Es ist Sommer, das bedeutet natürlich: Festival-Zeit! Und da wir europaweit gut aufgestellt sind, was Festivals betrifft, hat man natürlich auch freie Wahl. Während die einen eher auf Rumpel-Metal stehen, halte ich es eher klassisch, desterwegen führt mich auch dieses Jahr der Weg ins tschechische Vizovice. Ein zweites Mal Masters of Rock.
DONNERSTAG, 12.07.2018 - Tag 1
Wie schon im letzten Jahr, so beginnt auch der erste Festivaltag sehr früh. Man muss ja auch irgendwie hinkommen. Und so trifft sich die kleine, aber sehr feine Reisegruppe morgens um 06:30 am Berliner Hauptbahnhof um den langen Weg per Bahn anzutreten. Pünktlich um 07:15 geht es auch schon los. Nun liegen knappe acht Stunden vor uns, die noch von einer kurzen Verschnaufpause in Prag unterbrochen wird. Eines muss man sagen. So eine Zugfahrt zum Festival hat Vor- und Nachteile. Vorteil ist definitiv die Landschaft. Kann man echt genießen, während die Ohren schonmal via mp3-Player im Festival-Modus geschaltet sind. Nachteil ist, dass du definitiv einige Bands verpassen wirst. Gut, von den früh spielenden Bands wie Diolegacy oder Infected Rain habe ich noch nie gehört und auf Gloryhammer kann ich eigentlich verzichten (wat is??? Macke oder wat? – Olaf). Schade finde ich allerdings, dass ich auch Sinner und wahrscheinlich auch Loudness verpassen werde. Auf beide Bands habe ich mich echt gefreut.
Aber, das ist Jammern auf hohem Niveau, denn, endlich angekommen, will jeder erstmal im Hotel einchecken und sich schnell frisch machen, bevor es aufs Gelände geht. Nach gut dreißig Minuten werden wir auch schon vom Shuttle-Service abgeholt und dann merke ich auch schon das Kribbeln. Endlich geht es auf das Festival-Gelände. Ich habe schon richtig Bock. Weitere zwanzig Minuten später kommt das Shuttle auch im Backstage-Bereich zum Stehen und wir können unsere Bändchen in Empfang nehmen. Wie wir hören, haben Van Canto gerade ihr Set gestartet. Ich kenne die Band bisher nur von den Alben her. Interessante Idee, Metal auf A Capella zu singen, aber anschauen muss ich das jetzt nicht.
Erstmal muss ich mich mit einem Hopfen-Smoothie ausstatten und dann sind im Backstage noch zwei Bands, die ich unbedingt begrüßen muss. Denn sowohl In Extremo, als auch Powerwolf bereiten sich gerade auf ihre Auftritte vor. Vor allem bei In Extremo bin ich gespannt, wie sie hier in der Tschechei ankommen werden, schließlich habe ich die Jungs bisher nur in Deutschland erlebt. Doch bevor es soweit ist, stürmt Jeff Waters mitsamt seinen Jungs die Bühne. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Show nur beiläufig mitbekommen habe, weil ich in Gesprächen mit den Jungs von In Extremo und Powerwolf vertieft war. Doch anscheinend sind Annihilator sehr gut angekommen, denn das Publikum feiert die Kanadier ab, wie keine zweite Band.
Nach einer kurzen Umbaupause kommen dann unsere Spielmänner auf die Bühne und das Publikum geht tatsächlich richtig steil. Sänger Micha Rhein hat die Masse im Griff. Songs wie „Nur Ihr allein“, „Erdbeermund“, „Liam“ oder aktuelle Stücke wie „Störtebeker“ kommen perfekt an. Nach gut achtzig Minuten verlässt die Band die Bühne und alles wird für die Metal Messe vorbereitet.
Mit dem bekannten Intro „Lupus Daemonis“ wird die Masse auch schnell vorbereitet auf das, was kommt. Und schon beim ersten Ton des Intros ist die Stimmung grandios. Als die Wölfe dann die Bühne entern ist kein Halten mehr. Mit „Blessed and Possessed“ geht es auch gleich voll ins Set los. Was dann folgt ist ein pures Best-Of-Feuerwerk. Erst beim fünften Song gibt die Band den Fans einen ersten Live-Ausblick auf das neue Album. Denn nun präsentieren die Jungs die erste Single „Demons are the Girls Best Friend“. Aber auch bandeigene Klassiker wie „Armata Strigoi“ oder „Resurrection by Erection“ dürfen nicht fehlen, bevor mit „Fire and Forgive“ die zweite Single gespielt wird. Und die dritte Single „Incense & Iron“ feiert heute sogar die Live-Premiere. Die Show macht einfach Spaß. Das ist großartig anzuschauen, gerade weil die Wölfe bei den letzten Shows etwas müde gewirkt hatten.
Klarer Tagessieg! Nachdem die Messe gefeiert wurde kann für mich eh nichts mehr kommen, weshalb ich nach einem kurzen Plausch das erste Shuttle zurück zum Hotel nehme, denn auf Arkona habe ich keine Lust. Nach einem kurzen Absacker in der Stamm Bar der Masters of Rock-Familie geht es dann auch erstmal in die Waagerechte.
FREITAG, 13.07.2018 - Tag 2
Nachdem ich, bedingt durch die lange Reise, am ersten Tag bereits viel verpasst hatte, geht es nun am heutigen, zweiten Tag sehr früh los. Um 09:30 wartet bereits das Shuttle auf die ersten Frühaufsteher, denn um 10 Uhr geht es auch gleich los mit der ersten Band. Und, wer es geschafft hat, früh aufzustehen, wurde auch prompt belohnt, denn laut Programm steht gleich eine der im Moment heißesten Rockbands aus Deutschland auf dem Plan: The New Roses! Kaum auf dem Festival-Gelände angekommen heißt es dann auch schon, Bier besorgen und nach vorne zur Bühne, denn in ein paar Minuten geht es schon los.
Vorne angekommen, macht sich allerdings erst einmal Ernüchterung breit, denn bisher haben es nur eine Handvoll Rockfans geschafft sich vor der Bühne einzufinden. Schade für so eine geile Band. Anyway, denn Rock’n’Roll ist eine Einstellungssache und so rocken die Jungs aus Wiesbaden auch für die paar Nasen, als wenn es kein Morgen gäbe. Ganze fünfundvierzig Minuten haben The New Roses, um das Publikum für sich zu gewinnen. Und wer mit einem Kracher wie „Every Wild Heart“ einsteigt, hat erstmal per se alles richtig gemacht. Nach acht Songs ist die Show leider auch schon vorbei, aber am Ende stehen bestimmt zwischen 1.500 und 2.000 Fans vor der Bühne und haben ordentlich abgerockt.
Nach The New Roses geht es weiter mit Dalriada, einer Folk Metalband aus Ungarn. Nicht mein Fall, also noch einmal Getränkenachschub holen und erst einmal as Gelände richtig inspizieren. Vor allem die Food-Stände lohnen sich. Im Gegensatz zu deutschen Festivals wird hier allerdings das Essen nach Gewicht bezahlt. So zahlt man im Schnitt ungefähr EUR 2,50 bis 3,50 für eine große Portion. Ist vollkommen okay. Allerdings ist das Essen auch sehr fettig. Trotzdem lecker. Auch Ein Metalmarkt mit Bootleg-Merchandise gibt es hier, wie auf jedem guten Festival. Allerdings ist dieser Metalmarkt deutlich kleiner, wie bei anderen Festivals. Preislich sind die Artikel zwar allesamt günstiger als bei uns, aber viel sparen tut man trotzdem nicht.
Nachdem man das Gelände erkundet hat, führt der Weg erstmal wieder Backstage, denn bald steht der nächste Act an: Tanja. Ein tschechischer Superstar – habe ich mir sagen lassen. Tatsächlich ist die Endvierzigerin wohl mit tschechischen Schlager bekannt geworden, aber ihre eigentliche Leidenschaft ist anscheinend erdiger Rock. Ich bin gespannt. Also hole ich mir erstmal wieder eine vegane Hopfenkaltschale mit Schaum und begebe mich zur Bühne. Ich muss sagen, die Dame hat eine sehr tighte Band hinter sich. Der Sound kommt druckvoll aus den Boxen und Tanja selber hat eine beeindruckende Rockröhre. Die Texte sind allesamt tschechisch, was für uns natürlich etwas exotisch daherkommt. Doch beim Publikum kommt das erwartungsgemäß großartig an, denn das Gelände vor der Bühne ist inzwischen prall gefüllt und die Fans feiern ihre Künstlerin ab. Ja, die Show ist solide, dennoch geht es erstmal wieder hinter die Bühne. Ein wenig fachsimpeln mit den Kollegen muss auch sein.
Doch allzu viel Zeit bleibt nicht, da gleich nach Tanja die Schweizer Institution Shakra dran ist. Auch hier kann ich sagen, ein solides Set. Doch leider ist der Bewegungsradius von Sänger Mark Fox leider sehr limitiert ist. Egal, der Rest der Band macht das durch ihre Spielfreude wieder wett. Nach Shakra heißt es, wie meine Kollegen es so schön formulieren: Bandana-Mosh. Dr. Living Dead machen sich bereit, die Bühne zu stürmen. Kurz angeschaut und festgestellt, meins ist es nicht. Aber live machen die Jungs eine geile Show, muss ich zugeben. Also, Zeit noch ein Bier zu holen und vielleicht etwas Nahrung aufzunehmen, bevor es für mich interessant wird. Ich bin ja eher im melodischen Bereich zu Hause, ergo ist die folgende Band mehr etwas für mich: Nocturnal Rites.
Bisher kannte ich nur die Alben, die ich echt gut fand. Nun bin ich gespannt, ob die Band auch live etwas kann. Und genau zu diesem Zeitpunkt kommt auch die Ernüchterung daher. Gute Songs, toller Sound, live okay. Aber halt auch nur okay. Irgendwie schaffen es die Jungs nicht, den Funken zu überspringen zu bringen.
Avatarium, die direkt danach spielen sind da schon eine ganz andere Nummer. Mega Songs, die unter die Haut gehen. Aber auch hier muss ich Kritik anmelden. Ich finde, dass diese Band eher in einem kleineren Club ihre volle Wirkung entfalten können. Tagsüber auf der großen Festivalbühne wirken sie leider ein wenig fehl am Platz. Aber noch einmal: Musikalisch eine Wucht.
Backstage machen sich Turisas bereits „kampfbereit“. Doch auch hier gilt dasselbe für mich wie bei Dr. Living Dead: Geile Live-Show, aber mehr als zwei Songs muss ich nicht sehen. Nicht meine Musik. Also wieder ein wenig Zeit zum runterkommen, schließlich geht es nach Turisas komplett in die Vollen! Arch Enemy stehen bereits in den Startlöchern und inzwischen treffen auch die Shuttles mit den Mitgliedern von Helloween ein. Das wird groß, da bin ich mir sicher. Und jeder, der die Helloween-Shows im Winter gesehen hat, wird mir zustimmen. Aber, bevor wir zur Hamburger Legende kommen, müssen erstmal die Schweden ran. Und die legen mit „The World is Yours“, „Ravenous“ und „War Eternal“ schon mal einen Start nach Maß hin. Hier sitzt einfach alles und das Publikum frisst Sängerin Alissa aus der Hand. Geiles Set und überraschend würdiger Co-Headliner.
Doch nach der Show ist bekanntlich vor der Show und jeder vor Ort weiß, wer der Headliner des Tages ist: Ganz klar Helloween. Und schon während die Bühne umgebaut wird, merkt man die Spannung auf dem Gelände. Ja, Helloween sind noch relevant. Auch Mitglieder der morgen auftretenden Bands Kamelot und The Unity lassen es sich nicht nehmen und reisen extra einen Tag vorher an, um sich diese Show anzuschauen. Ich bin immer noch geflasht von der Tatsache, dass Kiske zurück ist. Und wie schon im Winter, so starten Helloween auch heute mit dem Klassiker „Halloween“, den Deris zusammen mit Kiske singt. Auch das folgende „Dr. Stein“ gibt es im Doppelpack, bevor Kiske alleine „I’m Alive“ zum Besten gibt. Und das ist auch gut so. Deris hin oder her, dieser Song gehört einfach Michi Kiske. Doch gleich danach darf Andi Deris mit zwei Songs solo ran, bevor Kai Hansen sein Spotlight mit einem „Walls of Jericho“-Medley bekommt. Sogar der brandneue Song „Pumpkins United“ wird live vorgetragen. Kann man gut finden oder nicht. Es passt einfach.
Nach „Pumpkins United“ kommt der große Moment für Drummer Dani Löble und den verstorbenen Drummer Ingo Schwichtenberg. Schon bei den Winter-Konzerten war dieses Drum-Battle beeindruckend. Auch heute bekomme ich noch Gänsehaut. Großartig, wie hier einem verstorbenen Bandmitglied Respekt gezollt wird. Danach darf auch Kiske schon wieder mit einem kleinen »Keepers«-Medley ran: „Livin‘ Ain’t No Crime“ und „A Little time“, wobei „Livin‘ Ain’t no Crime“ damals als B-Seite zur „Dr. Stein“-Single veröffentlicht wurde. Danach ist Gänsehaut angesagt, denn Kiske singt „March of Time“ von der »Keepers 2«. Hat er während der letzten Tour aufgrund von Krankheit nicht hinbekommen, umso geiler ist es heute.
Nach diesem Gänsehautmoment kommt Andi Deris wieder mit „Sole Survivor“ und „Power“ zum Zug, nur um kurz darauf für „How Many Tears“ sich wieder das Mikro mit Kiske und Hansen zu teilen. Das »Keepers 2«-Intro „Invitation“ läutet nun auch den Endspurt des Sets ein. Und der besteht aus „Eagles Fly Free“ und – zumindest teilweise – „Keeper of the Seven Keys“. Danach wird die Band vorgestellt und jedes vorgestellte Mitglied verlässt danach die Bühne. Hier passiert der kuriose Moment, als ein Mitglied unserer Masters of Rock-Familie lachend zu uns stößt und sagt: „Dieser Moment, wenn man während einer Helloween-Show pissen geht und Weikath auf einmal neben einem steht.“ Ja, ihr habt richtig gelesen. Die Show war offiziell noch am Laufen, allerdings steht nun nur noch Gitarrist Sascha Gerstner auf der Bühne, die er kurz darauf verlässt. Nun kommt der Zugabenteil. Natürlich darf eine Helloween-Show nicht enden, wenn „Future World“ und „I Want Out“ noch nicht gespielt wurden. Nach „I Want Out“ ist dann aber auch endgültig Schluss und Helloween hat abermals eine Mega-Show hingelegt. Damit endet nun auch für mich dieser Festival-Tag, obwohl Amorphis noch auf dem Plan stehen, aber ich merke, dass die letzte Nacht eindeutig zu kurz und die Reise zu lang war… ja, man wird alt!
SAMSTAG, 14.07.2018 - Tag 3
Ging es gestern schon um 10 Uhr früh los, haben wir heute ein wenig Zeit, denn die erste Band von Relevanz für uns steht erst um 10:50 auf der Bühne: Dragony aus Österreich mit dem Sänger und dem Bassisten von Visions of Atlantis. Relevanz deshalb, weil beide Teil der Masters of Rock-Familie sind. Musikalisch ist es ein Traum für alle Trveheimer. „Whimps and Posers, Leave the Hall!“, hier wird klassischer True Metal geboten. Und wer einen Song wie „Unicorn Union United“ in seiner Setlist hat, darf sich beinahe alles erlauben. Die Jungs haben definitiv Spaß und nehmen sich nicht allzu ernst. Da macht es auch mir Spaß, zuzuschauen, obwohl ich solche Bands im Normalfall meide. Aber nach dieser Show müssen wir sagen: „Auf die Knie für Dragony!“
Mit Doga folgt nun eine tschechische Band, auf die keiner von uns Lust hat, deswegen geht es erstmal wieder über den Metalmarkt. Wir müssen uns vorbereiten, denn heute steht die berühmt-berüchtigte Führung durch die Slivovitz-Destillerie an. Nach Doga ist Zeit für Thobbe Englund. Nachdem im letzten Jahr Sabaton auf diesem Festival Headliner waren, darf der ehemalige Sabaton-Gitarrist in den frühen Mittagsstunden ran. Ja, die Show ist passabel. Aber irgendwie auch recht langweilig. Der Sound kommt nicht gut rüber und der Funke mag nicht überspringen. Schade, denn Thobbe und seine Jungs haben richtig Bock. Aber, um ehrlich zu sein, sind auch die Soloalben von Thobbe jetzt nicht die Überflieger.
Nachdem Thobbe sein Set beendet hat, dringt die schlechte Nachricht zu uns durch, dass die Band Hardline, die heute spielen sollte, am Flughafen in Frankfurt festhängt und dadurch nicht spielen kann. Dadurch verschiebt sich das Set von The Unity und die tschechische Band Power 5 springt kurzfristig ein. Doch weder von Power 5, noch von den davor spielenden Bloodbound bekomme ich nichts mit, da beide Bands während unserer traditionellen Slivo-Tour spielen.
Da das Festival auf dem Gelände der Slivovice-Destillerie stattfindet, bietet es sich natürlich an, den anwesenden Journalisten die Destillerie und deren Produkte näherzubringen. Während der Tour bekommen wir einen umfangreichen Einblick in die Geschichte und die Herstellung des leckeren Gebräus. Während der Führung haben wir natürlich ausreichend Gelegenheit die verschiedenen Produkte zu verkosten. Glaubt mir, die Vorbereitung mit fettem Essen und viel Wasser hilft ungemein. Nach fast zwei Stunden ist die Führung dann auch vorbei und wir können uns dem eigentlichen Grund widmen, weswegen wir heute hier sind.
Während die einen noch in der hauseigenen Bar bleiben, um das Fußballhalbfinale zu schauen, gehe ich mit dem Rest der Bande zurück zum Festival. Da das Set von The Unity verschoben wurde, habe ich nun doch die Chance, die Band zu sehen. Also muss ich vorher noch schnell ein Kaltgetränk besorgen, bevor es zurück zur Bühne geht. Und The Unity haben es nicht leicht – leider. Irgendwie ist der Wurm drin in ihrem Set. Technisch will es heute irgendwie nicht funktionieren. Erst stoppt das Intro mittendrin, woraufhin Drummer Michael Ehré schnell auf die Bühne kommen muss, um alles neu zu starten – damit ist der theatralische Auftritt dahin. Dann sieht man ganz deutlich, dass vor allem Gitarrist Stef arge Probleme mit der Technik auf der Bühne hat. Gott sei Dank sind allesamt Profis, so dass sie ihre Probleme einigermaßen überspielen können und damit das Set dadurch souverän beenden. Schade, dass die Technik den Jungs einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, denn da war sehr viel Luft nach oben.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich mit der folgenden Band verbunden bin, weshalb ich mich sehr auf das Konzert gefreut habe. Die Rede ist natürlich von Kamelot. Auch die Band hat augenscheinlich anfänglich Probleme mit den Monitorboxen, doch nach ein paar Songs scheinen auch die Probleme erledigt zu sein. Kamelot steigt mit „Phantom Divine (Shadow Empire)“ vom aktuellen Album megamäßig ins Set ein. Endlich kann die Band auch das große Besteck auffahren. Das bedeutet natürlich Pyros vom Feinsten, was ja bekanntlich bei vielen Venues während der kommenden Tour nicht geht. Kamelot spielen einen guten Querschnitt durch ihre letzten Alben, wobei das älteste Stück vom Album »Karma«. Klar liegt der Fokus vor allem auf dem aktuellen Album und seinem Vorgänger und es ist tatsächlich das erste Konzert, wo ich sie nicht habe „Ghost Opera“ spielen sehen, aber die Fans vor der Bühne sind nach dem letzten Song „Liar, Liar (Wasteland Monarchy)“ restlos zufrieden und ich bin es auch.
Nach Kamelot findet wieder ein kleiner Umbau statt, denn die Bühne wird zum Königreich »Avatar Country« umgestaltet. Die Menge erwartet ihren neuen König. Ich habe Avatar bereits in Berlin im alten White Trash gesehen und weiß, dass diese Band eine sehr geile Live-Band ist, jedoch hätte ich sie nicht so prominent im Festival-Programm platziert. Ich werde eines Besseren belehrt. Denn als die Band die Bühne betritt merkt man sofort, dass sie die Massen im Griff hat. Musikalisch ist das nicht ganz meine Ecke, aber ich ziehe den Hut vor dieser Performance. Hier hat eine Band gezeigt, dass sie mehr will, als nur in kleinen Clubs zu spielen. Diese Band will zukünftig auch Headliner-Positionen auf Festivals übernehmen.
Doch Co-Headliner an diesem Tag ist eine finnische Band. Um genauer zu sein, finnische Monster. Genau, Lordi haben sich hinter der Bühne schon bereit gemacht. Ich habe also nicht viel Zeit, um mich mit einer neuen Gerstenbrause auszustatten. Auch Lordi starten erwartungsgemäß mit einem Song vom neuen Album »Sexorcism«, nämlich mit dem Titeltrack. Doch gleich danach folgt schon der Kult-Song „Who’s Your Daddy?“. Lange nicht mehr gehört, sehr geil, dass die Finnen diesen Song berücksichtigt haben. Wie schon zuvor Avatar, so machen auch Lordi mit ihrer Show ganz deutlich, dass sie zu größeren Taten bereit sind. Auch sie sind bereit, demnächst als Headliner aufzutreten. Songs wie „The Riff“, „Hug you Hardcore“, „It Snows in Hell” oder natürlich “Hard Rock Hallelujah” sollten dabei hilfreich sein. Traditionell bleibt es im Anschluss, denn da kommt einer der größten Jungendhelden von Lordi (und ich bin sicher von tausend anderen Fans auch): Der German Tank Udo Dirkschneider.
Obwohl Udo bereits vor zwei Jahren seinen Abschied von Accept-Songs verkündet hat, befindet sich uns Udo auch heuer immer noch auf dieser Abschiedstournee. Dieser Abend steht natürlich voll und ganz unter dem Motto ACCEPT! Und dass diese Band eigentlich ausschließlich Hits hat, muss niemanden, der auch nur ansatzweise etwas mit Metal zu tun hat, erzählt werden. Ergo ist die Schlagzahl an Hits heute Abend enorm: „Bulletproof“, „Midnight Mover“, „Restless and Wild“, „Princess of the Dawn”, “Living for Tonite”… hier bleiben keine Wünsche offen. Udo und seine Jungs werden abgefeiert vom Allerfeinsten. Mit „Fast As a Shark“ und dem unzerstörbaren „Balls To the Wall“ ist dann auch Schluss und wir sind uns sicher, dass die Reaktionen der Fans Udo nicht kaltlassen werden. Ich denke, dass nach der kommenden U.D.O.-Tour eine weitere Dirkschneider-Tour folgt. Nach Dirkschneider stehen Die Apokalyptischen Reiter auf dem Programm. Aber, da das nie wirklich meine Band war und nach diesem Set eh nichts mehr kommen kann, beende ich den Abend und kehre noch in die Stamm Bar auf einen Absacker ein.
SONNTAG, 15.07.2018 - Tag 4
Letzter Festival-Tag. Langsam merkt man die Tage schon. Ein Glück geht mein Shuttle erst um 12 Uhr mittags. Ein Teil der Gruppe ist zwar schon auf dem Gelände, weil sie sich die Mädels von Nervosa anschauen wollen, aber ich starte den Tag heute gemütlich. Meine erste Band soll Masterplan um 14:15 werden. Bis dahin habe ich Zeit ein wenig mit den Jungs von Orden Ogan zu quatschen und mich mit Getränken auszustatten.
Nun geht es ab zur Bühne um Masterplan zu begutachten. Die Band startet schon mal anständig mit dem Hit „Enlighten Me“. Jedoch muss ich im Laufe des Sets feststellen, dass mir Sänger Rick Altzi leidtut. Ein Set, dass hauptsächlich um die Songs von ex-Sänger Jorn Lande und alten Helloween-Songs aufgebaut ist und lediglich einen Song enthält, der aus der Rick Altzi-Ära ist. Rick gibt sich zwar alle Mühe, jedoch merkt man schon stark, dass er phasenweise zu sehr versucht, Jorn Lande stimmlich zu kopieren. Ein Vorhaben, bei dem man nur scheitern kann.
Das folgende Set von Destruction lasse ich ausfallen und habe lieber intensive Gespräche mit den Jungs aus Doros Band. Doch bevor Doro die Bühne stürmen kann ist es erstmal Zeit für Orden Ogan, die letztes Jahr mit »Gunmen« ein Killer-Album hingelegt haben. Es fällt gleich auf, dass Sänger/ Gitarrist Sebastian Seeb Levermann heute ohne Gitarre unterwegs ist und sich komplett auf den Gesang konzentriert. Das verwundert, kennt man Seeb doch bisher nur mit Gitarre. Aber, die Sache klärt sich schnell auf, denn Seeb hat sich den Daumen gebrochen, weshalb er gezwungen ist, nur das Mikro zu bedienen. Das Set ist auch vollgepackt mit geilen Songs „To New Shores of Sadness“, „F.E.V.E.R.“, „Gunman“, „We’re Pirates“ und natürlich „The Things We Believe in“. Sehr geil. Da freut man sich schon auf das nächste Album.
Bei Doro steht im Anschluss dann alles in Zeichen von Warlock, denn bis auf Songs wie „Rais your Fist in the Air“, „We are the Metalheads“, der neuen Single „All for Metal“, der heute seine Live-Premiere feiert und dem Song „Revenge“ stammt der Rest aus Doros Set aus ihrer Zeit bei Warlock. Sei es „Earthshaker Rock“, „I Rule the Ruins“, „Burning the Witches” oder “All We Are”. Die Metal Queen hatte anscheinend wieder richtig Lust auf die alten Stücke.
Während Doro und ihre Band die Bühne räumt, machen sich Korpiklaani bereits fertig, eben jene zu entern. Sie haben den Fans heute ein spezielles Set mit einer lokalen Band versprochen. Tja, ob es gut ist oder schlecht, kann keiner von uns beurteilen, denn wir finden uns zeitgleich im Pressezelt ein, um der Pressekonferenz von Kiss-Legende Gene Simmons beizuwohnen. Dadurch, dass der Maestro sich feiern lässt und gute 50 Minuten zu spät kommt, verpassen wir das komplette Set von Korpiklaani – komisch, keiner von uns ist deswegen wirklich böse. Zur Pressekonferenz gibt es noch einen gesonderten Bericht.
Um 22:30 soll Gene Simmons mit seiner Soloband, in der unter anderem auch Todd Kerns an den Drums sitzt, der Mann, der bereits für Slash’s Soloband die Kessel bedient, die Bühne betreten. Also heißt es für uns, Bier holen und schauen, was uns erwartet. Natürlich wissen wir bereits, dass Gene hauptsächlich Songs von Kiss spielen wird. Aber um ehrlich zu sein, ist die Erwartungshaltung nicht allzu hoch, denn, die großen Hits von Kiss stammen nicht aus Genes Feder, sondern aus der von Paul Stanley. Außerdem war die Angst groß, dass Gene etwas aus seinen beiden Soloalben vorträgt, die beide schlecht waren. Doch Gene weiß uns zu überraschen. Mit „Deuce“ geht es grandios ins Set, bevor er „Parasite“ vom Stapel lässt. Zwischendurch interagiert er aktiv mit dem Publikum und erzählt kurze Anekdoten. Am meisten werden wir an diesem Abend den Satz hören: „Als wir diesen Song geschrieben haben, da wart ihr alle noch nicht geboren!“ Einmal erweitert er den Satz und zeigt ins Publikum auf einen tschechischen Fan: „Bis auf du! Du bist alt, hässlich und hast keine Zähne mehr.“ Mega.
Mit „Are You Ready“ präsentiert uns Gene dann noch einen Song aus seinem berühmten Gene Simmons Vault. Ein Fan-Package, dass er bis Dezember 2018 Fans für 5.000 Dollar anbietet. Als der Song beendet ist, holt Gene eine Gruppe tschechischer Fans auf die Bühne, die ein Gewinnspiel gewonnen haben und nun mit ihrem Idol auf der Bühne stehen dürfen. Und hier wird es richtig großartig, denn Gene versucht den Fans, von denen die wenigsten englisch sprechen oder verstehen (zumindest aufgrund des erhöhten Alkohol-Pegels) zu erklären, dass sie sich ans Mikro stellen sollen. Irgendwie funktioniert das aber nicht so, wie erhofft und es wird eine schöne, spontane Slapstick-Einlage. Irgendwann schaffen es Gene und seine Band doch die Fans mehr schlecht als recht zu animieren und so kann man dann „I Love it Loud“ starten. Und dann passiert es:
Ein, sagen wir mal gut angetrunkener Fan, der mit auf der Bühne war, kommt Gene immer näher und hampelt besoffen neben ihm und versucht den Song in Genes Mikro mitzubrüllen. Das ist so abstrus, dass selbst Gene Simmons während des Refrains einen Lachflash bekommt. Das bekommen wir bei Kiss nie zu sehen. Nachdem die Band den Song einigermaßen professionell zuende gebracht hat, gibt es eine kleine Exkursion in die Rock-Geschichte und Gene Simmons ehrt einen ganz Großen im Business, nämlich Little Richard, indem er den Song „Long Tall Sally“ spielt. Geile Sache. Zum Song „War Machine“ lädt er unsere Metal Queen Doro Pesch auf die Bühne ein, bevor ein zweiter Schwung an Fans den Song „Do you Love Me“ mitsingen dürfen. Auch hier gibt es anfangs den verzweifelten Versuch, die Fans ans Mikrofon zu stellen („Go to the Mikrophone!“) – Herrlich!
Mit „I“ kommt eines der wenigen Highlights vom Album »Music from The Elder« (1981) und „Calling Dr. Love“. Hier passiert der nächste Zwischenfall, denn Gene reißt mitten im Song eine Saite. Da er allerdings nur diesen einen Bass dabeihat und keine Ersatzsaiten zur Hand sind, muss erst einmal ein neuer Bass organisiert werden. Die Band nutzt das, um ein wenig zu jammen. Mitten im Jam übernimmt Gene die Gitarre von einem seiner drei Gitarristen und spielt weiter mit dem neckischen Kommentar: „Oh, I can Play guitar, too!“
Inzwischen haben Korpiklaani ihren Bass als Leihgabe hergegeben und die Show kann weitergehen. Mit „Let’s Go Rock’n’Roll“ und „Rock and Roll All Nite“ endet ein geiler Abend und damit ein geiles Festival. Wir haben nichts erwartet von diesem Konzert und alles bekommen. Gene Simmons hat uns eine Lehrstunde in Sachen Rock’n’Roll gegeben. Gerne wieder. Eines steht fest: Masters of Rock 2019 ist wieder gesetzt. Bis nächstes Jahr.
PAT ST.JAMES
Lieben Dank an Walter Thanner für die Fotos!