EIN UNORTHODOXER WERDEGANG
Wenn man in Deutschland über die neu aufkeimende Speed Metal Szene spricht, fällt immer und überall unweigerlich der Name Stallion. Und das vollkommen zurecht, denn das Quintett vom Bodensee ist neben Indian Nightmare nicht nur für mich DIE aufstrebende Band schlechthin. Energetische Live Auftritte, saustarke Platten und eine granatenstarke und fast punkige Attitüde macht diese Truppe so unheimlich sympathisch und ehrlich. Das die Jungs ganz nebenbei auch noch verdammt dicke Bretter bohren, beweist einmal mehr "Slaves of time", mit dem Stallion ihr bisheriges Meisterstück abgeliefert haben. Doch ist dass das Ende der Fahnenstange? Hoffentlich nicht und wenn ich den Worten meines Gesprächspartners Alexander „Äxxl“ Stöcker Glauben schenken darf, stehen Stallion, trotz dreier überragender Alben, gerade erst am Anfang.
Letzten Samstag habt Ihr als recht genrefremde Band auf den Frostfeuernächte gespielt und in meinen Augen mächtig abgeräumt. Wie kommt es, dass Euch Veranstalter, trotz der "fremdartigen" Musik, immer wieder buchen?
Warum sie uns buchen, kann ich dir nicht beantworten (lacht), aber vermutlich hat es sich auch schon ein wenig rumgesprochen, dass wir uns auch auf genrefremden Veranstaltungen immer sehr wohl fühlen. Wir finden es allgemein gut, wenn Leute über ihren Tellerrand hinausgucken. Wir bekommen gerade bei solchen Veranstaltungen aus dem Publikum häufig das Feedback "eigentlich hör ich solche Musik ja gar nicht, aber euch fand ich mega gut". Man kann es auch so rum sehen: wenn man die einzige Heavy Band auf einem Festival ist, dann hat man es unter Umständen sogar leichter positiv aufzufallen. Wie dem auch sei, wir spielen eigentlich immer und überall gerne live. Wer uns bucht, der bekommt auch das volle Programm!
Wurdet Ihr auch irgendwo schon einmal angefeindet?
Direkt eigentlich nicht, dafür haben die Allermeisten nicht die Eier in der Hose. Hintenrum oder in der Anonymität des Internet kommt das natürlich schon vor, schließlich polarisieren wir musikalisch, vom Image her und aber auch durch unsere klare Haltung. Das ist eigentlich immer ein Zeichen dafür, dass man da was genau richtig macht und einen Nerv trifft. Definitiv Wasser auf unsere Mühlen (lacht)!
Weil du gerade die Anonymität des Internets ansprichst. Gab es Anfeindungen für "Kill fascists" von Eurem letzten Album?
Absolut ja! Dazu muss man sich nur mal die Kommentare unter dem YouTube Upload durchlesen, was ich mir ehrlich gesagt spare, haha. Das ist auch der einzige YouTube Upload der nur eine ca. 70%ige "Like/Dislike"-Quote hat. Das lässt schon auch tief blicken, dass in der so vermeintlich Weltoffenen "Metal-Community" Leute meinen, Faschisten zur Seite springen zu müssen. Klar ist die Formulierung an sich äußerst polemisch, man hätte den Song auch "Kill Fascism" nennen können. Aber es soll weh tun und die Leute entlarven und aus ihren Löchern herausholen. Wir haben keinen Bock auf Kindergarten schließlich arbeitet der Gegner mit viel härteren Bandagen.
Ich jedenfalls finde es mehr als gut, dass Ihr diesen Song auch live zweimal bringt, um dem Statement Nachdruck zu verleihen. War das von vornherein geplant?
Ne eigentlich gar nicht. Wir hatten schon länger die abstrakte Idee "mal ein Statement abzugeben". Ich hatte in der Vorproduktion zu "From The Dead" dieses 17 Sekunden Punk-Ding geschrieben. Als wir im Studio dann den Drum Soundcheck gemacht haben, hat Aaron zum Test ein, zwei Takes darauf eingespielt. Mit kaputten Becken, weil die Lieferung erst am nächsten Tag kam. Genauso ist es dann auf der Platte gelandet. Darüber der polemische Slogan, der glaube ich zu der Zeit schon auf meiner Gitarre stand und eine Hommage an Woody Guthrie ist und fertig war die Kiste. Das kam also wirklich von Herzen, haha
Finde nicht nur ich gut, sondern viele bei uns. Machen wir mal an die Vergangenheit einen kleinen Haken und widmen uns der Gegenwart. "Slaves of time" wird zu 100% in meinem Jahrespoll auftauchen, denn Ihr habt es einmal mehr geschafft, Euch zu steigern und diesen geilen Heavy / Speed Mix noch einmal zu toppen. Fliegt Euch das so einfach zu?
Das freut uns wirklich sehr! Man steckt in jedes Album unglaublich viel Leidenschaft, Schweiß und Tränen und das größte Lob ist dann, wenn dir am Ende jemand so etwas sagt. Vielen Dank (grinst). Ich glaube, zufliegen tun einem ganz selten Dinge im Leben. Aber mit der richtigen Einstellung kommt es einem manchmal so vor. Wenn man jeden Tag versucht am Ende des Tages ein besserer Mensch zu sein, dann passieren einem auch gute Dinge. Konkret was jetzt Stallion oder Songwriting angeht heißt das, dass ich versuche, jeden Tag etwas Neues zu lernen. Sei es Musiktheorie, Gitarrenspiel, Sound Engineering etc.… wer genau hin hört, entdeckt auf dem neuen Album viele Dinge, die wir vorher so noch nie gemacht haben. Das liegt schlicht daran, dass ich sie erst nach "From The Dead" gelernt habe. Work in Progress! Ich sehe uns da eigentlich erst am Anfang des Weges.
Wenn das nur der Anfang des Weges sein soll, möchte ich nicht ausmalen, wohin dieser führen soll, denn ich sehe Euch schon jetzt auf einer Stufe mit vielen Größen der Metalwelt. Gerade Songs wie "No mercy", "Merchants of fear" oder "Kill the beast" sind Sahnestücke in der momentanen Metalszene. Aber Du merkst schon, ich mag gerade die speedigen Stallion. Gibt es da eigentlich innerhalb der Band Diskrepanzen, was die Ausrichtung anbelangt? Will der eine mehr Bling Bling, der andere mehr Speed?
Das ist total interessant, bei uns shiftet das nämlich auch ständig. Mal stehen wir mehr auf die schnellen Sachen, mal eher auf die groovigen. Vermutlich ist es auch diese Dynamik, die die Sache frisch hält. Prinzipiell ist es so, dass ich eher der hardrockige, melodische Typ bin und Aaron und Paul z.B. es etwas räudiger mögen. Man trifft sich dann irgendwo in der Mitte und es kommt Stallion bei raus.
Gut, aber wichtig sind immer noch die Gitarren und nicht die Drums oder der Gesang, oder? Hahaha
Haha, jetzt geht's ans Eingemachte. Ich bin zwar schon manchmal ein bisschen Egomane, aber wenn es ums finale Produkt geht, muss man schon wissen wo der eigene Platz ist. Stallion wird einfach zu einem ganz großen Teil von Pauls Stimme getragen, darum ist das für mich das wichtigste. Auch hab ich nen mega Faible für geile Drums Sounds, also auch da werden keine Abstriche gemacht. Am Ende muss es stimmig sein. Aber ja: z.B. live mag ich es wenn die Gitarren sehr laut sind, ich find nämlich diesen "nur Vocals und doublebass"-sound auf manchen Veranstaltungen ganz fürchterlich.
Apropos Sound. Erneut habt ihr auf „Slaves of time“ einen Mördersound hinbekommen, der Eurem Livesound unglaublich nahekommt. Selber zufrieden oder gibt es da noch Stellschrauben?
Mega zufrieden! Der große Unterschied diesmal ist, dass wir uns jemand Dritten ins Boot geholt haben für den Mix, nämlich Marco Brinkmann von Hellforge Studios der z.B. die Platten von Vulture produziert hat, durch welche ich auch auf ihn aufmerksam geworden bin. Aufgenommen haben wir wie immer alles selber, bzw. für die Drums waren wir in den Woodshed Studios bei Victor Santura. Dieser Ansatz hat es mir zum einen erlaubt, mehr Musiker sein zu können, zum anderen hat man sehr wertvollen Input von jemandem sonst unbeteiligten. Das berühmte Paar zusätzliche Ohren.
Mit Christian und Clode feiern zwei Mitglieder ihre plattentechnische Premiere auf „Slaves of time“. Inwieweit konnten beide was zu den neuen Songs beitragen?
Christian Stämpfe hat schon auf der Release Show zu "From The Dead" gespielt und ist eigentlich keine "Neuer" mehr, fester Bestandteil dieser Band und trägt somit schon seit Jahren seinen Anteil bei. Clode ist Anfang letzten Jahres zu uns gestoßen, eigentlich mitten in den Aufnahmen, zu einem Zeitpunkt, an dem die Songs schon alle fertig geschrieben waren. Er hat dann in kürzester Zeit seine Solos komponiert und eingespielt. Wir sind mit beiden super happy (grinst).
Ihr kommt ja aus DER Metal Hochburg schlechthin: Dem Bodensee. War der Anfang dort nicht ungeheuer schwer für Euch?
Haha, ja das klingt jetzt komisch aber: Nein. Das liegt zum einen daran, dass unser Werdegang etwas unorthodox war, d.h. wir haben uns nicht in der lokalen Szene "hochspielen" müssen, da wir primär auf Facebook groß geworden sind. Zum anderen gibt es hier durchaus ne sehr coole oldschool Szene. Der Hotpsot dafür war - und ist immer noch - das Schlachthaus Dornbrin, wo sich die Maniacs aus der Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Deutschland getroffen haben und man sich gegenseitig unterstütz hat. Butsch von Indian Nightmare war da z.B. ebenfalls dabei, bevor er zu euch nach Berlin gezogen ist (lacht).
Danke dafür, denn Indian Nightmare sind neben Euch für mich DIE deutsche Metal Hoffnung schlechthin. Ich sah Euch erstmals 2014 im Vorprogramm von Bullet und Striker in Berlin, kaufte mir nach einem gigantisch geilen Gig gleich als Vinyl Euer Debüt „Rise and ride“. Nun sitzen wir fast 6 Jahre später zusammen und reden über Stallion. Musst Du Dich manchmal kneifen, wenn Du siehst, wie weit Ihr bislang gekommen seid?
In der Tat, ja! Manchmal kommt mir das schon alles sehr surreal vor. Ich erinnre mich noch, als ich mal im Publikum beim Keep it True mit Paul stand und zu ihm sagte "das wäre das Größte: nur einmal auf dieser Bühne zu stehen". Vorhin beim Einkaufen bin ich am Kiosk vorbeigelaufen und dort stehen das Deaf, das Rock Hard und der Metal Hammer in denen in jedem ein Interview mit uns zu lesen ist. Hättest du mir das vor 6 Jahren gesagt, hätte ich dich ausgelacht (lacht).
Mit High Roller Records seit Ihr ja labeltechnisch noch ganz tief im Underground verwurzelt. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass die großen Majors schon angeklopft und einen Fuß in der Tür haben…
Das wird sich jetzt wohl nach der Veröffentlichung zeigen. Bei einem Major Label zu sein hat nicht nur Vorteile, da muss der Deal schon stimmten. Bei HRR haben wir eben komplett freie Hand, das ist definitiv auch Luxus.
Äxxl, ich danke Dir für das Gespräch und möchte Dir und Stallion noch einmal Dank sagen für ein grandioses Album, was sich jeder zulegen sollte. Was würdest Du denjenigen sagen, die noch unentschlossen sind?
Olaf, wir danken dir! Das war ein super Interview. An die Unentschlossenen: kauft ne Blend LP, wenn euch die Mucke nicht gefällt, dann sieht sie zumindest gut aus, haha! Oder kommt zu einem Gig von uns vorbei und schaut auch das mal in persona an.