Alben des Jahres 2023

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Saxon sind unbestritten eine der Bands, die ich mit der Muttermilch aufgesaugt habe. Ziemlich früh in meinem Leben war ich schon von den Releases der Begründer des NWOBHM begeistert und hatte seitdem des Öfteren die Gelegenheit, Biff und seine Mannen live begutachten zu können und stellte immer wieder fest: Mit Saxon ist es wie mit einem guten Wein. Je länger er reift, desto leckerer ist er. Das letzte Album "Battering ram" landete somit folgerichtig in 2015 in meinen Top 10 des Jahres und auch bis heute hat dieser Ausbund an rockender Härte nichts an seiner Anziehungskraft verloren. Leider fiel für mich letztes Jahr der Gig im Vorprogramm von Motörhead berufsbedingt ins Wasser, womit ich dankbar für die Gelegenheit war, in diesem Jahr erstens den Gig in voller Länge zu bewundern und zweitens mit dem überaus witzigen und eloquenten Nibbs Carter ein längeres Gespräch rund um die britische Metal Legende zu führen.

Nibbs, willkommen zurück in Berlin! Wie geht es Dir nach Absolvierung fast der Hälfte dieser doch recht langen Tour?

Hi, mir geht’s richtig gut! Ok, ein paar von uns haben gerade die Grippe, aber das bleibt nicht aus, wenn man längere Zeit unterwegs ist und auf so einem engen Raum zusammenhockt. Gestern in Warschau waren knapp 900 Leute da, die uns von Anfang bis Ende abgefeiert haben und da vergisst man schon seine körperlichen Wehwehchen, hahaha.

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr wart Ihr das letzte Mal in Berlin. Nun diese für Euch wirklich umfangreiche Tour durch ganz Europa. Wie läuft’s denn?

Super! Das ging schon in Großbritannien gut los, wo wir unsere Tour in Newcastle gestartet haben, wir uns auch auf die Shows vorbereitet und geprobt haben. Dort befinden sich ja auch in der Nähe die Backstage Studios von Andy Sneap, wo wir unsere letzten Scheiben aufgenommen, gemischt und sich viele andere prominente Bands in den letzten 15-20 Jahren herumgetummelt haben und wir nebenbei auch ein paar Aufnahmen für das nächste Album gestartet haben. Wir haben geprobt, aufgenommen, geprobt und dann ging es los. Gleich die erste Nacht war großartig und auch das Line Up war fantastisch!
Girlschool, die ja immer noch mit von der Partie sind und vor allem Fastway mit ex-Motörhead Gitarrist Fast Eddie Clarke. Das hatte schon etwas Legendäres. Jede Show auf der Insel war richtig gut, super besucht und spaßig. Das Publikum war überall total begeistert davon, Eddie mal wieder auf der Bühne zu erleben und auch er hat es sichtlich genossen, mal wieder on the road zu sein.

Am Ende unserer fast 100minütigen Show fragten wir ihn dann einmal ob er nicht Bock hätte, mit uns zusammen „Ace of spades“ zu zocken, was er dann auch tat und es war großartig und fantastisch, legendär! Ich habe den Basslauf begonnen, schaute ihm in die Augen und er stieg voll mit ein. Ganz großes Kino für uns alle! Das haben wir an einigen Abenden gemacht, doch nicht an allen, denn manchmal hatte er auch einfach keinen Bock dazu, was ich voll und ganz aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nachvollziehen kann. Er selber war seit Jahren nicht mehr auf Tour, vielleicht ein paar einzelne Shows und hat es scheinbar sehr genossen, mal wieder so richtig für 10 Shows unterwegs zu sein. Die Fans haben ihn auch jeden Abend mit „Eddie, Eddie“-Sprechchören abgefeiert und das nach 30 Jahren Bühnenerfahrung.

Holland war dann unsere erste Station auf dem Kontinent, in Tilburg, wo wir ebenfalls mit offenen Armen empfangen und begeistert aufgenommen wurden. Ein großartiges Gefühl. Danach ging’s dann zum Metal Hammer Paradise und zurück nach Holland, Zwolle, wo dann Last in Line für 8 Shows zu uns stießen und heute Abend hier in Berlin ihren letzten Auftritt haben. Eine wirklich außergewöhnliche Band, denn die meisten haben ja damals zusammen mit Ronnie James Dio gespielt und halten mit ihrer Show und den Songs sein Andenken in Ehren. Ich persönlich wusste gar nicht, dass die Truppe existiert, habe mich dann im Internet ein klein wenig belesen und war vollkommen begeistert! Das Songs für die Ewigkeit und der erste Auftritt war sensationell! Gänsehaut pur, tolle Songs, großartige Musiker.

Ein großartiges Package in England, ebenso auf dem Kontinent. Ja es läuft wirklich klasse für uns.

Nach all den Jahren klingt das nach einer Menge Spaß und weniger nach „Business as usual“, wie man bei einer Band wie Euch denken könnte…

Absolut! Vor allem freue ich mich jetzt auf die 3 Shows in Dänemark und danach stößt Phil Campbell mit seinen Bastard Sons für 8 Shows zu uns, dass wird ebenfalls großartig. Ja, die Tour macht bislang jede Mange Spaß.

Wird es aber mit den Jahren nicht irgendwann auch mal langweilig, permanent in der Weltgeschichte herumzureisen?

Eigentlich nicht, nur ist das Reisen immer verbunden mit viel Wartezeiten und das kann wirklich auf die Dauer mächtig öde werden, ob du nun der Sänger von Rammstein bist, Heino oder der Bassist von Saxon, da müssen alle durch, hahaha. Du fliegst von Düsseldorf nach Kiel…du wartest auf dem Weg zum Flughafen auf den Bus, dann auf dem Flughafen selbst. Im Flieger geht’s dann, dann wartest du am Ankunftsort, um abgeholt zu werden. Insgesamt dauert so ein Trip dann um die 8 Stunden, wobei der Flug lediglich 40 Minuten dauert, sowas kann wirklich nerven. Im Bus hast du immer dieselben Gesichter um dich herum, nun haben auch alle noch die Grippe…naja…man kann es mir nicht recht machen, hahaha.

Eure letzte Deutschland Tour habt Ihr ja als Support von Motörhead absolviert und dabei quasi die letzten Shows von Lemmy miterlebt. Wie groß war die Trauer bei Euch, als er am 28.12.2015 für immer von uns ging?

Es war eine sehr emotionale Tour für uns, denn bereits in 2013 und 14 wollten wir mit ihnen zusammen touren, doch diese Shows wurden dann von ihnen gecancelt und von daher war es schon eine sehr wichtige Tour für uns. Wir merkten schon schnell, dass Lemmy bei weitem nicht mehr in der Verfassung war, in der er früher on the road ging. Wir starteten ja im August / September in den USA, was für uns eine richtig tolle Erfahrung war, denn ich selber war vorher noch nie mit Motörhead zusammen in den Staaten. Zwei oder drei Shows musste er dann wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustandes canceln, hat es aber dennoch immer wieder versucht und war dann immer ziemlich niedergeschlagen, wenn es nach 3 oder 4 Songs schon wieder vorbei war.

Nach einer Woche Pause kam er dann wieder, frisch, erholt, ok, er ist nicht rumgetanzt und hat Faxen gemacht, so war er einfach nicht, doch er sah gut aus und voller Tatendrang. Dann kam die Deutschland Tour, da lief es auch einigermaßen gut, doch er sah immer müder aus und man machte sich schon ein klein wenig Sorgen. Wir waren alle sehr optimistisch und kurioserweise wurde ja das Berlin Konzert dann abgesagt, weil Phil ins Krankenhaus musste. Das war schon Ironie pur.

In 2016 wollten wir ja die Tour fortführen in Spanien, Frankreich, in ganz Südeuropa, doch schon zu einem frühen Zeitpunkt haben viele Leute, die Lemmy nahestanden, gesagt, dass es nicht so aussehen würde, als ob er im Folgejahr noch touren könnte. Dann kamen die letzten Shows, unter anderem hier in
Berlin in der ausverkauften Max Schmeling Halle, ein unglaubliches Event, wo wir schon merkten, dass dies durchaus eine der letzten Konzerte von Lemmy sein könnte und als es danach soweit war, waren wir natürlich betroffen und traurig…aber hey…so ist das Leben und es geht weiter. Das war auch immer Lemmy’s Motto. Ich habe es bei der Tour jeden Abend genossen, Motörhead vom Bühnenrand aus zu beobachten, den Bomber, die Lichtshow und wenn Lemmy noch was dazu sagen könnte wäre das mit Sicherheit: Hey, wenn ich nach so einer Tour abtrete, ist das nicht das Schlechteste.

Kommen wir mal zum aktuellen Album, welches fast genau vor einem Jahr das Licht der Welt erblickte: "Battering ram". Für mich war es eine große Überraschung, Euch so hart und kompromisslos zu hören. War diese auf dem Album vorgefundene Aggressivität auch überraschend für Dich?

"Sacrifice" hatte auch schon ziemlich heftige Parts und wurde von der Presse ebenfalls sehr wohlwollend aufgenommen. Wir hatten nicht das Ziel, noch härter zu werden, doch die Parts, die wir im Entstehungsprozess zu „Battering ram“ ausgesucht hatten, klangen schon ziemlich heavy. Andy Sneap war ebenfalls ziemlich überrascht von der Härte, doch er muss ja mit dem arbeiten, was er vorgesetzt bekommt, hahaha. Er hat dann alles aus den Sachen rausgeholt und manchmal finde ich es schon etwas zu heavy für eine Band wie Saxon, aber es ist im Endeffekt Heavy Metal…

Wobei ich Saxon nicht unbedingt als die klassische Heavy Metal Band definieren würde, NWOBHM hin oder her…

Exakt, da gebe ich dir recht und das meinte ich damit auch.

Auf jeden Fall kann ich mir gut vorstellen, dass Ihr mit dieser neu gewonnenen Härte eine Menge neuer Hörer erreicht habt…

Glaubst Du? Das lässt sich so ja leider nicht unbedingt messen, aber ich freue mich, wenn Du so darüber denkst und wenn ich es mir recht überlege…ja, Du könntest damit wirklich recht haben. Also doch alles richtiggemacht, hahaha.

Du bist aber trotz der teilweise exorbitanten Härte immer noch zufrieden mit der Scheibe?

Aber sowas von! Wir haben ja schon mit dem Komponieren der neue Scheibe begonnen, was natürlich ein ziemlicher Output ist, aber dennoch mag ich die Scheibe immer noch. Wenn ich mir mal überlege, in welch Abständen wir neue Scheiben raushauen…meine Güte, hahaha. In den frühen Achtzigern waren das auch schon mal zwei pro Jahr.

Was ist für Dich wichtiger? Ein neues Album aufzunehmen oder auf Tour zu sein?

Hm…beides zu gewissen Teilen. Klar ist es wichtig, neue Songs zu schreiben und diese dann zu performen, aber…ganz ehrlich…ich bin lieber live auf der Bühne, da fühle ich mich wohl. Man muss das lieben was man tut und ich liebe alles, was wir machen. Es ist auch immer ein gewaltiger Unterschied, ob du nun als Fan oder neutraler Hörer das Album magst, oder ob du das auch live überzeugend findest.

1987 habe ich Euch auf der „Rock the nations“ Tour erstmals live gesehen...

Scheiße, sind wir alt, hahaha.

Ich sag’s Dir. Macht es denn immer noch Spaß, solche Gassenhauer wie „Denim and leather“ oder „747“ live zu spielen oder wird man das irgendwann mal überdrüssig?

Es wäre langweilig, wenn das Publikum mit verschränkten Armen und einem Stoßseufzer vor der Bühne stehen würde (lacht). Sie tun es aber nicht und somit macht es immer noch Spaß, den Leuten das zu geben, was sie wollen. Und wenn sie dabei mitsingen, schreien und gut abgehen, haben wir doch auch unseren Spaß. Ein Set ohne „Eagle has landed“ ist doch bei uns kaum vorstellbar, die Leute schreien ja förmlich danach. Es kann langweilig werden, wenn man sich nicht wohlfühlt, kränklich ist und dann immer wieder die ollen Kamellen rausholt, aber das kommt absolut selten vor, hahaha.

Hat sich denn unser guter Freund Jacky Lehmann auf der Tour benommen?

Bislang schon, hahaha. Nee, er macht einen echt guten Job und besorgt den Leuten einen richtig guten Sound vor der Bühne. Das sieht man dann auch an den Gesichtern in der ersten Reihe, wenn sie förmlich weggefegt werden. Er macht laut…und das ist gut so!

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