Alben des Jahres 2023

DIE Alben DES MONATS (02/24)

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EIN GEGENENTWURF ZUM LEBEN


Manchmal spielt einem das Leben einen Streich. Ich selbst bin ein alter Thrasher, der auch irgendwann seine Liebe zum Death Metal gefunden hat, ungeachtet der natürlichen Vorlieben für die Klassiker und den „normalen“ Metal, mit dem die ganze Lawine erst ins Rollen gebracht wurde. Der Beziehungsstatus zum Black Metal hingegen war maximal ein „es ist kompliziert“. Ich konnte mit all dem Geholze und dem dahinterstehenden Nihilismus meist gar nichts anfangen. Natürlich gab es ein paar Ausreißer, doch diese Sparte überließ ich gerne anderen. Und dann kamen Hyems aus dem wurmverseuchten Unterholz gekrochen.

Natürlich gehören die Marburger Blackies ebenfalls zu besagter, von mir nicht unbedingt liebevoll gepflegten Sparte, doch irgendwas faszinierte mich schon immer an dieser Truppe. War es die teilweise Vermischung mit schönen, alten Thrash Riffs? Die Eigenständigkeit und das Ablehnen sämtlicher musikalischer Konventionen? Oder die rotzige Punk Attitüde, mit der Hyems zu Werke ging und geht? Keinen Schimmer, ich weiß nur, dass auch das gerade veröffentlichte neue Werk "Anatomie des Scheiterns" einmal mehr deutlich macht, wie sehr ich den Fünfer mag. In meinem leider dreimal verlegten Gespräch durch Umstände meinerseits mit Gitarrist DM und Frontmann AEJ wurde das ein ums andere Mal deutlich…

Sorry nochmal für die permanenten Verlegungen, aber nun haben wir es ja endlich geschafft. Als erstes muss ich eine persönliche Frage loswerden. Ich selbst bin gar nicht so der große Black Metal Freund, doch Hyems schaffen es seit "Im Jetzt die Asche" mich immer wieder abzuholen. An was könnte das liegen?

AEJ: Weil wir Musik für uns selbst machen. Wir sind Metal Heads und ein wenig Punk. Wir sind Kids der 80er. Was ich damit sagen wollte: Indem wir uns nicht um irgendwelche Szene-Vorgaben scheren, sind wir frei und machen das, auf was wir Bock haben. Und die zweite Welle in den 90ern hat uns so stark beeinflusst, weil wir das erste Mal das Gefühl hatten, live etwas mitzuerleben. Maiden, Helloween, Running Wild: Wir hatten die Tapes von älteren Brüdern und Onkels. Uns wurde gesagt: Das ist vorbei und plötzlich kam dieser Sound aus Norwegen, die zweite Black Metal Welle. Alles hat uns insgesamt zu dem gemacht, was wir heute sind.

DM:
Die Punkeinflüsse wollte ich gerade nennen, als AEJ das schon getan hat. Grundsätzlich sind wir aber von mehr als nur BM beeinflusst und vielleicht liegt in der Schnittmenge unserer Einflüsse und Deiner Hörgewohnheiten die Antwort. Wobei man schon sagen muss, dass wir natürlich nicht alles von Anfang an mitbekommen haben. Trotzdem hat sich im BM zu dieser Zeit noch extrem viel abgespielt.

AEJ: Naja,es muss so 1994 gewesen sein, als Freunde von mir Dark Desires gegründet haben, also schon recht früh und Hyems gründeten sich dann 1997. Also die 2,5te Welle praktisch.

DM: Aber um die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Neben diesem spannenden "Neuen" haben wir trotzdem weiterhin immer auch an den Bands festgehalten, mit denen für uns alles angefangen hat. Vielleicht hört man das hier und da raus.

Die da wären? Wer hat Euch damals denn maßgeblich beeinflusst?

AEJ: Madonna zum Beispiel. Nee, da müssen wir ehrlich sein: Dimmu Borgir und Cradle of Filth, dann aber auch direkt Naglfar, das ging dann sehr schnell. Und natürlich Emperor, denn die hatten geile Longsleeves. Und meine erste Black Metal Scheibe war Ancienct und zwar die „Svartalfheim“. Man hat als Kid einfach CDs gekauft, weil sie cool aussahen und dadurch geilen Scheiß entdeckt und das ohne Metalpolizei.

DM: Dimmu Borgir und Cradle of Filth waren tatsächlich wichtige Einflüsse. Nagelfar und auch Naglfar ebenfalls. Marduk, Darkthrone, Mayhem, Emperor. In der Zeit haben wir extrem viel aufgesogen. Und vorher waren es Maiden, Running Wild, AC/CD, Guns n' Roses, Metallica, Sepultura, Paradise Lost, Pantera, Type O, Danzig... die Liste ist lang!

AEJ: Vor allem haben wir nie aufgehört, das zu hören. Ich reise Maiden heute immer noch hinterher. Sogar bis nach Chile und lande im Bürgerkrieg.


Das musste mir mal jetzt näher erklären…

AEJ: Well, seitdem ich die Angst habe, dass diese Maiden Tour die letzte sein könnte, verblase ich mein Geld für Reisen zu den Konzerten. Letztes Jahr war ich erst mit Freunden in den USA und Kanada und dann später noch in Südamerika. Chile galt als „sicherstes“ Land. Bullshit! Die Stimmung war extrem aufgeheizt. Es gab Studentenproteste. Die Lebenshaltungskosten sind krass explodiert. Eins hat zum anderen geführt und schon musste man vom Balkon aus Dinge sehen, die man niemals sehen wollte. Der Aufstand war gerechtfertigt. Die Maßnahmen des Militärs nicht.

Beeinflussen dich solche persönlichen Erlebnisse beim Verfassen deiner Texte?

AEJ: Schon. Aber nie konkret, sondern immer abstrahiert. Was mich hier immer noch beschäftigt, ist der Punkt, an dem Ideal und Konsequenz zusammentreffen. Also man protestiert und stirbt. In Europa ist Rebellentum ein Sport für reiche Kids. Das kann man schön kultivieren. Papa zahlt und später nach der Uni wird man selbst zum Arsch.

Warum hat es nach der Gründung bis 2007 gedauert, bis Ihr mit „Antinomie“ Euer erstes Album veröffentlicht habt und danach weitere 8 bis „Devianz-Dem Menschen ein Wolf“?

AEJ: D.W. musste erstmal Gitarre lernen. Ich habe bis heute keine Ahnung von Musik. Wir sind zum Teil Autodidakten. Im technischen–mathematischen Sinne. Deshalb ist das alles bei mir Instinkt. Über die Jahre versteht man innere Logiken.

DM: Naja, bei der Gründung waren wir noch keine komplette Band. Wir hatten eine Vision, konnten die aber noch nicht umsetzen. Wir haben angefangen, Musik zu schreiben, obwohl wir unsere Instrumente kaum beherrscht haben. Ein erstes komplettes Lineup hatten wir 2000. Da haben wir dann auch ein Demo aufgenommen. 2002 und 2004 folgten weitere. Und irgendwie waren wir nie die Schnellsten, wenn es ums Schreiben geht. 2007 kam das erste Album, ein Teil der Songs war zu dem Zeitpunkt allerdings auch schon älter. "Antinomie" hatte deutliche Death Metal-Einflüsse, was uns zu dieser Zeit gut gefallen hat. Danach haben wir mehr oder weniger ein komplettes Album in diesem Stil geschrieben. Bevor wir das aber finalisiert haben, haben wir festgestellt, dass wir zu sehr wegbewegen von unserer ursprünglichen Idee. Und dann haben wir alles verworfen und neu angefangen. Das Ergebnis war "Im Jetzt die Asche", da haben wir uns dann wieder auf Black Metal konzentriert. Zu dieser Zeit haben wir auch angefangen, Corpsepaint zu nutzen, was für uns extrem wichtig war.

AEJ: Ja, im Jetzt die Asche war der Wendepunkt, da hatte bei mir auch irgendwas Klick gemacht.


Danach ging es aber rasant weiter. Die überragende „1997“ Ep mit der Hymne „Nazi Black Metal Fuck off“ und nun die großartige „Anatomie des Scheiterns“, In meinen Augen einer der besten Veröffentlichung in diesem Genre in den letzten Monaten. Wie lange habt Ihr gebraucht, bis das Album so wurde, dass es von Euch die Absolution bekam?

DM: Devianz war schon irgendwie einfacher für uns, weil wir nur noch das gemacht haben, was wir wollten. Und irgendwie auch besser umsetzen konnten, was uns schon immer vorschwebte. Bei den Songs, die wir danach komponiert haben, haben wir etwas mehr auf Atmosphäre gesetzt, das war eine Bauchentscheidung. Das ging bei der 1997-EP los und beim aktuellen Album haben wir diesen Weg fortgeführt. Ich würde sagen, dass wir gute 2 Jahre an dem Album gearbeitet haben, vielleicht auch länger.

AEJ: Die Texte zum Album hatte ich recht schnell zusammen. Dafür bin ich alleine auf eine Insel geflohen: Felsen, Meer und Büchsenbier. Da habe ich mir eine Bucht gesucht, bin schwimmen gegangen, habe ich auf die Felsen gehockt und geschrieben. Tag für Tag bis ich die Texte fertig hatte. Die Texte dann aber auf die Musik anzuwenden, führt dazu, dass man sich nur noch um die Musik und den Gesang kümmert. Erst jetzt erkenne ich den einen oder anderen Gedanken in meinen Texten wieder.

DM: Allerdings muss man erwähnen, dass wir in dieser Zeit einen Drummerwechsel hatten und uns diese Tatsache einige Monate gekostet hat. Dazu muss man sagen, dass wir eigentlich schon immer so vorgehen, dass erst die gesamte Musik steht und die Texte danach kommen.

AEJ:
Wobei wir die Musik mit dem Drummer-Wechsel noch mal stark angefasst haben. Haben wir das Album dadurch nicht zweimal geschrieben? Gefühlt ja.

DM: Nein, aber wir haben zumindest 3 der 7 Songs umstrukturiert und auch das Tempo deutlich angezogen.

AEJ: Naja, für mich hat das bedeutet, dass ich extrem viel ändern musste. Eigentlich habe ich bis zum Schluss Sachen geändert.

DM: Ja. C.A. ist ein großartiger Drummer und ein echtes Blast-Monster. Diese Möglichkeiten mussten wir nutzen (grinst).

AEJ: Auch hat er sich aktiv ins Songwriting eingeschaltet auch in Bezug auf den Gesang, so nach dem Motto: „Ah, da kommen Gangshouts hin? Dann spiele ich das besser so.“ Und schon war es 1000x geiler.


DM: Insgesamt haben wir, das fällt im Nachhinein auf, noch nie so viel Arbeit in ein Album investiert. Auch abseits von der Musik. Artwork, Konzept, Promo... wir alle haben uns den Arsch für die Scheibe aufgerissen. Dafür gab es keinen wirklichen Grund. Aber irgendwie wussten alle, dass es wichtig ist.

Und dafür habt Ihr zumindest bei uns die CD der Woche eingeheimst und wenn ich das richtig verfolgt habe, sind die allgemeinen Reaktionen ebenfalls mehr als großartig. Habt Ihr mit so viel Zuspruch gerechnet, darauf gehofft oder war es Euch vollkommen egal, solange es Eurem Anspruch entspricht?

DM: Naja, wir sind nicht auf kommerziellen Erfolg aus, das wäre totaler Unsinn. In erster Linie schreiben wir Musik für uns. Und wir schreiben die Musik, die wir selbst gern hören wolle). Ich kann zwar nicht behaupten, dass mich die positiven Reaktionen nicht freuen, aber wenn das Album komplett verrissen würde, würde das für uns nichts ändern.

AEJ: Wir verdienen keinen müden Cent mit guten Rezensionen. Aber es tut gut, wenn sich Menschen ernsthaft mit unserem Werk auseinandersetzen. Es gibt zum Teil fantastische Analysen. Ich schätz es, wenn es jemand schafft, genau die richtigen Worte zu finden, was das Album ausmacht.

DM: Ja, das stimmt. Auch wenn wir die Musik für uns selbst schreiben, ist es dennoch großartig, wenn man damit auch jemanden erreicht, der diese Leidenschaft teilt. In dieser Hinsicht haben wir schon etwas von den Reaktionen. Damit gerechnet haben wir aber nicht wirklich. Das kann man auch selbst überhaupt nicht einschätzen.


AEJ, deine Texte sind im Vergleich zu vielen anderen Bands des Genres sehr tiefgründig und mit vielen Metaphern durchsetzt. Wie kommen diese zustande, was liegt ihnen zugrunde?

AEJ: Ich versuche nicht über etwas zu schreiben, sondern das eigentliche Wesen des Themas freizulegen. Leider ist die Sprache dafür nicht gemacht. Sodass ich mich Bilder bedienen muss. Es ist die Suche nach Abgründen. Beispiele dafür findet man in der Geschichte, aber auch im Alltag, in einem selbst. Kennt ihr nicht dieses Gefühl, wenn man sich bewusst macht, dass das alles hier, dass das „Ich“ unbedeutend ist. Und dann die Frage, wie das wohl ist, wenn es das gar nicht gibt bzw, gar nicht mehr gibt. Das Vorstellen des Nichts. Und du fragst, warum wir solange für unsere Alben brauchen (grinst). Ich bin kein Songwriter, aber Fan.

Dann die Gegenfrage an DM: Wie geht Ihr Eure Songs kompositorisch an?

DM: In der Regel ist es so, dass DW oder ich mit einer Idee, einem Riff oder einem Teilgerüst eines Songs ankommen. Im Laufe der Jahre hat sich hier eine besondere Dynamik entwickelt. Wir verstehen uns musikalisch blind. Einer spielt ein Riff, der andere hat dazu die passende Idee. Damit gehen wir in den Proberaum und arbeiten dann gemeinsam mit FB und CA die kompletten Songs aus. Hier nehmen Alle Einfluss auf das Endergebnis. Oft entsteht aus einer Idee im Proberaum was völlig anderes, viel Besseres. Die Band funktioniert absolut als Einheit.

AEJ: Wenn etwas zu vertrackt ist oder zu kompliziert ist, mache ich schon mal Gegenvorschläge

DM: Ok, einer macht gelegentlich Gegenvorschläge (grinst).


Nun seid Ihr ja auch von der ganzen Covid-19 Pandemie betroffen. Ein neues Album am Start und keinerlei Möglichkeit, dieses live zu promoten. Nagt das sehr an Euch?

DM: Ja, das ist schon beschissen. Wir hätten das Material gern auf die Bühne gebracht!

AEJ: Wir versuchen da, digital ein bisschen zu kompensieren, also indem wir sehr viel audiovisuell übersetzen. Aber das ist absolut nicht das gleiche. Die Leute bekommen aber so einen kleinen Eindruck von der Idee hinter Hyems, von dem Wesen der Band, von dem, was wir auf der Bühne darstellen wollen.


Was wollt Ihr darstellen?

AEJ: Die Verkörperung der Texte bzw. der Musik, es ist weniger etwas Konkretes, es sind diese Abgründe, von denen ich gesprochen habe. Unterbewusstes, das machen wir ja auch auf der Bühne. Shows sind außerdem immer noch intensiver, rauer. Es geht um Aggression, Abgründe, Schmerz und das Nichts. Im Prinzip ein Gegenentwurf zum Leben.




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