THE UNIVERSE BY EAR | THE ELECTRIC FAMILY
16.02.2018 - Hagen-Hohenlimburg @ Werkhof
Gut ein Jahr ist es her, dass ich die Freude hatte, das erste Album der Baseler Combo THE UNIVERSE BY EAR zu besprechen. Damals konnte ich nicht anders als die volle Punktzahl zu geben. Umso erfreuter war ich, als ich erfuhr, dass die Band eine kleine Tour durch Deutschland macht als Support der Krautrock, Psychodelia und Psycho-Folk Band THE ELECTRIC FAMILY, die wiederum ihr neues Album „Terra Circus 2018“ vorstellen. Nun ist Hohenlimburg im Gegensatz zur Schweiz nicht allzu weit von meiner Haustür entfernt, sodass ich mich entgegen meiner üblichen Lethargie tatsächlich aufgemacht habe, um auch mal „unter Leute zu gehen“.
Als ich ankomme, ist die „Vorband“ gerade beim Soundcheck. Es ertönt „Slam your Head against the Wall (carefully)“ und zaubert mir ein breites Grinsen ins Gesicht. Obwohl der Werkhof eine gar nicht mal so kleine Location ist, finden sich bis kurz vor Beginn des Konzerts leider nur gut zwei Dutzend Leute ein, um von Geräuschen in Loops, die die Jungs am Ende des Soundchecks eingeschleift haben, empfangen zu werden.
Dann betreten THE UNIVERSE BY EAR die Bühne und beginnen ihr Set mit dem bereits erwähnten „Slam…“. Vertrackter Groove, ungerade Takte, Breaks; dann die dreistimmige Textzeile. Eine irre Atmosphäre macht sich breit, während die Band an ihren Instrumenten Schwerstarbeit leistet und dabei sichtlich Spaß hat. Im Solo-Mittelteil knallt Gitarrist Stefan Strittmatter zwischen Groove und Melodie völlig durch, während Bassist Pascal Grünfelder wild in die Seiten greifend ihm die Basis für die Solo-Sounds liefert. Die Dynamik kommt auch zustande, weil Schlagzeuger Beni Bürgin im Zusammenspiel mit dem Bassisten eine irrsinnige Wand produziert. Das ist laut, das knallt und zieht mit… und endet im langsame breiten „… carefully“, das erneut dreistimmig vorgetragen wird.
Es folgen „Temperamental“ und „Halo“. Bei letzterem Stück erfahre ich im kurzen Plausch nach dem Konzert, dass es sich um einen neuen Song handelt. Klingt gut, geht ins Ohr, macht Freude auf mehr. „High on the Hynek Scale“ groovt sich durch den Echo-Effekt der Gitarre schön ins Ohr. Der Chorus begeistert durch seine Griffigkeit, während im Solo-Teil erneut das irrsinnige musikalische Können der Band klar wird.
Mit „Idaho“ kredenzt die Band eine richtig zähe Masse an Melancholie, die sich hochhausartig über dem Publikum auftürmt. Die Band harmoniert perfekt miteinander. Das merkt man auch daran, dass sie viel in Bewegung ist, was nicht heißt, dass sie über die Bühne hüpfen, aber jeder der drei ist voll im Song genießt eigene Passagen oder das ganze Klangbild.
„Seven Pounds“ täuscht den Besuchern eine leichte Groove-Nummer vor, die aber jäh in einen Mittelteil aus Gitarrengeräuschen übergeht. Nur der Bass gibt Orientierung in dem Chaos. Dieser minutenlange Teil ist eines der grandiosesten Crescendi, das mir bekannt ist. Wie leicht ist man zu früh zu laut, wie leicht dudelt man nur spannungslos vor sich hin… THE UNIVERSE BY EAR schaffen es, genau die richtige Mischung zu wählen. Bin ich von der Platte schon begeistert, möchte ich am liebsten platzen vor Freude. Das kling alles richtig, alles passend, hat Sinn und Verstand, wirkt durchdacht, aber nicht zu verkopft. Dies zeigt sich auch im Instrumentalstück „Ocean/Clouds“, das seine durch seine Vielschichtigkeit erneut eine Wahnsinnsatmosphäre aufbaut.
Als letztes Stück bringt uns die Band noch „DeadEndTown“ zu Gehör, eine bluesige Nummer, die in einem wunderschönen Chorus endet und viel Applaus von den Anwesenden erntet. Dieser Auftritt dürfte bei allen Anwesenden in guter Erinnerung bleiben, zumal ich so manchen sehe, der sich am Merch-Stand eine CD oder LP zulegt.
Nach etwas Umbaupause treten zunächst vier Herren etwas fortgeschritteneren Alters von THE ELECTRIC FAMILY die Bühne. Sehr auffällig ist das einer der Herren sich an eine Sitar setzt, mit der das Konzert eröffnet wird. So ein Teil sieht man nicht oft und lässt auf interessante Musik hoffen. Aber so richtig zünden will auch beim Hinzukommen des Sängers und Gitarristen The Perc die Mischung bei mir nicht. Die Band wirkt nicht richtig eingespielt, obwohl einzelne Solisten wie der Schlagzeuger und der Mann an der Hammond-Orgel (eine echte „Schweineorgel“) Hervorragendes leisten. Mir ist der Gesang zu uninspiriert, zu sehr mit angezogener Handbremse vorgetragen. Das gilt vor allem für den „Bandleader“ The Perc. Dessen Gitarrenspiel wirkt zudem rudimentär, aber sein Englisch ist immerhin dem Genre entsprechend. Das Gesamtbild ist nicht wirklich schlecht, aber einfach zäh und kraftlos. Das merkt man auch dem Publikum an, die deutlich leiser applaudieren. Der Instrumententausch untereinander dauert ewig, eine Gitarre klingt trotz Stimmpause schief… Irgendwann bemerkt der Frontmann nach gespieltem Stück, dass dies denn auch schon das letzte war. Damit der Abend nicht vollends seltsam endet, gibt es zumindest noch eine Zugabe. Dann verlassen die Herren die Bühne und ich komme mir vor wie beim Ende von „Die Ritter der Kokusnuss“.
Was bleibt nach diesem Abend? Ich habe den Werkhof und dessen guten Sound kennengelernt, habe eine Spitzen-Vorband gesehen (gut, ich bin da wohl etwas voreingenommen) und konnte beim Hauptact wenigstens einen kleinen Happen Wissenzuwachs im Hinblick auf deutschen Krautrock mitnehmen.… und ich hatte einen Parkplatz so gut wie direkt vor der Tür. Hier die weiteren Termine:
17.02.2018 Frankfurt, Das Bett
23.02.2018 Fürth, Kofferfabrik
24.02.2018 Hamburg, Indra Music Club
03.03.2018 Berlin, Quaismodo