Alben des Jahres 2023

DIE Alben DES MONATS (11/24)

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DURCHAUS EIN COMEBACK



Für eine Band, die sich 1984 gegründet hat, sind vier Studioalben kein überragender Arbeitsnachweis. Nun verhält es sich mit Heathen allerdings so, dass jedes Album für sich ein absoluter Klassiker ist und in keiner halbwegs gut sortierten Thrash Metal Sammlung fehlen darf und somit das Quintett mit zur Speerspitze des klassischen Bay Area Konsortiums gezählt werden musste. Aber wie es meist halt ist, wer hoch fliegt, fällt auch tief und nach dem überragenden „Victim of deception“, welches mich 1991 permanent in meinem Discman begleitete, trennte sich diese Ausnahmeband zwei Jahre später und hinterließ eine Menge trauriger Fans.

Dafür war 17 Jahre später der Jubel umso größer, als mit „The evolution of chaos“ ein Album erschien, welches die Band stärker denn je präsentierte und die alten Fans sofort wieder einfing und scharenweise neue hinzukamen. Die Welt stand den Jungs offen. Man tourte, begeisterte allerorts die Heavy Metal Gemeinde und ich kenne keinem aus meinem Bekanntenkreis, der bei Songs wie „Bloodkult“ oder vor allem „Dying season“ nicht vor Begeisterung die Nackenmuskulatur rotieren ließ. Und dann? Wieder Funkstille…naja, nicht ganz, denn Lee Altus war ja bereits seit 2005 fester Bestandteil von Exodus, zu denen sich mein Interviewpartner Kragen Lum 2015 als Ersatz des bei Slayer spielenden Gary Holt ebenfalls gesellte, was natürlich Heathen einmal mehr zur Untätigkeit verdammte. Doch damit ist nun endgültig Schulz!

Mit "Empire of the blind" kommt nun eines der am sehnlichst erwarteten Alben auf den Markt, welches bei einigen, die die Platte vorab bereits hören konnten, für Diskussionsstoff sorgte. Ja auch ich hatte anfangs so meine kleinen Probleme, doch je öfter…aber dazu kommen wir später. Ich jedenfalls freute mich diebisch darüber, mit Kragen über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zu plaudern, bei dem sich der Gitarrist als ein mehr als angenehmer und sympathischer Zeitgenosse entpuppte.

Ich bin etwas verwirrt, als ich Dich via Skype heute kontaktierte. Ich entdeckte dort: Heimatstadt: Little Rock Arkansas, Ich dachte immer, Du bist fest in der Bay Area verwurzelt?

Hahaha, nein und um es noch schrecklicher für Dich zu machen: Ich habe noch nie in der Bay Area gelebt. Ich bin in Los Angeles aufgewachsen und habe da sehr viele Jahre verbracht. Ich bin dort in der Umgebung (Burbank) geboren, später aber mit meinen Eltern quer durch die USA gezogen, um dann als Teenager für 4, 5 Jahre wieder dorthin zurückzukehren. Der Schritt nach Little Rock zu ziehen, war der richtige, denke ich. Hier habe ich meine Ruhe und kann mich voll und ganz meiner Musik widmen und dieser hauptberuflich nachgehen. Ich mag das Leben hier.

Kragen, was hältst du vom neuen Album deiner ehemaligen Kollegen von Abysmal Dawn "Phylogenesis"? Gibt es noch Kontakt zu den Jungs?

Naja, ich war nie festes Mitglied in der Band, sondern habe beispielsweise auf dem Knotfest live ausgeholfen und auf der zweiten Scheibe ein paar Soli eingespielt. Ich bin sehr gut mit Charles Elliott, deren Sänger und Gitarristen, befreundet und er hat im Gegenzug auch schonmal in meiner zweiten Band Prototype mitgesungen. Witzigerweise arbeitet er bei Nuclear Blast hier in den Staaten und somit sind wir momentan geschäftlich miteinander verbunden (lacht). Das neue Album ist aber saustark. Charles hat das auch selber gemixt und ich habe wirklich jeden Schnipsel von den Jungs. Ich mag Death Metal wirklich sehr gerne hören.

Ich muss gleich zu Beginn unseres Interviews mal auf Deinen ungewöhnlichen Namen zu sprechen kommen. Woher kommt der Name Kragen? Und Lum ist ja nun auch kein typisch amerikanischer Name.

Yeah, das stimmt. Meine Eltern wollten mich ursprünglich Craig nennen, doch meine Mom hat dann entschieden, ein wenig mit den Buchstaben zu spielen und das „en“ hinten dran zu hängen. Mein Nachname ist ein alter englischer Name und als meine Vorfahren entschieden, nach Amerika überzusiedeln, wurde vom ursprünglichen Namen ein „m“ und ein „b“ weggenommen, so dass im Endeffekt Lum übrigblieb. Aber ich gebe Dir recht, der Name ist selbst für diesen Teil der USA recht ungewöhnlich, hahaha.

Am 18.September erscheint nach 10 langen Jahren Wartezeit endlich Euer neues Album "Empire of the blind". War der Titel ein Omen auf die schlechte Covid-19 Bekämpfung der amerikanischen Regierung? Oder was wollt Ihr uns mit dem Albumtitel mitteilen?

Der Titelsong beinhaltet alles an Themen, was wir auf dem Album verarbeiten wollten. Politik, Sozialkritik und vor allem, wie heutzutage Propaganda erschaffen wird und sich die Leute davon gerade in der heutigen Zeit massivst beeinflussen lassen. Propaganda ist nicht Neues und es gibt sie seit Anbeginn der Zivilisation, aber in diesen Zeiten, in denen wir leben, haben die Nachrichtensender dermaßen viel Einfluss auf die Politik und man kann die Häufigkeit dieser dadurch einstehenden Propaganda gar nicht mehr zählen oder greifen. Dazu kommt, wie Propaganda über soziale Netzwerke verteilt wird. Die meisten Menschen sind auf irgendeine Art und Weise in sozialen Netzwerken unterwegs und es ist verdammt einfach, den „Share“ Button zu drücken, um Gerüchte, Falschmeldungen und irgendeinen Scheiß in die Welt zu posaunen, ohne dass man sich selber fragt, ob dies nun der Wahrheit entspricht oder nicht…

Die Message hinter diesem Song und dem Albumtitel soll ein Weckruf für all diejenigen sein, die die normale Realität gar nicht mehr wahrnehmen und sich nur noch hinter Facebook, News Media oder anderen Plattformen verstecken. Davon das politische Parteien oder merkwürdige Gruppierung solche Plattformen nutzen, um dich grundlegend zu beeinflussen, spricht hier kaum jemand. Früher wurde Propaganda durch das Radio oder den Fernseher verbreitet, heute sind die Leute 24/7 mit dem Internet verbunden und beziehen ihre News direkt von Social-Media-Kanälen, ohne deren Wahrheitsgehalt zu kennen.

So beängstigend das ist, finde ich es dennoch interessant, wie manche Menschen sogar Geld dafür bezahlen, um emotionale Regungen in sich auszulösen und sich einfach belügen zu lassen. Wie oft haben wir schon in der Vergangenheit Dinge geglaubt, die sich dann später als absolute Lüge herausgestellt haben? In der heutigen Zeit hört aber keine auf diese mahnenden Worte. Was in den News steht, ist wahr. Punkt.


Da sprichst Du, glaube ich, nicht nur mir aus der Seele, wenn man bedenkt, was gerade hier bei uns in Deutschland von einigen Vollidioten verzapft wird. Kennst Du die Bilder von den Demonstrationen, wo selbst rechte Gruppierungen mitlaufen und sich den deutschen Kaiser zurückwünschen?

Ehrlich? Nein, davon habe ich nichts mitbekommen. Aber ja, genau das trifft es. Irgendwelche erlogene Geschichten, die ein Bruchteil von Menschen dann für bare Münze nehmen. Erschreckend. Aber da sieht man mal was mit einigen passiert, wenn man sie zu lange in ihren Häusern einsperrt. Die kommen nur auf dumme Gedanken (lacht etwas verbittert). Und dann kommen Leute, die immer noch Öl ins Feuer gießen. Eine interessante Zeit, aber auch eine zuweilen beängstigende. Wir sollten vielleicht endlich mal wieder lernen, die logische Hälfte unseres Gehirns mehr in unseren Alltag einzubeziehen und Dinge zu analysieren.

Wie lange hat der Entstehungsprozess zur neuen Platte gedauert? Habt Ihr wirklich 10 Jahre am Material gearbeitet, oder habt Ihr Euch nach Beendigung Deines Engagements bei Exodus erst zusammengesetzt? War überhaupt geplant, ein neues Album mit Heathen aufzunehmen?

Ja, absolut! Als wir 2012 unseren Vertrag mit Nuclear Blast unterschrieben, begann ich sofort mit dem Songwriting für das neue Album und vier Songs davon sind auch auf dem Album zu hören. Die Musik dazu stand also schon vor 8 Jahren. 2014 waren es bereits 6, die sogar schon Vocals drauf hatten. Geplant war es allerdings nicht, dass die Fans darauf 10 Jahre warten müssen, dass sollte schon ein wenig schneller vonstattengehen. Auch als ich dann 3 Jahre ziemlich heftig mit Exodus um die Welt tourte, arbeitete ich die ganze Zeit an neuer Musik, doch es war zwischen dem ganzen Rumgereise einfach nicht möglich, sich komplett auf die Fertigstellung zu fokussieren. Letztes Jahr es dann endlich soweit und wir konnten uns voll auf die Produktion des Albums konzentrieren.

Ich muss noch einmal kurz etwas zu Exodus fragen. Hast Du die Zeit genossen oder warst Du im Endeffekt froh, Gary Holt wieder in der Band zu sehen? Bei der "The bay strikes back"-Tour Anfang des Jahres hatte es den Anschein, dass Gary sich tierisch darüber freute, endlich wieder bei Exodus zu sein.

Ich bin absolut sicher, dass er es war, denn Exodus ist und bleibt sein Baby. Ich war total begeistert darüber, für eine Zeit lang Teil dieser großartigen Band zu sein, die bis heute zu einer meiner Lieblingsbands ever gehört. Es war eine großartige Erfahrung und ich habe es geliebt und bin durch meine Arbeit im Management ja immer noch mit den Jungs verbunden. Von daher bin ich froh, die Jungs wieder in der Spur zu sehen und freue mich auf das neue Album, an dem gerade hart gearbeitet wird. Momentan findet die Pre-Production statt und es wird ein Monster.

Was hat eigentlich Euer Sänger David White in all den Jahren Pause so gemacht? Er hat doch sicherlich nicht nur auf Euch gewartet, oder?

Nee, hat er nicht (lacht). Er war in der Zeit durchaus nicht beschäftigungslos, hat seine Familie und in diversen Bands in der Bay Area Drums gespielt, gesungen und sich durch einige Gigs fit für uns gehalten. Er wollte immer in Bewegung bleiben und nicht einrosten, wusste aber immer, dass es mit Heathen weitergehen würde. Gut für uns, denn David ist ein großartiger Sänger.

Zurück zum neuen Album. 2010 habt Ihr mit "Evolution of chaos" das für viele Fans und für mich persönlich beste Album Eurer Karriere veröffentlicht. Hattet Ihr diesen Gedanken im Hinterkopf, als es an das Komponieren des neuen Albums ging? Ich kann es mir vorstellen, dass es mit so einem Klassiker im Gepäck recht schwer ist, neue Songs zu schreiben. War das eine Bürde für Euch?

Hm…eine Bürde vielleicht nicht, aber ich habe mir selbst dadurch eine Menge Druck auf meine Schultern geladen, obwohl die anderen Jungs mich haben immer machen lassen, ohne selbst Druck aufzubauen. Heathen haben einen sehr kleinen, dafür aber einen hoch qualitativen Backkatalog und ich wollte den wirklich hohen Ansprüchen der Fans gerecht werden. Wir hatten an uns selbst den Anspruch, nach 10 Jahren keine halbgare Scheiße abzuliefern und haben uns dann bei den Aufnahmen und der Produktion selbst ein wenig Druck gemacht und versuchten, unsere beste Performance auf diesem Album abzurufen.

Würdest Du "Empire of the blind" als ein Comeback Album ansehen oder ist Euer viertes reguläres Studioalbum eine logische Konsequenz in der Karriere von Heathen?

Wenn man 10 Jahre weg war, ist das durchaus ein Comeback. Doch wir haben uns ja nie aufgelöst und insofern ist es dann doch wieder keins, hahaha. Unglücklicherweise ist die Zeitspanne so groß geworden und touren konnten wir auch nicht großartig in der Zeit und in nächster aufgrund Covid-19 sowieso nicht. Von daher haben wir eine Menge Zeit und da nächste Album wird nicht so lange auf sich warten lassen.

9 Jahre?

(lacht) Ich meinte eher 2 oder so.

Ihr habt mit Jason Mirza und Jim DeMaria, den wir in Deutschland als Live Drummer von Demolition Hammer sehr gut in Erinnerung haben, eine komplett neue Rhytmus Sektion. Wie kam der Wechsel zustande?

Wenn Du Dir die Geschichte von Heathen etwas näher anschaust wirst Du feststellen, dass wir nie ein stabiles Line Up über die ganzen Jahre hatten. Das wollten wir ändern und eine Band zusammenstellen, die in Zukunft kontinuierlich stabil ist und da haben wir nach Leuten gesucht, die nicht nur hervorragende Musiker sind, sondern mit denen wir auch viel Zeit verbringen wollen. Das ist uns gelungen und wir merken es jeden Tag, auch wenn wir nicht auf Tour gehen können. Als Musiker und Persönlichkeiten sind die beiden absolut großartig und es ist eine Freude, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie haben auf dem Album eine überragende Leistung abgeliefert.

Ich habe von Seiten einiger Presse Kollegen hier in Deutschland etwas Kritik am Schlagzeugsound vernommen. Seid Ihr selber zufrieden mit dem Sound, oder hätte man im Nachhinein doch irgendwo was besser machen können?

Hm, davon habe ich bislang noch nichts gehört oder gelesen und kann das nicht ganz nachvollziehen. Wir sind absolut glücklich über das Gesamtergebnis und auch der Drumsound ist meiner Ansicht nach der beste, den es je auf einem Heathen Album gegeben hat. Überhaupt ist der Sound ein toller Hybrid aus den alten, analogen Thrash Tagen, gemixt mit einer modernen Produktion. Wir haben einen Haufen analoges Equipment verwendet, um den Sound warm zu halten und wem es nicht gefällt…who cares. Jeder hält sich doch heutzutage für einen Kritiker. Jeder hat eine eigene Meinung…

Die ja bekanntlicherweise…

…wie ein Arschloch ist, denn jeder hat eins, hahaha. Ja, den Spruch gibt es bei uns auch!

Habt Ihr bestimmte Hoffnungen, Wünsche oder Ziele, die Ihr mit "Empire of the blind" erreichen wollt? Ich bin ja der Meinung, dass gerade die deutschen Fans Euch das Album aus den Händen reißen werden.

(lacht) Das hoffen wir natürlich! Heathen hat leider nie DIE Anerkennung bekommen, die die Band verdient gehabt hätte und das sage ich aus der Perspektive des Fans UND des Musikers. Als ich Teenager war, habe ich die Jungs komplett abgefeiert und heute bin ich ein Teil davon und tu alles, damit wir noch bekannter werden. Mal schauen, wie es läuft, denn im Gegensatz zu vielen anderen Thrash Bands haben wir einen sehr melodiösen Sänger, was nicht unbedingt allen gefällt. Wir hoffen, dass wir mit „Empire of the blind“ endlich ein wenig mehr wahrgenommen werden und uns Metal Fans aller Sparten akzeptieren und anhören.

Kragen, vielen Dank für das Gespräch und vielleicht hast Du noch ein paar letzte Worte an unsere Leser und die Heathen Fans hier in Deutschland.

Auf jeden Fall wollen wir Euch für Eure Leidenschaft danken und dafür, dass Ihr so lange ohne uns ausgehalten habt. Wir sind total glücklich darüber, Euch endlich neues Material präsentieren zu können und sind traurig, dass wir dieses Jahr nicht bei Euch spielen können. Hoffentlich kehrt bald wieder ein wenig Normalität ein, damit wir auch wieder Euer wirklich vorzügliches deutsches Bier genießen dürfen. Das vermissen wir total, denn wir wollen endlich wieder raus, spielen, uns mit den Fans treffen und eine gute Zeit haben. Da uns durch Covid-19 die Hände gebunden sind nutzen wir die Zeit und arbeiten an neuem Material, welches dann schneller erscheinen wird. Wie Du schon sagtest…voraussichtlich in neun Jahren, hahaha.

Aber eine Frage an Dich habe ich noch. Wie findest Du das Album?


Ich hatte anfangs ein wenig Probleme mit den Songs, doch je öfter ich sie höre, desto mehr entwickelt sie sich und man entdeckt immer wieder neue Nuancen, die man beim ersten Mal überhört hat.

Und da gebe ich Dir absolut recht! Die Scheibe entwickelt sich immer mehr, je öfter man sie auflegt. Langeweile ist so ätzend, ich hasse solche Platten und genau das wollten wir mit „Empire of the blind“ vermeiden. Deine Meinung sagt mir, dass wir es geschafft haben und dafür danke ich Dir.



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