmunzeln muss. Wie kamt Ihr denn auf diesen Titel?
Wie wir auf den Text kamen? Hm, Martin ist so ein Typ, der sich in viele Themen einliest, macht daraus dann seine eigenen Geschichten oder was vollkommen Eigenständiges. Bei ”Botox Implosion” wollte er sich Luft gegenüber diesen ganzen Schönheitsidealen machen. Aber ich gebe Dir schon recht. Als ich den Titel zum ersten Mal las, habe ich mich komplett weggeschmissen (lacht). Das ist Martin und auch wenn der Songtitel anfangs etwas lustiger klingt, hat der Text hingegen Hand und Fuß. Das finde ich cool.
Jetzt muss ich unbedingt wissen, wer oder was der oder das „Necroceros“ ist?
Was denkst Du denn?
Ich dachte zuerst an irgendeinen mir nicht bekannten Unterwelt Gott, doch selbst meine Recherche ergab keinen Treffer...
Kann ich mir vorstellen, denn das Wort ist ähnlich wie “Deathhammer” eine Eigenkomposition von Herrn van Drunen (lacht). Necro ist ja wohl klar und Ceros kommt von Rhinozeros, also einem sehr großen Tier.
Also ein großes, totes Tier.
Ein totes, großes Tier aus der Unterwelt, hahaha. Also wenn du dir den Titel und das Cover anschaust, kann man einen Zusammenhang erkennen.
Bei „totes Tier“ musste ich eben noch mehr schmunzeln, denn in Berlin wird mit “einen toten Vogel in der Tasche haben” gerne eine übelriechende Flatulenz umschrieben...
(Gelächter) Da hört sich Necroceros etwas edler an, hahaha.
Ich muss Euch ein großes Kompliment für Euren Sound aussprechen, denn wo ich in der Vergangenheit immer diesen etwas zu sehr matschigen Sound bemängelt habe, so ist „Nercroceros“ klar akzentuiert, sauber produziert und hat unglaublichen Wumms. Ist das erst beim Mix durch Sebastian “Seeb” Levermann entstanden oder wolltet Ihr von Anfang an exakt diesen Sound auf dem Album haben?
Gute Frage. Wenn du mit den Aufnahmen beginnst, hast du ja schon so eine gewisse Vorahnung, wie etwas klingen könnte und eigentlich gehört zu Asphyx ja dieser, wie Du ihn nennst, Matschesound. Als wir Seeb unsere Aufnahmen geschickt haben, konnte er wohl gut mit arbeiten. Wir mussten also nicht mehr irgendwie rumpfuschen, sondern das Grundgerüst blieb. Wir haben ihm im Endeffekt auch keinerlei Vorgaben gemacht. Vielmehr hat er uns seine ersten Probemixe geschickt, die wir total gut fanden. Wir haben zwar dann noch etwas verfeinert, doch danach ging das Teil schon in die Pressung. Natürlich haben wir im Kopf, wie Asphyx klingen muss, doch reingeredet haben wir ihm nicht, er wusste schon von selbst genau, was er machen musste, damit wir nicht viel zum Meckern hatten (lacht).
Und dazu gibt es auch noch eine wunderschöne DVD...
Die ist vor 2 Jahren bei unserem 30jährigen Jubiläum im Essener Turock entstanden, als wir an zwei aufeinanderfolgenden Abenden dieses mit Konzerten gefeiert haben. Beide Shows waren ausverkauft, dazu waren alle ehemaligen Mitglieder mit an Bord, die bei irgendwelchen Songs mitgespielt haben. Das war wie ein großes Familientreffen mit tausend bekannten Gesichtern, die Fans sind abgegangen wie Lotte und dazu hat das Turock speziell für diese Abende einen eigenen Longdrink namens Deathhammer kreiert, der am nächsten Tag ganz schön, ääh, gehämmert hat, hahaha.
Du hast bereits vorhin das Layout angesprochen und das jeder Song ein eigenes Bild bekommen hat. Wie ist denn diese Idee entstanden?
Wann das gewesen ist, kann ich Dir gar nicht mehr genau sagen, doch uns war klar, dass bei solch prägnanten Titeln durchaus auch eigene Bilder passen würden, um diese noch aufzuwerten. Wir haben dann Misanthropic Arts in den USA beauftragt, uns zu jedem Song ein Bild zu malen und es ist total geil geworden. Wenn du beim Vinyl dieses große Booklet hast, links das Bild und rechts den Text, dann ist das schon extrem geil. Ja, als Fan würde ich mir das Teil selbstverständlich kaufen. Ich bin aber froh, dass ich es umsonst bekommen habe, hahaha.
Husky, ich zitiere Dich mal aus unserem Interview von 2018, wo wir beim Rock Hard Festival zusammengesessen haben:
„Ein Traum ist schon vorher in Erfüllung gegangen, als ich 2014 bei Asphyx eingestiegen bin. Da dachte ich schon, besser geht’s nicht, aber Sodom…das ist schon ne andere Hausnummer. Bei jeder anderen Gruppe hätte ich wahrscheinlich abgelehnt, doch wenn deine Lieblingsband anklopft, kann man nicht Nein sagen.“
Nun bist Du ja nicht mehr bei Sodom, laut Tom ohne böses Blut, da es auch durch Deinen Umzug nicht mehr mit dem Proben geklappt hätte. Weinst Du dem ein wenig nach?
Nee, absolut nicht! Es war von Anfang klar, dass Asphyx die erste Geige spielt und mindestens zwei Samstage im Monat nur Asphyx gehören und der Rest mit anderen Gigs vollgeklatscht werden kann. Nach zwei Jahren hat sich dann aber herauskristallisiert, dass das absolut nicht funktioniert und ich hätte Asphyx um keinen Preis der Welt verlassen und von daher war die Entscheidung ziemlich schnell klar.
Ich habe mich mit Tom beim Curry-Heinz in Gelsenkirchen getroffen (lacht), habe ihm das so erklärt, das da noch ein paar andere Sachen mitspielen und ich die Band nicht ausbremsen möchte. Es sind ja bei Sodom alles Berufsmusiker, die von ihrer Mucke leben und ich bin nicht wirklich davon abhängig. Aber Tom hat alles verstanden und es gibt kein böses Blut. Ich finde die neue Scheibe auch ziemlich geil, mal abgesehen vom Sound und habe auch noch guten Kontakt zu Yorck, mit dem ich ja auch noch eine andere Band habe.
Nun hast Du ja auch als Trommler 2019 mit Trinitas eine verdammt starke EP veröffentlicht und mir kam zu Ohren, dass in naher Zukunft auch wieder was mit Carnal Ghoul ansteht. Brauchst Du die Abwechslung mit mehreren Bands, um Dich auf Dein Hauptengagement bei Asphyx zu fokussieren?
Das nicht. Mit Carnal Ghoul, also den Milking the goatmachine Jungs, läuft das ja schon etwas länger und Daniel ist ein…äääh…dicker Kumpel von mir (Gelächter auf beiden Seiten). Irgendwann haben wir uns dazu entschlossen, einfach ein bisschen Schweden-Death zu machen und haben sogar im letzten Jahr eine komplette Scheibe aufgenommen. Aufgrund der Erkrankung unseres Frontmannes, Fleshcrawl Sänger Sven Groß, haben wir die Sache vorerst auf Eis gelegt und hoffen, dass es ihm bald besser geht.
Mit Trinitas habe ich gerade heute neue Ideen bekommen, da wird also auch bald wieder was passieren und dazu kommen noch Rotten Casket, die angesprochene Band mit Sodom-Yorck, die früher aus einem Deutschen und vier Holländern bestand. Komisch, klingt irgendwie vertraut (Gelächter). Die haben sich irgendwann aufgelöst doch nun haben wir sie reaktiviert und bereits 5 Songs aufgenommen. Den Sänger darf ich noch nicht bekanntgeben, dass kommt aber noch in den nächsten Wochen. Dazu gesellt sich Patrick von Disabuse aus Holland am Bass und der Frank, dem die Band quasi gehört. Und da wir mit Asphyx ziemlich probefaul sind, wollen wir mit der Truppe mindestens einmal die Woche im Flow bleiben.
Wann kommt eigentlich das große Bauchtattoo mit dem Brutz & Brakel Logo, welches Dir lebenslange Freigetränke einbringen würde? Überhaupt würde mich brennend interessieren, welches Dein Lieblingsgetränk aus der Berliner Schmiede ist.
(lacht) Das Tattoo ist immer noch in Planung, doch das geht ja zurzeit nicht und außerdem Bauch mach ich nicht, tut weh, hahaha. Und das Lieblingsgetränk ist schwierig, da ich mit meinem Kumpel aus Koblenz, Mario, und meiner Angetrauten immer Farbensaufen (lieber Husky, das nennt sich Ampelsaufen-Olaf) machen und da schmeckt eigentlich alles. Was ich nicht so mag ist der White Russian. Da bekommste durch die Sahne am nächsten Morgen immer die Scheißerei (großes Gelächter). Dazwischen immer einen kleinen Most zwischen den Bieren, das geht immer, hahaha.