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Im Jahr 1985 fand meine metallische Live Entjungferung statt, als ich als damals 13jähriger im Berliner Quartier Latin Zeuge der großartigen Anthrax/Overkill/Agent Steel-Tour wurde und von diesem Moment an mit dem Overkill-Virus infiziert wurde. Dies gipfelte dann darin, dass der 1991 erschienene Rundling „Horrorscope“ zu einem meiner Alltime-Faves avancierte und bis heute für mich unerreichbar schien. Ja, Ihr habt richtig gelesen…BIS HEUTE, denn das am 10.Februar 2017 in die Regale kommende neue Album „The grinding wheel“ rüttelt heftigst am Thron meiner liebsten Overkill’schen Publikation und löste innerhalb der Redaktion und meines Freundeskreises angeregte Diskussionen aus, welches denn nun DAS wegweisende Overkill Produkt schlechthin sei. Ein richtig mieses Album haben die Jungs aus New York letztmals für mich im Jahr 1993 mit „I hear black“ veröffentlicht, welches als Nachfolger des von mir in höchste Sphären gehobenen Werks natürlich eine enorme Meßlatte zu überspringen hatte.

Doch das ist Schnee von gestern, wobei ich natürlich nicht umhinkonnte, mit einem enorm gesprächigen, witzigen und eloquenten Bobby „Blitz“ Ellsworth auch diese Themen anzuschneiden, natürlich neben der bald anstehenden Veröffentlichung des neuen Megakrachers…

Blitz, ich danke Dir für Deine Zeit und die Möglichkeit, mit Dir mal etwas ausführlicher zu reden und ich hoffe, Du verstehst alles, was ich Dich fragen werde…

Ich verstehe auf jeden Fall Dein Foto hier bei Skype, mit Deiner Kutte und allen Patches drauf, denn DAS ist Heavy Metal und somit dürften wir keinerlei Probleme miteinander haben, hahaha.

Mein erstes Metal Konzert war die bereits in meiner Einleitung erwähnte Rundreise zusammen mit Anthrax und Agent Steel, wo Ihr mich als Fan gewonnen und bis heute behalten habt. Kannst Du Dich noch an einige Anekdoten erinnern?

An das Berlin Konzert weniger, hey, das ist 32 Jahre her, aber an den ersten Gig in München in der Alabama Halle kann ich mich gut erinnern, denn das war unser Einstieg in die Tour und für uns das erste Mal, dass wir in Deutschland unterwegs waren. Wir wurden komplett abgefeiert und so schnell wie unser Gig begann, war er auch schon wieder vorbei. Das war ein grandioses Gewitter, wir waren alle total begeistert und das ist bis heute ein heiliger Moment in der Geschichte Overkills.

Wenn man überlegt, dass Overkill in das nunmehr 37.Bandjahr seit der Gründung als Virgin killer geht wundert es mich immer wieder zu sehen, wie fit Du nach all der Zeit immer noch bist. Was machen wir Anderen falsch oder hast Du einen geheimen Jungbrunnen entdeckt?

Ich kaufe meine Drogen nicht mehr auf der Straße, sondern gehe dafür mittlerweile in die Apotheke, hahahaha. Ich musste ja aufgrund meiner damaligen Krebs-Erkrankung eine Menge Medikamente nehmen, die meinen Körper irgendwie so konserviert haben, wie er jetzt noch ist. Aber eigentlich liegt es an meiner bezaubernden Freundin, mit der ich viel unterwegs bin. Ich wohne in einer sehr ländlichen Gegend mit viel Wald und Bergen und da sind wir viel unterwegs. Dazu habe ich ein kleines Gym in meinem Haus, versuche mit einigermaßen gesund zu ernähren. Ich war früher ein totaler McDonalds Junkie, gerade wenn wir auf Tour waren und es nichts Vernünftiges zu essen gab. Das ist aber ein generelles Problem, dass viele Leute bequem werden, nicht mehr vernünftig kochen und lieber den Weg des geringsten Widerstands gehen.

1985 mit „Feel the fire“ das erste Album. Nun, 32 Jahre später, das 18. Abendfüllende Werk namens „The grinding wheel“. Das muss doch für Euch ein Traum sein, nach so vielen Jahren immer noch präsent und vor allem erfolgreich mit dem zu sein, was Euch am meisten Spaß macht, oder?

Wer sagt, dass das ein Traum ist (lacht)? Da ich mittlerweile etwas zurückgezogener lebe, kriege ich davon gar nichts mit, hahaha. Nein, es ist schon toll und wir versuchen immer wieder, unsere Energien punktuell auf ein Album oder die Shows zu konzentrieren und das merken die Fans und honorieren dies entsprechend. Am meisten pushen uns die Konzerte und diese freigesetzte Dynamik haben wir uns über die drei Dekaden versucht, zu erhalten. Und genau das kann man bei unseren Scheiben dann auch hören.

Als ich „The grinding wheel“ in Vorbereitung auf unser Gespräch erstmals hörte, fiel mir fast die Kinnlade runter, denn in meinen Augen ist das Teil Eure stärkste Veröffentlichung seit „Horroscope“. Aber auch sonst habt Ihr in all den Jahren nicht mit großartigen Alben gegeizt. Wie kommt es, dass Ihr nach dieser langen Zeit im Business immer noch so fit, frisch und kompromisslos zugange seid? Einen Teil davon hast Du mir ja eben schon beantwortet…

Jeder von uns, ob das nun damals oder heute war, versucht stetig, die Band zu verbessern. Das ist in unseren Köpfen fest verankert und ein großer Bestandteil dessen, was uns beim Songwriting antreibt. Als wir „The grinding wheel“ angingen und unsere Ideen zusammentrugen merkten wir schnell, dass viele Elemente in unseren neuen Songs sind, die uns über die Jahre musikalisch begleitet haben. NWOBHM, Rock’n’Roll, Thrash Energien, epische Refrains und da dachte ich selbst: Oh my god, wir haben ALLES auf einem Album, was den Sound von
Overkill maßgeblich beeinflusst hat. Under the influence quasi, hahaha. D.D. hat auch mit seinem Enthusiasmus die Band während der Aufnahmen immer nach vorne gepusht und uns zu Höchstleistungen angetrieben, was man dem finalen Produkt auch anhört.

Dennoch war ich etwas überrascht über ein neues Album, irgendwie hatte ich das gar nicht auf dem Schirm, denn ich konnte mir kaum vorstellen, dass Ihr aufgrund Eures exzessiven Tourens überhaupt Zeit finden würdet, irgendwelche neuen Stücke einzutüten…

Ideen kommen immer irgendwie zustande und ich selbst habe da ein ziemlich leichtes Spiel, da ich ja „nur“ die Vocallines und Lyrics beisteuern muss. Das macht sich ja quasi von selbst (lacht laut). Die Demos entstehen meist im hinteren Bereich des Tourbusses…da fällt mir gerade eine Anekdote ein. Für „White devil armory“ hatten wir bereits fertige Demos in der Hinterhand, als wir in New York zusammen mit Kreator einen Gig gespielt haben. Irgendwie kam uns dann während des Soundchecks die Idee, einfach mal ein paar Sachen davon live anzutesten und zu schauen, wie die Leute darauf reagieren würden. Da die Reaktionen durchweg positiv waren, haben wir das Teil doch nicht in den Müll geworfen, hahaha. Ich selber empfinde das Arbeiten an neuem Material als inspirierend und niemals als „Arbeit“ an sich, vielleicht klingen wir daher so spontan…

Was glaubst Du persönlich wie das neue Album ankommen wird?

Nach 37 Jahren im Business und 32 Jahren Touren habe ich persönlich keinerlei Erwartungen. Ich kenne meine Formel wie ich performen muss, damit es den Leuten und vor allem mir gefällt. Auf jeden Fall sind wir zutiefst befriedigt mit dem neuen Material und sind außerdem begeistert von der Arbeit, die Andy Sneap abgeliefert hat. Wir hatten ihm unsere Vorstellungen übermittelt und er hat uns die fettesten Gitarren verschafft, die wir seit langem auf einer Scheibe hatten. Und ich gebe Dir Recht, wenn Du das Album mit „Horrorscope“ vergleichst, denn auch damals hatten wir einen unglaublichen heavy Gitarrensound. Ich glaube, die Leute werden das Album gut annehmen und honorieren, was wir hier geleistet haben. Aber im Endeffekt muss ich zufrieden sein…und das bin ich…zu 100%

Erkläre mir doch mal, was sich hinter dem Titel „The grinding wheel“ verbirgt? Ist es eine Matapher für Dinge, die einen zermalmen, Sachen, die man zurücklassen muss?

Ich muss Dich da leider enttäuschen, so intelligent sind wir nun auch wieder nicht, hahaha. Der Titel geht zurück auf ein Ereignis auf unserer Tour mit Symphony X in den Staaten. Während dieser Tour war die Football Saison in vollem Gange und wir haben sonntags alle zusammengesessen, um die Spiele zu schauen und der Begriff „Grind“ bedeutet hier, dass man etwas unter allen Umständen möglich machen will. Wenn ein Team mit dieser Strategie erfolgreich ist, dann haben sie „gegrindet“. Wir haben diesen Begriff dann überall und immer für irgendwelchen Scheiß verwendet: Das wurde hier gegrindet, ich grinde das und so weiter und irgendwann ist dieser Begriff in unseren Wortschatz eingeflossen…wahrscheinlich auch deshalb, weil wir uns auch mit allem uns zur Verfügung stehenden Mittel durchsetzen wollen. Wenn man hier eine Metapher reininterpretieren kann dann die, dass man sich dursetzen kann wenn man will und dieses auch unter allen Umständen versuchen soll.

Weil Du gerade Football angesprochen hast. Ich weiß, Du bist Fan der New York Giants. Ich persönlich unterstütze die Green Bay Packers, die ja am vergangenen Wochenende…

Das Gespräch ist hiermit offiziell beendet, hahahahaha. Nein…Glückwunsch, dann lief ja alles zu Deiner Zufriedenheit. Sie sind in meinen Augen das momentan heißeste Team der gesamten Liga und ich gehe stark davon aus, dass sie auch den Superbowl erreichen werden und zwar gegen New England. Leider konnten wir das Spiel alle nicht verfolgen, da wir in einem alten, geschlossenen Kaufhaus in New Jersey einen Videodreh hatten. Versuch da mal bei minus 10 Grad dein Handy ruhig zu halten, um wenigstens ein bisschen vom Spiel zu sehen. Wir haben alle um die Wette gezittert (lacht laut).

Ich diskutiere oft und viel mit meinen Freunden über Overkill…unsere Lieblingsplatten, unsere Lieblingssongs. Meine sind „Rotten to the core“, „Horrorscope“ und „Hello from the gutter“…und Deine?

Jesus…das sind so viele…schwer, da drei rauszupicken. „Ironbound“ ist definitv einer davon, der mich beim Komponieren und schreiben schon überrascht hat. Auch hier findest du ganz viele verschiedene Elemente in nur einem Song, was ihn dann so spannend macht. Viele unterschiedliche Kontraste zwischen Dunkelheit und Licht, sehr sehr abwechslungsreich, was ich persönlich am meisten in unseren Songs mag. Außerdem liebe ich „Skullcrusher“, der durch seine Einleitung eine tierische Spannung aufbaut, ein unglaublicher Song und der dritte kommt definitiv von der „Horroscope“, denn das Teil liebe ich immer noch wie am ersten Tag…so wie Du. Ich sagte anfangs ja…wir verstehen uns, hahaha. Ich glaube…ich nehme da „A nice day for a funeral“.

Du weißt schon, dass es in Dresden einen Heavy Metal Club mit dem Namen Skullcrusher gibt?

Ohja, klar kenne ich die Leute und habe die auch schon Zuhause besucht. Ich glaube die Freundschaft währt schon seit gut 20 Jahren und als wir bei einer früheren Tour mal einen Day Off in Hamburg hatten, haben wir miteinander Zeit verbracht, haben ein paar Brauereien besucht, das ist schon alles sehr persönlich. Tolle Menschen…

Wie ja nun mittlerweile fast alle Metalheads wissen, begründet sich Euer Bandname auf den gleichnamigen Song der legendären Motörhead. Was war das im letzten Jahr für Dich ein Gefühl, als Lemmy von uns gegangen ist?

Das ist ziemlich persönlich für mich. Wir waren in den Achtzigern das erste Mal mit Motörhead zusammen auf Tour und haben Lem dort das erste Mal persönlich kennengelernt, was natürlich anfangs mit einer riesigen Portion Respekt verbunden war. Wir waren alles junge Burschen und dann triffst du solch eine Ikone…natürlich auch Würzel, Phil Campbell und Animal Taylor…und die Jungs waren so, wie wir es uns in unseren kühnsten Träumen nicht hätten ausmalen können. Normale Typen, großartige Menschen, wie wir es immer wieder auf Festivals, wo wir gemeinsam auftraten, feststellen durften.

2007 gingen wir nochmal zusammen auf Tour, wir natürlich nunmehr etwas älter und reifer, wo es mir persönlich nicht so gut ging, was er merkte und mir immer wieder Mut zusprach und meinte: Irgendwann kommt alles zu einem Ende. Das war Lemmy…

Mich als Berliner würde mal interessieren, warum Ihr Eure Konzerte in meiner Heimatstadt fast immer ausschließlich im SO36 spielt? Ich kenne da zumindest eine Geschichte von Bolt Thrower, warum diese den Kultclub in Kreuzberg bevorzugten…

Hm…ich kann Dir da keinen spezifischen Grund nennen. Das kommt meist vom Booker oder den Promotern, aber der Club ist schon ziemlich speziell und erinnert mich sehr wohlwollend an meine New Yorker Heimat…

Wo wir gerade dabei sind…vor ein paar Wochen las ich mit Begeisterung die Autobiographie von Peter Steele, in dem auch Overkill genannt wurden. Hattest Du einen persönlichen Draht zu ihm?

Wir haben zusammen mit ihm und Carnivore öfter in Brooklyn gespielt und schon da kannten und respektierten wir uns gegenseitig. In diesen Club passten so an die 700 Leute und wenn Pete dort aufkreuzte, brachen alle Dämme. Du erinnerst Dich sicherlich, auch nach dem Buch, dass Carnivore früher mit all diesen Platikteilen aufgetreten sind, Schulterpolster mit Spitzen und all dem Zeug und an einem Abend war das Publikum, naja…sagen wir mal „rowdy“ drauf und es war schwer, dort überhaupt einen Meter voranzukommen. Ich stand also an der Bar und wurde plötzlich vor irgendeinem Vollidioten umgehauen und lag auf dem Boden. Da kam dann dieser 2,10 Meter Hüne an, mit seinem martialischen Bühnenoutfit, zog mich mit der einen Hand an meiner Lederjacke hoch und schnappte sich mit der anderen den Verursacher und versprach bei einem wiederholten Ausfall ihm seinen riesigen Stachel an seinen Schulterpads dorthin zu rammen, wo die Sonne nie scheint, hahaha. Zum Ende hin waren wir wirklich sehr gute Freunde.

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