KÖRPERDURCHSUCHUNGEN BEI GRENZKONTROLLEN
Na endlich! Ein Aufschrei der Verzückung hallte durch die Wohnzimmer der altvorderen Thrash Maniacs als bekannt wurde, dass Protector am 26.04.2019 endlich mit dem heißersehnten neuen Longplayer namens "Summon the hordes" um die Ecke biegen würden. Wir hatten das Glück, dieses ultrabrutale und geile Album bereits genaustens unter die Lupe zu nehmen und waren hin und weg. Natürlich mussten wir bei Mastermind Martin Missy unbedingt nachfragen, wie, warum und vor allem weshalb man insgesamt gute 33 Jahre auf das mit Abstand beste Album in der Karriere der Thrashmaniacs warten musste. Im Übrigen unser drittes Interview nach 2013 und 2016…und der 3 Jahres Rhythmus darf natürlich nicht durchbrochen werden…
Martin, wie geht’s, wie steht’s? Alles frisch und munter?
Ja, hier ist im Moment alles im grünen Bereich. Ich hoffe, Dir geht es mittlerweile auch wieder etwas besser?
Tut es, danke der Nachfrage. Und vor allem geht die Genesung weit schneller voran, wenn man dazu als Soundtrack so einen Killer wie „Summon the hordes“ im Ohr hat. Was hat Euch dazu veranlasst, dass in meinen Augen beste Album Eurer Karriere einzutrümmern?
Wir haben uns diesmal mit dem Songwriting ausführlicher beschäftigt als auf den vorherigen Alben. Bei "Reanimated Homunculus" haben wir die Songs einfach geschrieben, und dann aufgenommen. Bei "Cursed and Coronated" sind wir schon etwas professioneller an die Sache rangegangen. An den neuen Songs haben wir viel mehr rumgeschliffen. Außerdem haben wir ein Pre-Production Tape aufgenommen, was uns nochmal geholfen hat, die Songs immer anzuhören. Und am Ende hat auch Harris Johns hier und da ein paar Kleinigkeiten verbessert. Ob dies alles nun dazu geführt hat, dass wir ein super Album aufgenommen haben, müssen selbstverständlich die Fans entscheiden.
Ich glaube, dass sollte das kleinste Problem darstellen, denn die Reaktionen auf unser Review kann man schon fast als euphorisch bezeichnen. Wie lebt es sich eigentlich damit, immer noch als Underground wahrgenommen zu werden, obwohl der Zuspruch weltweit so enorm groß ist und viele andere Genrekollegen aus früheren Tagen heute den Lohn ihrer Arbeit einheimsen?
Ich denke, wenn wir mehr Erfolg haben wollen würden, müssten wir vor allem Live mehr präsent sein. Wir spielen normalerweise ja nur 4-6 Gigs pro Jahr. Im vergangenen Jahr waren es gar nur 3 Gigs. Dazu müsste man dann aber professionell unterwegs sein, d.h. keine Arbeit haben, von der man ständig Urlaub nehmen müsste. Außerdem wird das mit dem "viel Live spielen" auch schwer, da wir diesbezüglich auf Europa beschränkt sind. Ich habe ja Platzangst, und da ist nix mit dem fliegen.
Gut, dass Du das ansprichst, denn da hätte ich später noch was zu gefragt. Hattest Du eigentlich schon immer Platzangst?
Nein. Ich bin Ende der Neunziger zweimal in den USA gewesen. Da ging das eigentlich ganz gut mit dem fliegen. Hatte dann mal ein etwas unangenehmes Erlebnis in einem Flieger beim Anflug auf den Frankfurter Flughafen, und danach war's dann vorbei mit der Fliegerei.
Zurück zum neuen Album. Ihr habt mit der Legende Harris Johns aufgenommen. Ein Umstand, den gerade die Oldschooler, zu denen ich mich auch zähle, mächtig abfeierten und abfeiern werden. Wann kam Dir dazu die Idee und wie wurde das umgesetzt?
Zuallererst einmal möchte ich betonen, dass wir mit der Arbeit, die Tomas Skogsberg auf "Reanimated Homunculus" und "Cursed and Coronated" abgeliefert hat, sehr zufrieden waren. Wir wollten halt einfach mal etwas Neues ausprobieren, und da kamen wir dann auf Harris. So "neu" ist er natürlich nicht in diesem Zusammenhang, er hat ja u.a. auch schon das Protector Album "A Shedding of Skin" produziert, aber für die heutige Besetzung war er eine neue Erfahrung. Meine Bandkollegen haben in Berlin aufgenommen, und ich in Stockholm. Harris ist dafür dann auch extra hierhergeflogen.
Sicherlich keine unbedingt günstige Lösung. Inwieweit hat Euch Harris weitergebracht?
Eigentlich ist er vom Typ her genau dieselbe Person wie Tomas Skogsberg: Sehr ruhig und besonnen, und natürlich auch sehr professionell. Der größte Unterschied war wohl, dass er uns etwas "härter rangenommen" hat, als Tomas. Da wurde z.B. schonmal ein Teil aus einem Song weggelassen, und ich musste im Studio noch ein paar Verse zu einigen Songs schreiben, da er kein großer Fan von Wiederholungen ist. Inwieweit er uns vom Sound her weitergebracht hat, weiß ich nicht. Ich bin soundtechnisch eher eine Niete. Das müssen also andere entscheiden. ich bin auf alle Fälle mit seiner Arbeit sehr zufrieden.
Mir fiel an Eurem neuen Album besonders auf, dass man den Enthusiasmus, die Leidenschaft, die Passion so schön heraushört. Hattet Ihr bereits während des Songwritings das Gefühl, dass hier etwas ganz Großes entsteht?
Ich würde nun gerne behaupten können, dass wir von Anfang an wussten, dass dies ein sehr gutes Album werden würde. Das war allerdings nicht so. Wir haben beim Songwriting eher genau dasselbe Gefühl gehabt wie vorher. Wenn man die Songs mehrere hundertmal gehört hat, verliert man (oder besser gesagt: ich) das Gefühl dafür, wie gut die Songs, im Vergleich zu unseren anderen Alben, und den Songs anderer Bands, wirklich sind. Auch das ist im Endeffekt etwas, dass die Fans entscheiden müssen, die die Songs zum ersten Mal hören werden.
Unser Maik jedenfalls war mehr als angetan und auch ich bin hellauf begeistert. Kribbelt es jetzt schon, die neuen Sachen auf die Bühne zu bringen?
Ja, da freuen wir uns schon sehr darauf. Im Moment sieht die Planung jedoch vor, erstmal nur einen der neuen Songs in die Setlist aufzunehmen, da wir wissen, dass der Großteil des Publikums natürlich vor allem wegen unserer alten Songs zu den Gigs kommen und da wollen wir sie natürlich nicht enttäuschen. Falls das Album nun jedoch plötzlich einschlagen sollte wie eine Bombe, müsste man diese "Ein song-Policy" aber vielleicht nochmal überdenken.
Das solltet Ihr aber definitiv, denn es gibt genügend Kracher auf dem Teil. Aber dazu kommen wir noch. Welche Horden wollt Ihr mit dem Album beschwören?
Der Titeltrack ist unseren Fans, den "Sons of Kain", gewidmet. In dem Song geht es darum, dass wir uns darauf freuen, unsere Fans auf unserem Gig zu treffen. "Summon the Hordes, Protector is in town, Summon the Hordes, for a Thrash Metal meltdown". Wir haben bisher ja auf jeder unserer drei Platten seid er Neugründung von Protector mindestens einen Song dabeigehabt, den wir unseren Fans gewidmet haben ("Sons of Kain" 2013, und "To Serve and Protect" 2016).
Beim Titel „Glove of love” fallen mir tausend Assoziationen ein. Was bitte ist der Handschuh der Liebe?
Hahaha, das ist unser "Abschluss-Funsong". Hatten wir auf "Reanimated Homunculus" mit "Calle Brutal", sowie "Cursed and Coronated" mit "The Old Boil" auch schon gemacht. "Glove of Love"...die Idee kam bei einer unserer langen Autofahrten zu / von einem unserer Gigs auf. Im Auto unterhalten wir uns wirklich um "Gott und die Welt", und irgendwann kam dann das Gespräch auf das Thema "Körperdurchsuchungen bei Grenzkontrollen" auf. Wir haben einen gemeinsamen Kumpel, der solch eine Durchsuchung einer bestimmten Körperöffnung mal über sich ergehen lassen musste. "Natürlich" artete das Gespräch dann aus, und es kam immer mehr Flachs hinzu. Am Ende stand dann die Idee des Songs "Glove of Love". Der Titel ist natürlich mit einem "Augenzwinkern" aufzunehmen, da der Gummihandschuh, den ein Grenzbeamter bei der Untersuchung eines Hinterns trägt, nicht gerade ein "Liebeshandschuh" ist.
Hahaha, sehr sehr gut. Ich finde diese Idee des „Fun Songs“ bereits seit „Space cake“ großartig. Auch wenn Du ein wenig das Gefühl für die Songs verloren hast, welches sind deine Lieblingssongs? Meine Favoriten sind „Steel caravan“, “The celtic hammer“ und vor allem “Two ton Behemoth”…
Bei mir sind es "Realm of Crime", sowie "Three Legions". Ich habe übrigens drei Songs zu dem neuen Album beigesteuert (bei den beiden anderen war's jeweils nur ein Song), und Mathias hat zwei der Texte geschrieben (normalerweise bin ich für alle Texte verantwortlich).
Oh, eine neue Arbeitsweise. War es denn sehr ungewohnt oder erschlossen sich neue Perspektiven?
Unser Basser Mathias ist ja auch Sänger (in Suicidal Winds und Axis Powers). So war er das mit dem Texteschreiben schon gewohnt. Und ich hatte ja ein wenig Übung durch die beiden Songs, die ich für Reanimated und Cursed geschrieben habe, erhalten. Was etwas schwieriger ist, das ganze musikalisch rüberzubringen, da ich keine Gitarre spiele. ich habe also die Riffs "gesungen" und mit meinem Handy aufgenommen. Anschließend habe ich die Soundfiles dann an meine Bandkollegen geschickt (die ja 500 Km entfernt von mir wohnen), und die mussten dann versuchen das "Gesumme" in richtige Akkorde umzuwandeln. Das ist ihnen übrigens sehr gut gelungen. Die Songs wurden am Ende genauso, wie ich sie mir in meinem Kopf vorgestellt hatte.
Das wäre doch mal eine Idee für eine Akustik Tour: Martin Missy summt die größten Protector Hits…
Haha, ja das wäre was, ich als Akapella Sänger auf großer Europatournee! Ich glaube die Leute würden in Scharen den Konzertsaal verlassen.
Wo würdest Du in Eurer Discography „Summon the hordes“ einordnen und vor allem warum?
Oh, das ist wirklich schwer zu beantworten. Man neigt ja als Artist oft dazu das letzte Album als "das Beste" anzusehen, weil alles noch frisch in den Ohren klingt. Erst mit ein wenig Abstand werde ich persönlich die Platte in unseren Backkatalog einreihen können. Frag' mich also bitte in ein paar Jahren nochmal.
Als ich Dich um ein paar aktuelle Promofotos fragte, bekam ich sage und schreibe ein einziges. Was ist denn da los? Zu hässlich für gute Aufnahmen oder was läuft da schief?
Hehehe, du ahnst nicht wie lange ich im Photoshop an dem einen Bild rumbasteln musste, damit wir im Endeffekt einigermaßen hübsch aussehen. Spaß beiseite: Ich hatte, zu einem unserer seltenen Rehearsalwochenenden in Uddevalla, die professionelle Kamera, die ich von meinem Vater geerbt hatte, mitgenommen, damit wir Bandfotos machen konnten. Wir haben dann in dem Gebäude, in dem sich mehrere Übungsräume befinden, auch jemand gefunden, der dann die Fotos von uns machen konnte. Anschließend haben wir munter drauflos gepost. Als ich wieder in Stockholm war, um die Bilder auszuwerten, stellte ich mit Enttäuschung fest, dass die meisten etwas unscharf waren. Ich hatte vergessen an der Kamera eine bestimmte Einstellung abzuändern. So kam im Endeffekt nur ein brauchbares Foto bei der Session heraus. Und da meine Bandkollegen so weit weg von mir wohnen, konnten wir die nicht einfach schnell mal wiederholen.
Dann solltet Ihr vielleicht unseren Thor mal wieder ranlassen, der ja einige Fotos zu Eurem Innersleeve bei „Cursed and coronated“ beigesteuert hat…
Genau das fiel mir in dem Zusammenhang, ehrlich gesagt, dann auch ein! Ich hoffe Thor macht demnächst mal wieder Urlaub in Schweden, dann könnten wir vielleicht einen Fototermin hinbekommen.
Und wenn nicht, so hat er jetzt einen Grund, einmal mehr in Euer schönes Land zu reisen. Ihr seid seit Eurer Rückkehr aus dem musikalischen Exil bei High Roller Records unter Vertrag. Ein Label, welches sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer echten Perle entwickelt hat. Wie ist es dort als sicherlich nunmehr Dienstälteste Band?
Wir sind sehr dankbar dafür, dass High Roller unsere Platten veröffentlicht. Die Zusammenarbeit mit HRR läuft immer bestens. Wenn man eine Frage hat, schickt man einfach eine E-Mail, und hat oft am selben Tag (manchmal sogar postwendend) eine Antwort. Die Zusammenarbeit mit André Türhoff, dem Layouter von HRR, läuft auch immer super. Er hat ein klasse Gespür dafür, wie ein Booklet / Innensleeve, etc. auszusehen hat. Und wenn ich Ideen habe, setzt er sie schnell und professionell um. Und dass HRR mit Patrick Engel (Mastering) zusammenarbeiten, ist auch genial. Patrick macht wirklich einen super Job! High Roller sind, für eine Band von unserer "Größenordnung", genau die richtige Plattenfirma.
Ich habe Dich ebenfalls für unseren Songcheck gewinnen können. Dabei kam aber von Dir die Ansage: Bitte nur was Altes, denn ich höre keine neuen Scheiben. Wieso denn das nicht? Welches war denn die letzte Band, die Du für Dich entdeckt hast?
Ui, da muss ich mal überlegen...vermutlich Nifelheim, vor so ca. 15 Jahren. Ich weiß auch nicht, warum ich größtenteils nur meine alten Faves höre. Vermutlich bin ich einfach nur alt geworden, und allem neuen gegenüber skeptisch. Oder es liegt daran, dass ich mir zum musikhören nicht mehr so viel Zeit lasse, wie in den 80ern. Wenn ich "neue" Bands entdecke, dann sind das oft alte Bands, die ich damals nicht auf dem Schirm hatte. Beispiel: Agent Steel.
Welche Faves hast Du denn?
Wo soll ich anfangen? AC/DC gehen natürlich immer. Damals (1980) habe ich damit angefangen. Motörhead sind auch genial. Anschließend haben wir da noch Venom, Slayer, Exodus, Accept, Judas Priest, Iron Maiden, Saxon, Celtic Frost, Mercyful Fate, Nifelheim, Riot und eben seit einiger Zeit auch Agent Steel.
In Deutschland und der gesamten Welt ist ja mittlerweile um Deine Landsmännin Greta Thunberg eine regelrechte Hysterie ausgebrochen. Kriegt man davon in Schweden eigentlich auch etwas mit? Und wie findest Du die Idee, sie für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen?
In Schweden bekommt man schon etwas mit, aber ganz so hysterisch ist die Stimmung hier diesbezüglich nicht. Ich finde, dass sie einen guten Job damit macht, Leute (sowohl Politiker als auch "normale Bürger") wachzurütteln. Wenn ich mal daran denke, wie lange uns Menschen schon bewusst ist, dass wir erheblich mehr für die Umwelt tun müssen (spätestens seit Ende der 70er Jahre), und wie wenig (so ist zumindest mein Gefühl) im Endeffekt dafür getan wird, kann man schon sehr beunruhigt sein. Da muss einfach mehr geschehen! Und Greta macht da eine sehr gute Arbeit. Ob dies jedoch nun schon für den Friedensnobelpreis reicht, weiß ich nicht.
Wann sehen wir Protector wieder in unseren Breitengraden?
Wir werden im April für zwei Gigs nach Deutschland kommen (Hannover und Kaiserlautern), und im September werden wir in Kassel spielen. Im Oktober ist dann auch noch ein Gig in Wolfsburg geplant.