DER FEINE OST-CHARME
Es ist ein bisschen so, als würde die bucklige Verwandtschaft zu einem alljährlichen Treffen einladen und man hat tatsächlich Lust die beschwerliche Anreise ins Nichts auf sich zu nehmen. Warum die Reise ins nichts? Schon mal hier gewesen im sagenumwobenen (Nord-)Brandenburg? In der Uckermark, dem absoluten Geheimtipp unter den reichen der Reichen? Nein? Tja Pech. Dieses Survivalerlebnis bleibt manchen tatsächlich vorenthalten. Nur die Harten... Na, ihr wisst schon.
Wie bereits im Vorbericht deutlich wurde, habe ich kein 08/15 Festival mit einer Zusammenrottung diverser Headliner besucht, sondern eine Veranstaltung, die von der Leidenschaft und der Hingabe zum Detail lebt. Was Veranstalter und Schirmherr DENNIS auf die Beine gestellt hat und auch jedes Jahr aufs Neue wieder stemmt, sucht seines Gleichen und ich kann es so beschreiben: Er liebt und lebt den Metal. Mindestens 2 Tage unter Strom und immer ein offenes Ohr und Zeit für das ein oder andere Getränke mit den Gästen. Keinen Schimmer wie er das macht, aber meinen Respekt hat er sicher.
Man packt also noch zwei weitere Freunde der unsanften Klänge in den fahrbaren Untersatz und beginnt eine Reise über Straßen, die keine sind, Dörfer, die mal welche waren und Gegenden, in denen die Zeit offensichtlich stehen geblieben ist. Selbstverständlich ist auch eine Anreise über Autobahn und richtiger Landstraße möglich, aber wo bleibt da der Spaß...
Während ein bunter Mix aus dem eigenen Musikarchiv durch die Boxen läuft und die Fahrgäste bereits die ersten Gerstensäfte vertilgen, hat man auf dieser Strecke genügend Zeit sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen, was bei wem grad wie läuft und umgekehrt. Spätestens beim Erblicken der Festivalreklame ist klar: man ist quasi im zweiten Hause angekommen und nun muss man sich wieder an der knallharten Security vorbei arbeiten. Die Jungs sind so hart und sehen so gefährlich aus. Mit diesen Tattoos und so. Dann auch immer nur so böse gucken... Quatsch, total freundliche, zuvorkommende Typen, die bereits zum Inventar gehören und definitiv alles Andere, als die ”typischen” Türsteher sind.
Spannend für uns in diesem Jahr ist, dass wir einen der heißbegehrten Bungalows ergattern konnten, aber wir wussten nicht welchen und irgendwie hatten wir etwas mehr Aufwand damit dies herauszufinden. Zunächst werden aber die alten Gesichter und schmerzlich vermissten Bekannten begrüßt und man erkundigt sich nach den Ereignissen der vergangenen Nacht. Denn getreu dem Motto ”der frühe Vogel säuft schon mal!” Wurde bereits am Donnerstag zum gemeinschaftlichen Schnapsvernichten eingeladen. Die anwesende Bevölkerung war aber noch nicht allzu gesprächig und so widmet man sich der Suche nach der dem Lagerleiter.
Das Quartier ist bezogen, man hat den feinen Ost-Charme wohlwollend in sich aufgenommen und kann sich nun ruhigen Gewissens auf die verbliebenen Kaltgetränke stürzen. Denn nicht nur ein Auto benötigt Sprit für den Motor. Während die ersten Wagemutigen an uns vorbei in Richtung See schlendern, um die Strapazen der Anfahrt oder des vorherigen Abends weg zu waschen, genießen wir die Ruhe vor dem Sturm auf der ganz privaten Terrasse (ja in einem gewissen Alter ist das Campen nicht immer die erste Wahl).
Bis zum Start der Feierei und der Invasion der Partyscheune um 18 Uhr ist es noch ein wenig hin, aber für Verpflegung ist selbstverständlich gesorgt. Die “BarbequeBoozeBoyz” kümmern sich nämlich mit unglaublich guten Getränken und einem reichhaltigen Essensangebot zu unfassbar fairen (fast schon zu niedrigen) Preisen um das, allmählich zunehmende, Publikum. Bereits hier steht Spaß an der Arbeit und sympathischer Plausch mit den Gästen im Vordergrund. Ein lockerer Spruch hier, 0,4 l Bier für 2,50 € (ja tatsächlich) und perfektes Nervenfutter von Schwein und Rind. Von der Bratwurst über Currywurst und Burger zu vegetarischen Variationen und alles zwischen 2 € und 6,50 €. Welch ein Angebot. Da könnten nicht einmal Schwaben meckern.
Fast schon problematisch, bei diesem Sympathischen Umfeld, ist der Faktor Zeit. Denn diese schien auf einmal wie im Flug vergangen und die ersten lauten Töne schieben sich aus der Scheune nach draußen.
Ohne zu ahnen wer eigentlich da gerade beginnt die Bühne zu verwüsten, mache ich mich gemächlich auf zur Bühne, um dann mit Erschrecken festzustellen, dass bereits meine Favoriten ANTIPEEWEE die ganze Veranstaltung eröffnen sollten. Es gab bereits im Vorfeld einen Slotwechsel der jungen Thrashcombo von Samstag auf den Freitag, aber als erste Band? Das ging bei mir leider unter, da habe ich mich schlecht informiert. Also umso mehr abfeiern jetzt!
Das ist Wahnsinn, was die Truppe live abbrennt. Schon jetzt tropft fast der Schweiß von der Decke. Spätestens bei “Rise Of Cthulhu” bin ich voll angekommen auf diesem kleinen, genialen Festival und genieße jeden Riff! Der Bereich vor der Bühne ist angenehm gefüllt. Platz ist genügend für alle da und jeder schaut sich das Spektakel entspannt an, was für mich bei ANTIPEEWEE Gigs sehr neu ist. Aber so erlebt es jeder für sich. Mit “Cool Guy Cthulhu” endet dann Quasi das Intro für das diesjährige Headache, aber man freut sich direkt auf den nächsten Künstler.
Mit ULTRA VIOLENCE wird das anfängliche Tempo erneut aufgegriffen und sogar um die ein oder andere Nuance erhöht. Ein brachialer Sound, der nun durch die alten Balken kracht und wieder sammelt sich eine gute Menge an Musikverrückten vor der Bühne. Dieses Mal werden Takt und Rhythmus von dem einen oder anderen tatsächlich aufgenommen und es beginnt ein leichter Pogo. Dieser wird jedoch nach Kurzweilen von den zuständigen Securitys beendet und unterbunden. Im Nachhinein eine gute und nachvollziehbare Entscheidung. Man hat a) keinen Bock auf unnötige Unfälle und b) hat der ein oder andere auch den Nachwuchs (natürlich mit reichlich Lärmschutz) an der Hand. Dem Gesamtbild tut es jedoch keinen Abbruch. Die Italiener treiben mir allein durch ihr musikalisches Tempo und die messerscharfen Riffs die Schweißperlen auf die Stirn und nein, nicht nur mir.
Ein Feuerwerk war das bis hierhin. Seit ich heute auf dem Gelände unterwegs bin, höre ich ständig einen Namen: MANOS. MANOS hier MANOS da. Für den eingefleischten Metalhead aus Brandenburg definitiv ein Highlight, lass ich mir sagen. Nichtsahnend wage ich einen Blick und spätestens bei diesem Gott von Bassisten, der gleich mit einem Musikwerkzeug aus dem Hause Dr. Frankenstein die Bühne bespringt. Eine doppelläufige, äh... Bassgitarre? Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und mit der roten “Sturmhaube” (klar bei gefühlt 40° in der Scheune holst dir sonst nen Schnuppen) war dann auch alles klar. Spaß! Ist die Devise. Die Meute hat die Aufgabe verstanden und bejubelt inbrünstig jeden Song, jedes Zwischenspiel und irgendwann darf sich auch ein leidgeplagter Saitenzupfer seiner übermäßigen Kopfbedeckung entledigen.
Mich persönlich reißt es doch gen Ende los und ich statte dem Merch einen (ungeplant) ausgiebigen Besuch ab. Wer oder was ist der eigentliche Feind des betrunkenen Metallers? - Merch- und Plattenhändler mit Paypal und Kartenzahlung! Uff Leute. Aber man unterstützt seine Helden doch gerne und Duck, der Begründer von Ironshield Records, gehört mindestens genauso zum Festival, wie die Currywurst zu Berlin. Ein kleiner Plausch hier, ein kleines “Prost” da und da lichtet sich das Bild vor der Bühne. MANOS haben fertig.
Als finaler Act stehen HUMILIATION auf dem Zettel und die Jungs haben sogar eigens für das Headache (und dem R.U.D.E.) ein Shirt als Sonderedition mitgebracht. Das ist doch mal ein ganz besonderes Mitbringsel. Die Scheune jedoch, wollten HUMILIATION nicht in einem Stück lassen und so schepperte ein Taifun epischen Ausmaßen und ohne Vorwarnung durch die Räumlichkeiten. Diese perfekt eingespielte Combo fährt mit einer derartigen Intensität auf, dass weltweit gefühlt die Seismographen anspringen müssten. Bis zum Finale bleiben die Jungs erbarmungslos und dann will diese unersättliche Meute vor der Bühne auch noch Zugaben hören. Das Volk rief und der Tsunami kam! Ein Spektakel!
Dann legt sich die Euphorie der Livemusik allmählich und die Konserve treibt die letzten Kräfte aus den Körpern. Ein gelungener Tag 1 aus meiner Sicht.
DIE ZEPHYR'S ODEM CREW
Dähni [Bericht] | Thor [Fotos] | EmZett [musikalischer Berater]