ECHT HART AM START
Als Hanjo Papst und Ralf Klein 1985 erstmals in die metallische Schlacht zogen, konnten sie definitiv nicht vorausahnen, dass ihre Karriere bis zum heutigen Tage 35 Jahre andauern würde. Nach der kurzzeitigen Umbenennung in Caiman und dem nach der erneuten Rückbenennung ersten selbstbetitelten Album im Jahr 2006 ging es dann allerdings ziemlich schnell bergauf, viele Konzerte und Festivalauftritte folgten nach und mit ihrem sympathischen Wesen konnten sich die Thüringer eine Menge Freunde und Fans erspielen.
Auch bei Zephyr’s Odem waren und sind Macbeth immer ein gern gesehener Gast was darin gipfelte, dass wir nun schon zum zweiten Mal in Folge als erste Vertreter der Presse überhaupt bemustert wurden, womit wir uns mit Review Nummer 6.000 zum neuen Album "Gedankenwächter" herzlichst bedankten. Ein mehr als vielschichtiges Album, welches alle liebgewonnenen musikalischen Trademarks der Band beinhaltet und textlich mit das Beste bietet, was je aus der Feder der Jungs geflossen ist. Selbstverständlich musste hierzu ein Interview folgen, welches wir Euch gerne nun präsentieren.
Ralf, schön, dass wir nach 4 Jahren mal wieder zusammen schwatzen können. Allerdings würde ich gerne mit einer Frage beginnen, die nichts mit Musik zu tun hat. Wie hast Du als Thüringer das Debakel in Euren Landtag mitbekommen und wie ist Deine Meinung dazu?
Ich bin geschockt, wie da aufeinander losgegangen wird. Wenn die Politiker ihren Job gemacht hätten, gäbe es gar keine AFD. Die sind nur das Symptom und nicht die Ursache. Eine Diskussionskultur gibt es schon lange nicht mehr. Die Stimmung ist so aufgeheizt, dass sich viele Leute wieder ins Private zurückziehen.
Weg von der Politik, hin zum aktuellen Musikgeschehen. Bedanken möchte ich mich bei Dir auf jeden Fall dafür, dass wir erneut die Ersten waren, die mit Eurem neuen Album „Gedankenwächter“ bemustert worden sind, was für die jahrelange gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen uns spricht. Allerdings drängt sich mir die Frage auf, warum es diesmal fast viereinhalb Jahre gedauert hat, bis uns der Nachfolger von "Imperium" vorgelegt wurde?
Ihr seid immer ein guter Gradmesser und sehr ehrlich. Deswegen ist es immer cool, wenn wir vorab schon ein Review bekommen, bevor alle anderen die Tasten glühen lassen. Wir wollten die drei Jahre zwischen den Alben eigentlich unterschreiten, aber bei mir in der Familie war jemand schwer erkrankt und das erforderte meine volle Aufmerksamkeit bzw. war ich dadurch gar nicht in der Lage, irgendwelche Songs zu schreiben.
Vollkommen nachvollziehbar und scheinbar hat Euch diese Pause auch nicht geschadet, denn gerade textlich habt Ihr meines Erachtens nach Euer absolutes Meisterstück abgeliefert. Wie ist Deine Selbstreflektion hierzu?
Diesmal hatte ich gar nicht so viel Zeit und musste notgedrungen im Urlaub auf Kreta ca. 80 Prozent der Texte erst einmal schreiben. Die Woche danach ging es schon scharf im Studio. Es ist immer schwierig sich selbst einzuschätzen. Da ist sicherlich immer noch Luft nach oben und richtig zufrieden bin ich nie.
Kannste aber, gerade wenn man Texte wie „Demmin“ liest und hört. Wie bist Du auf dieses sensible Thema gekommen?(Zitat aus meinem Review: „…thematisiert hier den Massenselbstmord von Demmin vom 30. April bis hin zum 3.Mai 1945, als die rote Armee vor den Toren der mecklenburgischen Stadt stand und unter anderen Mütter ihre Kinder mit Steinen an den Füßen im Fluss ertränkten, ehe sie sich selbst das Leben nahmen...“)
Hendrik von ostmetal.de (der auch unser Merchandiser ist) erzählte mir mal über Demmin, da seine Mutter dort geboren ist. Eigentlich wollte ich das Thema WKII diesmal umschiffen, aber diese Geschichte hat mich schon Jahre gefesselt. Es war schwierig, das ganze Geschehen in Worte zu fassen. Jeder der den Song gehört hat, sagt erst einmal eine Weile nichts mehr. Deswegen haben wir ihn auch ans Ende des Albums gepackt.
Eine sehr gute Entscheidung. Aber auch sonst hast Du eine ganze Menge interessanter Themen verfasst, wie auch „Daskalogiannis“, den Du ja anscheinend schon früher „verwursten“ wolltest. Hat Kreta da den entscheidenden Kick gegeben?
Ich war schon oft auf Kreta und da stolpert man irgendwann über diese Geschichte. Daskalogiannis stammt aus der Region Sfakia, die immer schon ein Zentrum des kretischen Widerstandes gegen fremde Eindringlinge war. Weder Venezianer, Osmanen oder zuletzt die Wehrmacht konnten diese Gegend vollständig erobern. Die Bewohner dieser Gegend sind auch heute noch stolz auf ihre Geschichte und feiern ihn jedes Jahr aufs Neue. Die haben es dort nicht so mit der Obrigkeit. Verkehrsschilder oder andere staatliche Sinnbilder werden gerne mal mit der Schrotflinte beschossen. Als ich seinen Geburtsort besuchte, warnten sie sich gerade gegenseitig, weil die Polizei mit dem Finanzamt im Anzug war. Das war total verrückt. Die lassen sich einfach nichts sagen und regeln alles unter sich. Das sein grausamer Tod keine Legende ist, beweist z.B. auch das Kloster Arkadi, wo sich 1866 ca. 1000 Menschen in der Waffenkammer in die Luft sprengten, um dem Gegner nicht lebend in die Hände zu fallen. Die sind echt hart am Start.
Du erwähntest ja bereits, dass Du ein wenig von der WKII Thematik wegwolltest, was Du in meinen Augen geschafft hast und hast Dich dafür sehr in der Thematik „Religion“ verbissen, was in „Neue Welt“ sehr gut wiedergegeben wird. Dazu noch der „Hexenhammer“, das Malleus Malificarum. Mel ehrlich, wer da nichts Interessantes findet, der hat doch nicht mehr alle Murmeln am Zopf, oder?
Wir sind in der DDR groß geworden und da war der religiöse Zinnober eher eine Randerscheinung und wurde, wenn überhaupt, im Privaten ausgelebt. Und das war gut so. Die Religionen wurden doch immer zum Machterhalt benutzt oder um schreckliche Dinge zu legitimieren. Da wurden ganze Völker ausgerottet oder versklavt. Religiöse Würdenträger waren oder sind selbst oft die größten Heuchler. Wir denken zwar immer wir leben in der Moderne, aber religiöser Wahnsinn scheint einfach nicht auszusterben. Deswegen wollte ich das mal illustrieren.
Wie kamst Du auf das Berthold Brecht Zitat bei „Brandstifter“, welches ja aktueller denn je ist und eigentlich auch prima zu unserer Eingangsfrage passt? („Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.“)
Das Zitat passt leider immer noch. Seit Joschka Fischers Zeiten als Außenminister sind wir wieder mittendrin im Kriegsgeschehen. Wer hätte das gedacht! Der Einsatz in Jugoslawien war im Nachhinein ein völkerrechtswidriger Einsatz, aber was soll´s. Gerade medial werden die Leute doch wieder auf Krieg eingenordet. Da werden wieder neue Feindbilder geschaffen, die wir dann mit viel Kriegsgerät auf den richtigen Weg bringen oder demokratisieren. Hat ja prima geklappt in Afghanistan, im Irak, Libyen usw.! Ich habe gerade erst heute wieder gelesen, dass Deutschland seine Rüstungsexporte wieder erhöht hat. Da klingelt es wieder in der Kasse. Die Leute, deren Vorfahren schon mit dem Blut von Millionen Menschen ihr Vermögen erwirtschaftet haben, sitzen immer noch fest im Sattel. Jeder neue Krieg wird uns immer als alternativlos verkauft. Und dann wundert man sich, warum die Welt vollends aus den Fugen gerät.
Kommen wir jetzt mal noch kurz auf die Musik zu sprechen. Ich finde, dass Ihr an Härte eine ziemliche Schippe draufgepackt habt. Gerade was „Friedenstaube“ oder „Krieger“ an fetten Riffs zu bieten hat zeigt einmal mehr, wie verdammt nochmal Heavy Metal zu klingen hat. Auch Ollis Stimme ist einmal mehr klar und deutlich zu verstehen, was ja bei deutschen Texten ein unbedingtes Muss darstellt. Also…komplett zufrieden?
Die Band ist voll zufrieden mit dem Ergebnis. Es hat sich einiges an Wut angestaut, die mit in die Songs eingeflossen ist. „Friedenstaube“ ist ein gutes Beispiel dafür. Der Drohnenkrieger, der aus der Ferne Menschen umbringt und am Abend wieder fein nach Hause geht. Dann fragt vielleicht noch die Frau: "Wie war dein Tag?" Da platzt einem doch der Arsch. Und das Ganze noch von Ramstein aus. Mit Patrick W. Engel wieder im Studio zu sein, tat sein Übriges zum Gelingen des Albums. Die Motivation war sowieso schon hoch, aber er hat uns zusätzlich noch beflügelt und hatte die eine oder andere zündende Idee.
Olli ist ein Phänomen. Er polarisiert natürlich auch. Die einen lieben seine Stimme, die anderen hassen sie. Das liegt aber wohl mehr am deutsch, denn ich bin immer noch der Meinung, wenn Olli ordentlich englisch singen könnte, würde sich jede Bay Area Thrashkapelle über das Geplärre freuen (lacht).
Nun kommt das gute Stück erst am 29.03.2020 via Massacre Records auf den Markt. Thematisiert haben wir eine ganze Menge. Wie groß ist die Vorfreude auf den Release und wie geht’s weiter? Schöne Releaseshows sind ja schon angekündigt, vor allem das Teil mit Disbelief wird wohl DER Hammer…
Wir freuen uns riesig und die Erwartungshaltung der Leute ist gewaltig. Das macht es so spannend. Wir werden wie immer eine ganze Reihe Gigs über das Jahr verteilt spielen. Auf das Ding mit Disbelief freuen wir uns sehr. Passt ja bestens und Dresden ist immer eine Reise wert.
Macbeth / Disbelief Record Release Show
Abschließend die Frage, wie sehr Du Dich auf das Review einer bestimmten Kollegin eines Mitbewerber Blättchens freust? Da gab es ja in der Vergangenheit einiges an salbungsvollem Spott…
Mittlerweile sind mir die meisten "Edelfedern" scheißegal. Das muss man auch erst lernen. Geschmäcker sind halt verschieden und so eine Einschätzung ist eben immer subjektiv. Die Trulla hatte sich damals nur im Ton vergriffen und schlecht recherchiert. Übrigens ist beim Metal Hammer immer noch Luft nach unten. Bei Metal.de war "Imperium" seinerzeit Album des Jahres und im Metal Hammer gab es 2/5. Da hoffen wir diesmal auf eine 1/5. Arschbombe des Monats gibt es bei denen glaube ich nicht (lacht).