NOCH NICHT AUSGESCHLACHTET
Dass das Ruhrpott Pendant zur 1990er Death Metal Szene Floridas fast 5 Jahre für den Nachfolger des 15er Schlachtfest "Column of skulls"gebraucht hat, bedarf einer dringenden Erläuterung, da ich aus erster Quelle weiß, das "Repulsive transgression"schon eine ganze Weile darauf wartete, veröffentlicht zu werden. Aber wie heißt es so schön: Was lange währt, denn der dritte Rundling ist ohne Übertreibung nicht nur das Meisterstück von Sabiendas, sondern auch eine klare Kampfansage an viele Etablierte der Szene. Textlich, musikalisch und vor allem kurzweilig ist dieser Rundling kaum mehr vergleichbar mit dem 13er Debüt "Restored to life" und zeigt die konsequente Weiterentwicklung des sympathischen Fünfers bis hin zu diesem Kracher.
Natürlich muss zu diesem vortrefflichen Nackenschlag ein Gespräch mit Frontmann Jan folgen, mit dem mich seit Jahren eine Freundschaft weit über Facebook hinaus verbindet und die darin gipfelte, als ich mit ihm, Gitarrist Christian und Pestlegion Frontbarde Boe beim 2018er Party San nicht nur Unmengen an Strohhüten sammelte, sondern auch diverse Lieder eines recht bekannten, blonden Schlagerbarden zum Besten gaben, was mich bis heute noch massivst amüsiert.
Jan, ich gehe mal stark davon aus, dass Album Nummer vier bereits fertig in den Startlöchern steht, oder? Ich meine, „Repulsive transgression“ ist ja nun auch schon eine ganze Weile vor dem jetzt anstehenden Release am 22.05.2020 fertig geworden. Was gab es da für Verzögerungen?
Sagen wir so, es steht nicht in den Startlöchern, aber wir sind bereits dabei neue Songs zu schreiben. Da man momentan sowieso nicht Live spielen kann ist die Gelegenheit günstig. Nach der Veröffentlichung von "Column of Skulls" waren wir, wie du ja weißt, recht viel live unterwegs. u.a. zwei Touren nach UK. Wir haben im dann im Grunde ab Ende 2017 und bis Herbst 2018 an den Songs gearbeitet und nebenbei auch noch ein paar Shows gespielt. Anfang 2019 ging dann ins Studio. Leider standen wir nach Abschluss der Aufnahmen ohne Plattenfirma da, so dass wir erstmal Klinken putzen mussten. Dadurch zog sich ne Menge in die Länge. Hinzu kamen dann natürlich auch noch die Release-Termine des Labels. Bis zum nächsten Album wirds keine weiteren 4,5 Jahre dauern. Versprochen! Auf der Zielgeraden wurde der Termin dann auch noch wegen Corona um einen Monat verschoben.
Aber scheinbar habt Ihr mit Massacre einen recht guten Partner erwählt, gerade was die Bemusterung der neuen Scheibe angeht…
Das war tatsächlich auch einer der Gründe warum wir uns für Massacre Records entschieden haben. Professionelle Bemusterung, Vertrieb und Promotion war uns wichtig. Wir sind mit der bisherigen Zusammenarbeit auch sehr zufrieden. Wir hatten und haben da zu keiner Zeit das Gefühl, dass man als Newcomer behandelt wird. Aus der bisherigen Erfahrung alles sehr kooperativ und auf Augenhöhe. Ich bin selbst immer erstaunt über die Promotion. Die Online-Magazine erstrecken sich von Palermo bis Helsinki, wenn ich mir unser Postfach so angucke.
In Palermo gibt es Online Magazine? Das Cosa Nostra Mag?
(lacht) Ja vielleicht. Sagen wir einfach von Italien bis Finnland.Aber wenn’s dort mehr als 5 Leute gibt die Metal hören, gibt's da mit Sicherheit auch ein Fanzine.
Ich kenne um Eure Vorliebe für den Sound von Morbid Angel, für deren Album "Kingdoms disdained" Du sogar als Gastautor für unser Review verantwortlich warst. Nun habe ich schon einige Kommentare zum neuen Album gelesen und immer wieder fiel der Begriff „Florida“. Eine Anerkennung oder eher ein Damokles Schwert?
Nun, wie groß die Vorliebe für "Kingdom Disdained" in der gesamten Band ist, weiß ich nicht. Wir haben Florida ja bereits in unserem ersten Info zu "Restored to Life" selbst ins Spiel gebracht. Ich seh das nicht als Damokles Schwert. Warum auch? Florida bzw US-Death Metal der frühen 90er war die Schablone für ganze Genres bzw. Sub-Genres. England kann man wohl auch dazu zählen, da waren die Grenzen ja fließend. Eine Menge Bands würde es ohne z.B. "Altars of Madness" heute wahrscheinlich nicht geben. Aus dem Song "Liege of Inveracity" von Suffocation hat sich quasi ein Sub-Genre gebildet. Bis auf Toni sind wir alle 40+ und in der Zeit und in diesem Sound liegen unsere Wurzeln. Der schnelle, aggressive Death-Metal aus den USA, Holland, Polen, England hat da immer mehr gezündet als z.B. der Schweden-Sound mit seinem breiten wuchtigen Sound im Mid-Tempo. Wir machen einfach die Musik, die wir selbst gerne hören.
Textlich hast Du einmal mehr die grobe Keule ausgepackt, die mich an manchen Stellen allerdings auch zur Recherche veranlassten. Beispielsweise „General Butt Naked“, bei dem es sich um den liberianischen Kriegsverbrecher Joshua Milton Blahyi handelt, der nicht unbedingt zu der Gattung Mensch gehört, die ich gerne kennenlernen würde. Woher ziehst Du diese Inspirationen? Wie kamst Du gerade auf ihn?
Nun ich guck mir eben gerne True-Crime Dokus an. Daher bekomme ich auf Youtube auch immer entsprechende Vorschläge. Die Idee für das Gesamtkonzept kam, als ich online was über die "Donner-Party" gelesen habe. Das war eine Gruppe Siedler aus dem Oregon-Trail, die irgendwann im Winter in den Rocky Mountains eingeschneit wurde und dann ihre Toten gegessen haben. Im Site-Bar tauchte dann die Doku über den "Liberias Cannibal Warlord" auf. Tja und dann forscht man eben ein wenig weiter. Heute ist der Typ übrigens christlicher Friedensprediger.
Ich habe einfach nach "Persönlichkeiten" gesucht die im Mainstream und in der Pop.-Kultur nicht so oft ausgeschlachtet wurden. Hey, schönes Wortspiel, hahaha. Jeffrey Damer, Charles Manson, Ed Gain..sind doch ein alter Hut.
Auch bei „Dungeon keeper“ geht es nicht gerade zimperlich zur Sache, zu dem Ihr außerdem ein extrem geiles Video zusammen mit Legion of the damned Frontmann Maurice eingetütet habt. Erzähl mal was zur Entstehung des Songs und vor allem des Clips.
Nun, der Song stammt von Alex und ist im Grunde auch nicht anders entstanden als der Rest. Ich schreibe die Texte immer erst auf den fertigen Song. Klar habe ich vorher meine Ideen, über welches Thema ich schreiben will, aber ich bin dann der letzte in der Reihe. Wir hatten mit Massacre-Record vereinbart ein Video zu drehen und Alex ist mit Maurice seit "MySpace" in Kontakt und es war immer mal wieder im Gespräch mit ihm ein Video zu machen.
Gedreht haben wir das Ganze im Keller eines alten Industriegebäudes in Duisburg. Sehr verwinkelt und noch voll mit stillgelegten Heizungsanlagen, Schaltkästen usw. Einen haben wir dann kurzerhand zum Käfig umfunktioniert. Zusätzlich wollten wir natürlich Elemente des Textes, also alter gruseliger Mann sperrt Mädchen im Keller ein, und des Cover-Artworks unterbringen. Die Inspiration für den Story-Teil war aber im Grunde Elemente des "Backwood-Slasher"-Genres. (Texas Chainsaw Massacre, Wrong Turn, The Hills have Eyes). Leider hatten wir nur einen Drehtag zur Verfügung, aber Maurice ist da ein absoluter Profi und ich finde das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Weil Du es gerade angesprochen hast…Ein echter Eyecatcher ist ebenfalls das famose Coverartwork von Björn Lensing. Allerdings gab’s da auch ein paar Kleinigkeiten, die im Vorfeld der Veröffentlichung noch beseitigt werden mussten…
Da ging es weniger um die Veröffentlichung als vielmehr um den Entstehungsprozess. Die Arbeit mit Björn war ehrlich gesagt absolut traumhaft. Wir haben am Anfang telefoniert, um das Motiv zu besprechen. Das ganze Gespräch ging dann schnell in Richtung "Zwei Stühle, eine Meinung". Er hatte quasi ein ähnliches Bild im Kopf. Wir haben dann viel mit verschiedenen Entwürfen experimentiert und immer wieder Kleinigkeiten geändert. Auf einem Entwurf standen die Stühle alle sehr ordentlich in einer Linie oder alle Gläser auf dem Tisch waren gleich voll. solche Dinge fallen meist Toni sofort auf. Das Bild und der Tisch wurde dann von Entwurf zu Entwurf immer dreckiger und unordentlicher, mehr Blut, mehr Flecken, unordentlich abgelegtes Besteck usw. Dadurch wirkt das ganze sehr natürlich und "benutzt". Natürlich gibt es auch einen versteckten "Insider-Joke" im Artwork, aber der wird nicht verraten.
Den ich aber gefunden habe. Willste darüber was sagen?
Nee…vielleicht fällt es ja Irgendjemand mal auf. Sagen wir so wir haben im Artwork eine Referenz zu unserem Proberaum versteckt.
Ach...nun los...erzähl und zier Dich nicht so...
Alex hat im Proberaum ein große "Medi&Zini"Poster hängen. Manche erinnern sich vielleicht, das sind diese Poster die man als Kind immer in der Apotheke gekriegt hat. Meist mit einem Tiermotiv und in unserem Fall ist es ein Steinmarder. Björn war zur Vorbesprechung bei und uns und fragte was denn auf Cover soll. Die erste Reaktion von Alex war "Der Marder of Death" haha…nun und er hat es aufs Cover geschafft.
Weil Du gerade Toni angesprochen hast. Euer Drummer ist ja nun auch Teil der Sodom Crew und ist als Nachfolger von Husky präsentiert worden. Ich hatte ja anfangs etwas Schiss, dass er nun nicht mehr bei Sabiendas die Trommelstöcke schwingt. Ward Ihr selber überrascht von dieser Entwicklung und wie geht Ihr damit um?
Ja, überrascht waren wir schon. Toni war jedoch schon seit Jahren Drummer beim "Blackfire", daher bestand ja der Kontakt zu Frank bereits. Wir freuen uns für Toni. Er verfolgt schon lange das Ziel, beruflich nur noch Schlagzeuger zu sein und hat sich im letzten Jahr als Schlagzeuglehrer selbstständig gemacht. Wer also Stunden braucht, darf sich gerne melden. Toni ist aber auch weiterhin der Schlagzeuger von Sabiendas und daran wird sich auch nichts ändern. Da Toni ja im letzten Jahr ein Diskusrubtur hatte und über Wochen überhaupt nicht spielen konnte, haben wir ja bereits 2019 drei Gigs mit dem Marius von Death by Exile gemacht. (u.a. das Z.O.F.F.). Wir werden zukünftig die Kalender ein wenig aufeinander abstimmen und Marius wird dann live für Toni einspringen, wenn es nötig ist. Sabiendas wird also nicht zurückgefahren oder so.
Am 22.05.2020 ist es dann endlich soweit und „Repulsive transgression“ erblickt das Licht der Welt. Ihr kennt das Album ja nun mittlerweile in- und auswendig. Besteht dennoch ein wenig Nervosität und überwiegt die Vorfreude, dass das Baby endlich offiziell geboren wird?
Natürlich ist man aufgeregt und ein wenig unsicher, da man ja nie weiß, wie das Album aufgenommen wird. Die Promophase läuft und wir haben bisher nur sehr positive Rückmeldungen bekommen, daher überwiegt die Vorfreude, dass die Scheibe nun endlich rauskommt.
Du bist ja ein Quell an großartigen Anekdoten, wenn ich mich alleine an Eure vorhin schon angesprochene UK Rundreise einst mit Atomwinter erinnere. Was war denn für Dich die skurrilste Aktion, die Du jemals mit Sabiendas erlebt hast? Und ich hoffe jetzt nicht, dass da irgendwas mit unserem ZOFF vom letzten Jahr mit bei ist…
Nun legendär ist wohl unser "Schlafplatz" in einer Messi-Wohnung in Nottingham. Da waren wir alle seit 30 Std. auf den Beinen und sollten nach der Show in der Wohnung eines Freundes des Veranstalters übernachten. Nun die ganze Geschichte würde hier den Rahmen sprengen, aber so viel sei gesagt. Ich fühlte mich stark an die Toiletten-Szene aus Trainspotting erinnert und, na ja, in dem meisten Proberäumen ist der Boden sauberer und der Geruch war eher so Fitz Honka-Style.
Nun, dann gibt es noch einen Auftritt im Festsaal eine Schnitzelhauses in den Anfangstagen. „Das Schnitzelhaus - Zum Pit" Die Veranstaltung hieß dann auch "Mosh, Zum Pit" kannste dir nicht ausdenken. War auch niemand da (lacht). Eher positive, aber nicht weniger skurrile Anekdoten waren zwei Auftritte in Serbien 2014. Man hatte das Gefühl, man befindet sich wieder in Alten-Essen 1986. Donnerstags um 2.00 Uhr vor vollem Haus gespielt, als einzige Band die niemand kannte. Der zweite Gig war im Clubhaus eines örtlichen Biker-Clubs. Die Leute haben nen Circle-Pit um einen Billardtuch veranstaltet. Dieser stand auch genau 2m vor der improvisierten Bühne. So einen Enthusiasmus hab ich bis dahin noch nicht erlebt.