Ich wußte gar nicht, dass Mike krank ist

Ganz wenige Bands in Deutschland oder weltweit haben das Privileg, sich den Begriff „Legende“ ans Revers zu heften wie unter anderem Destruction. Was die Badenser bislang in ihrer Karriere alles erreicht haben, ist in der Tat legendär. Allerdings darf man bei all der Lobhudelei niemals vergessen, dass sich Schmier und Mike in all den Jahren sprichwörtlich den Arsch abgespielt haben, wenig zu Hause waren und fast jeden Quadratkilometer dieses Erdballs beackert haben, um die Band dahin zu bringen, wo sie jetzt steht…nämlich ganz oben! Dazu passt, dass das Trio nun mit „Spiritual genocide“ einen ganz fetten Brocken in der Hinterhand haben, der so ziemlich alles topt, was die Jungs seit Jahren aufgenommen haben. Dazu ein gemeinsamer Song alter Thrash Helden, eine neue Version mit alten Bandmitgliedern und jeder Menge famosem Krach. Ich erreichte Schmier bei seinem Interviewmarathon in der Hauptzentrale von Nuclear Blast, wo mir mein langjähriger Freund Rede und Antwort stand, der ziemlich gelöst wirkte…wohl auch dadurch, dass sein vom Zoll beschlagnahmtes Gepäck mittlerweile bei ihm eingetroffen war, welches aufgrund seines legendären Patronengurtes für Aufregung sorgte…

Tach, mein Alter. Hast Du den Deinen Patronengurt zusammen mit Deinem Gepäck endlich wiederbekommen?

Ja zum Glück. Als ich zur Promotour aufgebrochen bin, kamen dann endlich die Klamotten. Ich hab ja auch einen Teil davon gebraucht. Die Sachen lagen echt am Zollamt in Bonn, weil mein Patronengurt da drin war und die sich deswegen voll eingekackt haben.

Interviewmarathon in Donzdorf und Dein verzweifelter Hilferuf nach neuen Fragen. So schlimm bisher?

Hahaha, gestern gab es schon einige Leute mit ziemlich schlechtem Englisch und zermürbenden Fragen, die dann auch noch gaaaaanz langsam gesprochen und permanent sich wiederholende Fragen gestellt haben. Da pennt man denn fast ein. Das ist schon fast hypnotisch.

Ihr ward mit „Day of reckoning“ ziemlich aktiv auf dem Livesektor, zwischendrin noch die Thrash Metal Classics Tour. Freut man sich da nicht irgendwann mal auf seine eigenen vier Wände oder würdest Du Dich als Kosmopolit bezeichnen?

Ich bin einfach gerne unterwegs, denn wenn ich länger als drei Wochen zuhause bin, wird es mir auch schnell langweilig. Schön ist dann auch, wenn wir zwischen den Touren auch mal ein Festival mit einstreuen, einfach um fit und am Ball zu bleiben und uns einzuspielen. Ich persönlich könnte auf dem Sektor ruhig noch ein wenig mehr vertragen, doch ab und zu muss man auch mal abschalten. Allerdings wollten wir noch in diesem Jahr unbedingt die Platte rausbringen und daher kam dann doch ein wenig Stress auf, den wir aber durch unsere Auszeit im Dezember kompensieren werden.

Gibt es eigentlich irgendwelche Länder, in denen Du noch nicht warst, unbedingt aber mal auftreten möchtest?

Da gibt es tatsächlich noch einige Fleckchen, die wir beackern wollen. Für März nächsten Jahres zum Beispiel haben wir Angebote von einigen Ländern, wo wir noch nie waren wie Malaysia, Vietnam, die Philippinen. Indien wäre auch mal ein Land, wo ich unbedingt mal auftreten möchte, doch man muss sich natürlich auch irgendwie einigen können. Es ist aber schon genial, was da immer wieder dazu kommt. Letztes Jahr Singapur war sensationell wenn man bedenkt, dass man dort lange Jahre per Gesetzt überhaupt keinen Metal hören durfte und lange Haare verboten waren, doch mittlerweile dort eine richtig gute Szene existiert. Indonesien war auch so’n Kracher oder Thailand. Da waren einige interessante Länder dabei, doch die Welt ist groß und gerade der arabische Raum ist von uns noch nicht so beackert worden, weil es unglaublich schwierig ist, dort was an Land zu ziehen.

Zwischen „Day of reckoning“ und „Spiritual genocide“ liegen gerade mal 19 Monate. Dazu Eure andauernde Herumreise- und Tourerei. Erzähl mir mal bitte, wann da Zeit für die Entstehung der neuen Songs war?

Haahaa, man muss halt kreativ sein! Wir haben ja zwischen all unseren Tourneen immer wieder ein paar Tage in den eigenen vier Wänden verbracht, die wir dann intensiv fürs Komponieren genutzt haben. 6 Wochen USA, 2 Wochen zuhause, 2 Wochen Asien, 2 Wochen zuhause. Die Scheibe war schon geplant und im März haben wir uns dann intensiv mit dem Teil beschäftigt und uns am Riemen gerissen, um das guten Stück noch in diesem Jahr zu veröffentlichen. Wie bereits erwähnt, ich bin gerne busy und die Songs klangen gut, wir haben einen fantastischen neuen Schlagzeuger und daher mussten wir einfach diesen frischen Wind ausnutzen und loslegen. Wir haben diesen Drive mit ins Studio genommen und es hat wunderbar funktioniert.

Vaaver hat auf diesem Album seinen Einstand gefeiert. Hat er denn in Deinen Augen seinen Job gut gemacht?

Neenee, er hat ja auf „Day of reckoning“ schon gespielt

Wo er sich aber nicht kompositorisch einbringen konnte, was Du mir in unserem früherenInterviewerzählt hast…

Das stimmt allerdings und wir haben diesmal so komponiert, dass er auch etwas davon hat und seine Vorlieben, sein Stil und sein Können auch hervorgehoben werden. Insofern hast Du Recht, da die Scheibe für ihn persönlich eine ganze Menge mehr zu bieten hat. Auch haben wir vor Veröffentlichung der neuen Scheibe fast 200 Shows zusammen gespielt, wo hingegen es vor der „day“ lediglich 5 waren. Wir sind einfach gut aufeinander abgestimmt und das hört man glaube ich auch.

Ich darf ja mein Review noch nicht veröffentlichen, kann Dir aber bereits jetzt sagen, dass die Platte einen ziemlich großen Eindruck bei uns hinterlassen hat. Ich weiß, dass dies eine der Fragen ist, die Du mit Sicherheit an die 200x bereits gehört hast, aber wie zufrieden seid Ihr selber mit dem fertigen Produkt?

Mensch, wenn man an etwas hart arbeitet wäre es ja furchtbar, wenn man damit nicht zufrieden wäre. Allerdings ist es jetzt auch mal wichtig, ein wenig Abstand zu bekommen, denn ich hab die Platte bis jetzt auch schon einige hundert Male gehört. Wichtig war mir allerdings im Vorfeld schon, dass einige neutrale Ohren das Teil mal bewerten und die Reaktionen waren durchweg positiv. Auch Andy Classen, der den Mix gemacht hat, hatte das von mir bereits beschriebene „neutrale Ohr“ und das war gut so. Wir haben da schon einiges richtig gemacht, vor allem was den Sound betrifft…

Der in meinen Ohren sehr viel erdiger, brachialer und fetter rüberkommt und außerdem eine Menge Bumms besitzt…

Richtig, denn irgendwie war das, was wir vorher gemacht haben, doch teilweise recht klinisch. Daher kam ja auch der Wechsel weg von Jacob Hansen zustande, denn irgendwann kommt man einfach an seine Grenze und merkt, dass man das was man eigentlich erreichen will nicht mehr erreichen kann. Die Arbeit mit Andy hat von Anfang an hervorragend funktioniert und in diesem Zusammenhang können wir uns auf jeden Fall vorstellen, auch wieder mit ihm zusammen zu arbeiten.

Meinst Du, dass diesmal ein gewisser Herr eines großen Printmagazins mit dem Schlagzeugsound zufrieden sein wird?

Hahahahaha, das Interview habe ich schon gestern hinter mich gebracht. Ich bin mal gespannt. Natürlich ist man als Band nicht verschont von Kritik, ob sie nun berechtigt oder unberechtigt ist. Wir haben gelernt, wie man damit umzugehen hat und hinterfragen dann wirklich, ob Derjenige Recht oder Unrecht hat. Vielleicht hatte Götz ja sogar ein klein wenig Recht mit seiner Kritik, doch darauf elendig lange herumzureiten war dann doch ein Touch too much. Aber es hat insofern was gebracht, dass wir uns wirklich hinterfragt haben, wo wir mit der neuen Scheibe hinwollen…und das Endergebnis gibt uns Recht.

Jetzt hörst Du Dich aber etwas diplomatischer an. Ich erinnere mich noch recht gut, wie angepisst Du damals deswegen warst…

Naja…mich hat halt sehr gestört, dass in den ersten Sätzen nur darauf herumgehackt wurde, was alles scheiße ist und im Endeffekt hieß es dann: „Naja, eigentlich ist die Platte aber ganz geil“ (lacht). Das ist für mich keine konstruktive Kritik und schreibtechnisch nicht gerade schlau gemacht. Da fühlte ich mich schon persönlich angegriffen wenn man versucht, mein Baby auf die Schlachtbank zu tragen. Und aufgrund unserer langjährigen Karriere erwarte ich dann schon einen gewissen Respekt, der zu diesem Zeitpunkt scheinbar nicht da war.

Mit „Legacy of the past“ habt Ihr zusammen mit Gerre und Angelripper einen Song eingetütet, den ich als Reminiszenz an vergangene Tage betrachte und der gespickt ist mit vielen Albumtiteln aus dieser glorreichen Zeit. Wie kam denn diese Idee zustande?

Wir hatten diese Idee bereits vor ein paar Jahren, doch irgendwie ist das nie zustande gekommen. An einem Wochenende spielten wir zusammen mit Kreator und Sodom eine Show in Frankreich und es war absolut fantastisch, mal wieder zusammen mit den Jungs zu spielen. Nach der Show haben wir dann noch eine Weile zusammengesessen, haben gefeiert und gequatscht und auf der Heimfahrt sind wir dann direkt ins Studio und da fiel mir wieder ein, dass wir ja mal nen Song gemeinsam machen wollten. Mille konnte aufgrund anderweitiger Verpflichtungen leider nicht, doch Gerre und Angelripper haben sofort und spontan zugesagt und wir haben das mit einer Unmenge an Spaß durchgezogen. Man erinnert sich halt gerne an die alten Zeiten, wo wir angefangen und unheimlich oft zusammen gespielt haben. Da entwickeln sich Freundschaften über die Jahre und es wurde einfach mal Zeit, etwas zusammen zu machen. Da wird schon Gänsehaut provoziert wenn Tom beispielsweise „In the sign of evil“ oder Gerre „Zombie attack“ ins Mikro brüllt.

Wäre da nicht im Zusammenhang mit dem Song der alten Heroen so eine „German Thrash Masters“ Tour der absolute Hammer?

Das wäre auf jeden Fall der absolute Hammer, doch leider ist das nicht ganz so einfach, wie man sich das vorstellt. Es kommt halt immer darauf an, wie viele Shows eine Band spielen will und da gehen halt die Vorstellungen teilweise weit auseinander. Es kann aber durchaus sein, dass wir nächstes Jahr einige ausgesuchte Konzerte zusammen machen werden, doch eine Tour ist unwahrscheinlich, wenn die eine Band 100, die andere nur 10 Gigs machen will. Aber angesprochen wurden wir schon oft auf eine solche Idee. Außerdem sind es nächstes Jahr 30 Jahre deutscher Thrash und die Fans wollen das unbedingt sehen…und zwar weltweit!

Eure vorab veröffentlichte Tracklist unterscheidet sich doch ziemlich von der endgültigen. Warum wurde „Renegades“ als Opener „Cyanide“ vorgezogen?

Das hat sich in der Nachbearbeitung und den Gesprächen unter anderem mit der Plattenfirma einfach so ergeben. Als Andy mit dem Mix fertig war, lässt man normalerweise das Teil noch ein wenig liegen, um dann noch Änderungen vorzunehmen. Da er aber diesmal etwas unter Termindruck stand, kam das Mastering danach ziemlich schnell und wir mussten uns auf eine Running order festlegen. Die hat sich dann aber nochmal verändert weil wir merkten, dass es anders doch irgendwie besser passt.

Wer kam denn von Euch auf die Idee, mit Euren ex-Mitgliedern Olly und Harry „Carnivore“ als Bonus Track der Limited Edition noch einmal neu einzuspielen und was war das für ein Gefühl?

Das war richtig geil, vor allem weil die alten Vögel auf das Angebot ziemlich überrascht reagiert haben. Dennoch hatten sie einen großen Respekt vor der Aufgabe, denn auf diesem Level nochmal eine Produktion zu fahren, ist schon eine Herausforderung. Doch es hat prima geklappt und unglaublich viel Spaß gemacht, da die beiden auch noch ziemlich gut im Saft stehen. Olly ist Schlagzeuglehrer und Dozent und Harry spielt auch noch zuhause. Wir wollten einfach auch damit den Fragen begegnen, die in diversen Foren immer wieder auftauchen und nach unseren Ex-Mitgliedern Auskunft verlangen. Aber wahrscheinlich kommen nun wieder die Rufe danach, die beiden mit auf Tour zu nehmen, was aber aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nicht möglich sein wird.

Gibt es denn schon konkrete Pläne für eine Tour?

Wir werden im Januar in Brasilien und Kolumbien anfangen, dann kommen ein paar Festivals dazu, Asien im März und Europa wird dann voraussichtlich ab April dazu kommen…

So spät erst? Gilt der Prophet nichts mehr im eigenen Land?

Nee, aber der deutsche Markt ist doch momentan zugeschissen, da komm ich doch nirgendwo mehr rein. Ich muss jetzt ein halbes Jahr warten, bis in Berlin die avisierte Halle wieder frei wird. So sieht’s aus mein Freund, dass wissen die Fans immer nicht, wollen aber alle ne Tour. Die Hallen sind momentan teilweise bis März / April ausgebucht. Alle Bands und Musiker aus anderen Ländern wissen, dass es in Deutschland genug Käufer gibt, die ihr Geld zu den Konzerten tragen und daher ist da momentan wenig zu reißen. Das ist schon krass, doch daher fällt es uns leicht, erst das Ausland zu beackern, denn da ist die Situation etwas einfacher.

In diesem Zusammenhang die Frage nach Euer zurückliegenden Amerika Tour, bei der ja einiges passiert ist. Hast Du da ein paar Anekdoten für mich?

(lacht) Du hast anscheinend mein Tagebuch auf Facebook gelesen, wo es jeden Tag eine neue Story gab. Von Bussen, die nicht mehr fuhren, von Klimaanlagen, die nicht mehr funktionierten, Crewmitglieder, die sich einfach verpisst haben, Konzerten, die nicht bezahlt wurden, Vorgruppen die plötzlich verschwunden waren. Wir haben in den knapp sechs Wochen so ziemlich jedes Rock’n’Roll Klischee bedient, was es gibt. Aber wir haben es überlebt und nachher sogar darüber lachen können. Allerdings würde ich die ganze Geschichte endlich abhaken, wenn der Veranstalter der Tour aus Los Angeles uns endlich mal bezahlen würde, denn der schuldet uns noch einen Haufen Kohle.

Permanent gibt es Gerüchte über Mikes Gesundheitszustand. Willst Du darüber was sagen oder mit den Gerüchten mal aufräumen?

Davon wusste ich bislang noch gar nichts, doch wer solche Gerüchte verbreitet, hat ihn noch nie live gesehen und solange er immer noch rumspringt und seine Matte kreisen lässt, ist doch alles in bester Ordnung. Was er privat macht, ist seine eigene Sache, dass muss er selbst wissen.

Irgendwie habe ich aber öfter im Zusammenhang mit ihm das Wort „Magersucht“ gehört…

Neee….Mike war schon immer ein spindeldürrer Hering und hat sich da auch nicht groß verändert. Andere werden halt fett im Alter, andere nicht. Er hat aber auch noch nie viel gegessen. Früher hat ihm Tommy immer das Essen weggefressen, doch Mike ist alt genug zu wissen, was er tut. Ich kann ihm ja schlecht irgendwie künstlich Nahrung zuführen (lacht).

Was wirst Du als erstes nach dem bereits erwähnten Interviewmarathon heute noch machen? Ich hab da schon so eine gewisse Vorahnung…

Ich hab noch gut drei Stunden vor mir, werden mich dann auf den Weg nach Hause machen und unterwegs wahrscheinlich irgendwo einchecken und noch ein Gläschen zu mir nehmen, das habe ich mir dann verdient.

Waren denn nun ein paar neue Fragen dabei oder hast Du Dich auch gelangweilt?

Auf jeden Fall, denn das Mike krank ist, wußte ich vorher auch nicht, hahaha.

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