So muss ein Thrash Album anfangen, oder? Keine Intros, keine Samples – bam bam bam

Bei der momentan und seit Jahren vorherrschenden Fülle an Veröffentlichungen ist es immer mal wieder eine Wohltat, wenn urplötzlich eine Band aus dem Untergrund an die Oberfläche gespült wird, die so herzerfrischend brachial klingt, das man getrost über eine Reihe von Arschbomben hinwegsehen kann. Die Kölner Pripjat sind exakt so ein Beispiel. Klar erfindet die Band mit ukrainischen Wurzeln das Rad nicht neu und klaut zum Teil ungeniert bei den Großen der Szene...doch...who fuckin' cares, wenn dabei solch ein Hassbrocken wie "Sons of Tschernobyl" am Ende herauskommt? Richtig, mich und auch auch Walter nicht, der den Jungs eine fette 9 verpasste. Ich schnappte mir Flitzefinger Eugen und quetschte ihn mal ein klein wenig aus.

Eugen, da scheint sich ja Dein persönliches Engagement auf dem letztjährigen Rock Harz mächtig bezahlt gemacht zu haben. Knapp 1000 Facebook Likes und eine schweinegeiles Album rausgebracht. Allen Grund zur Zufriedenheit nehme ich mal an…

Hehe – kann man wohl so sagen. Wir sind mega glücklich damit, wie das Album ankommt. Man kann es sogar auf etlichen Piratenseiten illegal downloaden. Das ist natürlich ein Kompliment. Wer uns unterstützen will, soll das Ding gefälligst kaufen – der Rest kann aber einfach unsere Musik genießen. Das finde ich völlig in Ordnung. Beim Rock Harz war ich eigentlich für das Projekt „Heavy Metal Made In Germany“ unterwegs und habe den Gig von Tankard gefilmt. Und danach bierselig einige PRIPJAT Demos verteilt. Das muss sein – wer im Keller hockt und darauf wartet von der Welt entdeckt zu werden, ist ein Idiot. Dieser hungrige Spirit fehlt heute leider sehr vielen jungen Bands. Man schreibt ein Paar Songs und erwartet direkt einen Nightliner voll mit Koks und Groupies, während man eine Headlinertour fährt. Was die Facebooklikes betrifft – ich finde es schade, dass heute vieles danach gerichtet ist. Bands mit wenigen Likes werden kaum gebucht und keiner geht auf die Konzerte dieser Bands. Das ist Schwachsinn, aber leider die Realität. Für uns käme bezahlte Facebook Werbung nie in Frage. Trotzdem freut das Interesse natürlich immens und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir total am Arsch vorbei geht.

Erzähle mir doch mal ein wenig über den Werdegang Pripjats? Ich hatte Euch vorher noch nicht einmal namentlich auf dem Schirm.

Das hat auch heute noch kaum einer. Unser Weg hat gerade erst begonnen. Umso umwerfender die Rezeption von „Sons Of Tschernobyl“. Nicht jeder ist begeistert, aber ein schlechtes Review gab es tatsächlich noch nicht. Und dabei waren wir in ziemlich renommierten Magazinen. Das ist ganz schön irre. Niemand von uns hat jemals vorher ein Album veröffentlicht. Kirill und Bobo machen schon ewig zusammen Musik (Von ihrer zweiten Death Metal Band Ayahuasca werdet ihr noch hören!). Ich selbst hatte vorher nur eine Schulband. Irgendwann quatschte mich der Overkirill beim Feiern an, ob ich ein Instrument spielen würde. Eine klassische Story also. Wie schnell alles gehen würde und wie geil es wird – das hat keiner von uns gedacht. Wir wollten einfach mal einen Gegenpol zu dem ganzen Core Kram setzen.

Euer Bandname ist ja selbst für Unwissende recht eindeutig, ist Pripjat doch die Geisterstadt bei Tschernobyl. Da ja die Hälfte Euer Bandmitglieder aus der Ukraine kommt ist die Frage natürlich naheliegend, ob Ihr in irgendeiner Form vom Reaktorunglück betroffen gewesen ward? Vom Alter her kann ich mir es nicht ganz vorstellen…

Oh doch, da haben wir schon was abbekommen. Das AKW ging einen Monat vor meiner Geburt hoch. Meine Ma floh deswegen hochschwanger nach St. Petersburg, weil man Angst hatte. Die Sowjets hielten sich mit Infos ganz schön bedeckt. Als ich älter wurde, hat mich das Thema nicht losgelassen. Atomares Versagen – ein krasseres Symbol für die menschliche Ignoranz kann ich mir kaum vorstellen. Auch Kirills Familie ist teilweise gesundheitlich von den Folgen des Unfalls betroffen. Wir sind tatsächlich die „Sons Of Tschernobyl“.

Mittlerweile kann man ja sogar Pripjat besichtigen. Schon mal dagewesen?

Nein. Aber das wird definitiv passieren.

Die Reviews zu „Sons of Tschernobyl“ lesen sich durch die Bank weg hervorragend. Die Vergleiche zu den alten Thrash Helden wie Slayer oder Kreator müssten doch eigentlich runtergehen wie Öl, oder?

Klar! Genau das war der Gedanke von Pripjat – alles spielen, was in dem Genre Spaß macht. Manchmal unterstellt man uns fehlende Eigenständigkeit. Das sehen wir aber nicht so – das Album ist sehr abwechslungsreich, da gleicht kein Song wirklich dem anderem. Außerdem macht es einfach Bock Slayer und Kreator Riffs zu zocken. Wenn eine Thrash Band keine Slayer Riffs in ihre Songs integriert, dann fehlen denen nun mal ziemlich geile Parts (lacht) Pripjat ist keine Avantgarde Band. Unser Job ist es Leute zum Headbangen zu bewegen!

Seht Ihr Euch eigentlich als „deutsche“, „ukrainische“ oder „kosmopolitane“ Band? Die einzige „echte“ ukrainische Band die ich noch kenne, ist Hell:On…

Ich persönlich hasse Staatsgrenzen. Das ist naiv und utopisch, aber für mich sorgen sie nur für Leid und Ausgrenzung. Die Welt ist mein Zuhause. Natürlich haben Kirill und ich eine gewisse östliche Mentalität – das finde ich auch super. Eine Band sollte aber nie irgendeiner Nation zugehören. Musik ist universell. Mit Hell:On hatten wir übrigens mal ein gemeinsames Interview zum Thema Thrash Metal in der Ukraine. Der Chef ihres Labels Metal Scrap Records ist ein sehr netter Kerl – ein richtiger Metalhead, der sein Label vor Jahren mal in einem Bunker gegründet hatte. Das ist ziemlich Metal, oder? (lacht)

Erzähle mal ein klein wenig über die Entstehungsgeschichte des Albums.

Wir haben einfach mal gemacht. Das komplette Ding haben wir alleine gestemmt – unser Label Bret Hard dient als Vermittler. Promo und Aufnahmen haben wir komplett selbst finanziert und haben jetzt reichlich Schulden. Aber das ist es absolut Wert! Kirill hat mit unserer Demo seine ersten Schritte Richtung Tontechnik gemacht. Das Album hat er dann auch komplett aufgenommen, gemischt und gemastert. Ein Freund hat uns für die Drumaufnahmen in sein Studio gelassen, ein anderer für wenig Geld das fantastische Artwork gezeichnet. Egal was man behauptet – es gibt immer Leute, die einem helfen. Und wenn man fleißig ist, wird man auch immer weiter kommen. Mit kleinen Schritten, aber weiter. Es kam nie infrage Däumchen zu drehen und auf einen Major Deal zu hoffen. Da steckt viel Fleiß drin, aber kein Frust. Pripjat macht einfach immer Bock. Etwas Besseres kann ich mir auch nicht vorstellen.

Das Album flutscht von vorne bis hinten in einem Rutsch durch. Herrlich rifflastig und mächtig fett. Fallen Euch die Teile einfach so in den Schoss? Das hört sich nämlich teilweise herrlich frisch und frei an und nicht einmal ansatzweise „kompositorisch“ an, wenn Du verstehst, wie ich das meine.

Versteh ich total! Sehr cool, dass es so zu hören ist. Da ist nichts verkrampft. Wir haben nur eine Vorgabe beim Schreiben: 100 % Thrash. Das schränkt gar nicht so stark ein, wie man denken könnte. Hört euch einfach mal Muncipal Waste, Megadeth und frühe Sepultura an. Da liegen Welten zwischen und es ist trotzdem Thrash. Wir nehmen alles, was uns in dem Genre Spaß macht und packen es in unsere Songs. Ist uns auch scheißegal, ob das „true“ ist – es muss einfach Bock machen. 3 von uns wohnen zusammen in einer WG – hier wird Metal in jeder Faccette gehört – von Manowar bis Meshuggah.

Ich geb Dir mal meine drei Favoriten vor und Du erzählst mir mal was drüber. Beginnen wir mit „Nuclear chainsaw

So muss ein Thrash Album anfangen, oder? Keine Intros, keine Samples – bam bam bam. Mit diesem Song beginnen wir alle unsere Gigs. Es ist im Prinzip nur ein Riff, aber es knallt tierisch. Einer meiner Lieblingssongs auf dem Album. Schaut euch auch das Video dazu an – das ist die Essenz von uns. Bühne, Wildheit, Spaß.

Red Disease“. Ist damit Russland gemeint?

Die Sowjetunion allgemein. Ein höchst politischer Text. Ich habe darin mit dem gescheiterten Experiment des Sozialismus abgerechnet. Der Scheiß hat meine Heimat ruiniert, die immer noch nach ihrer Identität sucht. Gleichschaltung, Abschaffung von Individualität – für mich war die Sowjetunion genauso beschissen, wie das Dritte Reich. Beide hatten ihre Massenmörder, Konzentrationslager und Unterdrückung. Und als das Ganze dann zusammenbrach, kamen die Banden an die Macht…und sind es immer noch. Deswegen haben unsere Eltern ihre Heimat verlassen – für unsere Zukunft. Es hat sehr wehgetan Freunde und Verwandte zurück zu lassen. Extremismus ist immer Scheiße – egal in welche Richtung. Nur extrem geilen Metal kann unterstützen (lacht)

Als Letztes „Liquidators

Unser erster Song, der bei der ersten Probe fast fertig geschrieben wurde. Wir jamten das Riff, grinsten uns an und wussten Bescheid.

Nochmal zum letzten von mir benannten Song: Warum habt Ihr eigentlich „Liquidators“ als Bonus auf Russisch aufgenommen? Warum nicht auf Ukrainisch?

Im „Liquidators“ geht es um die Liquidatoren, die mit bloßen Händen radioaktive Trümmer vom Reaktordach schmeißen mussten. Viele sind gestorben, aber sie haben Unglaubliches geleistet. Mittlerweile hat man diese Helden fast überall vergessen. Das wollten wir ändern. Daher auch die Übersetzung – vielleicht hört es ja einer von ihnen. Es wird ihm bestimmt viel bedeuten, dass eine junge Generation sie nicht vergessen hat. Außerdem hört sich Russisch einfach geil assi an. Diese rollenden „Rrrrrrssss“ Hat Kirill einfach drauf. Ukrainisch kann er kaum noch sprechen. Außerdem klingt die Sprache viel weicher.

In Deutschland wurden die Klitschko Brüder als Ukrainer ja gerne „eingedeutscht“ und haben im Boxen Maßstäbe gesetzt. Macht Dich sowas stolz oder interessiert Dich das nicht?

Stolz auf andere zu sein ist schwierig. Ich finde das Wort unschön. Abgesehen davon ist es mir herzlich egal. Wir alle sind keine großen Sportfans. Vor den Klitschkos habe ich Respekt – sie sind kluge Geschäftsmänner und herausragende Athleten. Und sie machen sehr lustige Werbung. „Mieeelchschniette...“ :D Dass sie aus derselben Stadt kommen wie wir ist aber Zufall. Auf Herkunft sollte meiner Meinung nach kein Mensch stolz sein, denn keiner von uns hat sie sich ausgesucht.

Apropos Klitschko. Die ganze Welt hat ja nun gesehen, was in der Ukraine abging und ich habe auch Deine Posts verfolgt. Wieviel Angst schwang da bei Dir persönlich mit? Wie hast Du es erlebt?

Das war ganz schön Scheiße! Bis auf meine Mama und meinen Onkel ist meine ganze Familie in Kiew. Mein Dad und Tante waren auf dem Maydan. Als die Scharfschützen losgelegt haben, wurde mir kotzschlecht. Ich bin von der Arbeit Heim gegangen und hing stundenlang vor dem Livestream. Ich habe sehr darauf gehofft kein bekanntes Gesicht zu sehen. Auf diesem Platz hingen wir vor einigen Jahren noch bei einem Bier ab und haben mit wunderschönen Mädchen (dafür sollte Kiew berühmt sein) geflirtet. Zu sehen wie da Menschen grundlos sterben hat sehr wehgetan.

Klitschko, Timoschenkow oder sonst wer? Was oder wen braucht die Ukraine nun am meisten?

Keinen von denen. Leider gibt es keinen Führer, der eine gute Alternative wäre. Ich weiß nicht, wie es mit dem Land weiter gehen wird. Im Endeffekt wird dort doch der Kalte Krieg zwischen Amerika und Russland weitergeführt. Auch Europa wittert ihre Chance und hat sich die Hände bereits blutig gemacht. Passt bei der einseitigen Berichterstattung auf, Leute! Es gibt nie nur Schwarz oder Weiß. Ich hoffe einfach, dass sich das Ganze ohne einen Krieg einpendelt. Aber ich sehe Schwarz – dafür sind Obamas und Putins Geheimdienste viel zu fleißig.

Wie geht es mit Pripjat weiter? Stehen vielleicht mal ein paar Gigs in erreichbarer Nähe an?

Oh ja! Am 14.04. spielen wir einen großen Releasegig im Kölner Underground. Und danach geht es zwei Wochen auf Tour. Deutschland, Schweiz, Tschechien. Wir haben uns alle Urlaub genommen und freuen uns wie verrückt auf diese Action. Denn die Bühne bedeutet uns alles. Und wenn das abgehackt ist, sehen wir weiter. Vielleicht kommen weitere Tourangebote. Wenn nicht, spielen wir weiter Einzelgigs und schreiben neue Songs. Unser Abenteuer hat gerade erst begonnen.

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